Bruno, Giordano

Taufname Filippo (* Januar oder Februar 1548 Nola bei Neapel; † 17.02.1600 Rom, als Häretiker verbrannt), italienischer Naturphilosoph und Literat.

Leben
In Nola, einer kleinen Stadt am Fuße des Vesuvs, geboren (das genaue Geburtsdatum ist nicht bekannt), trat er 1565 in den Dominikanerorden ein; 1572 Priesterweihe. 1576 verließ er, der Häresie verdächtigt, den Orden und gelangte über Rom und Genf, wo er zum Calvinismus übertrat, nach Toulouse (1579-1581) und Paris, wo er 1581 an der Universität unterrichtete und 1582 die Bücher De umbris idearum und Cantus Circaeus veröffentlichte. Darin wird bereits der starke Einfluss der magisch-hermetischen Tradition durch die Schriften von > Ficinus, > Agrippa sowie anderer Hermetiker deutlich. Die von B. vertretene > Magie erregte die Aufmerksamkeit der Inquisition und so musste er Frankreich verlassen. 1583 ging er nach England, wo er seine Explicatio Triginta Sigillorum und Sigillus Sigillorum veröffentlichte. Im Juni 1583 traf B. in Oxford den polnischen Woiwoden Albert a Lasco, worüber er in seiner Schrift La Cena delle ceneri (1584) berichtet, in der er eine neue Form des Hermetismus bekannt gibt. 1585 kehrte er nach Paris zurück, wo er 1586 sein wohl dunkelstes Buch, Figuratio Aristotelici Physici Auditus, veröffentlichte und durch seine antiaristotelischen Vorträge, wie schon in Oxford, die Professorenschaft provozierte. So flüchtete er noch im selben Jahr an die lutherische Universität in Wittenberg. 1588 begab er sich für sechs Monate nach Prag, in das Zentrum der geheimwissenschaftlichen Forschung, das ein Sammelplatz von Astrologen und Alchemisten war. Hier veröffentlichte er den Traktat mit dem provokatorischen Titel Articuli adversus mathematicos gegen die alles Okkulte ablehnenden Mathematiker, illustriert mit magischen Kreisen und Diagrammen. Nachdem die erhoffte Anstellung am Hof von Kaiser Rudolf II. ausblieb, immatrikulierte er sich am 13. Januar 1589 an der Universität in Helmstedt (1588-1590), wo er an seiner dann 1591 erschienenen Trilogie lateinischer Lehrgedichte schrieb. Doch auch dort kam es 1589 zu theologischen Auseinandersetzungen, in deren Folge B. von den Lutheranern exkommuniziert wurde. Später wurde ihm von der Inquisition vorgeworfen, er hätte in Deutschland zusammen mit den Lutheranern eine eigene häretische Sekte gegründet, deren Mitglieder sich „Giordanisti“ nannten. Sie sollen die Vorläufer der zu Beginn des 17. Jhs. in der Literatur auftauchenden > Rosenkreuzer gewesen sein. Wahrscheinlich aber waren sie mit diesen identisch, denn alle gehörten zur Gruppe der > „Erleuchteten“.
1590 ging B. für sechs Monate in die Schweiz, um in Elgg bei Zürich den Liebhaber magischer und alchemistischer Bücher, Johannes Heinrich Hainzell (Haincelius), aufzusuchen. Hier schrieb er seine letzte Publikation, den Traktat De imaginum, signorum et idearum compositione.
1591 wurde B. vom venezianischen Buchhändler Giovanni Battista Ciotto in Frankfurt dazu überredet, nach Venedig zu gehen, weil dort ein guter Kunde von ihm, Zuan Mocenigo, ein Verehrer der Bücher Brunos, den Autor persönlich kennenlernen wollte, um von ihm das Geheimnis der „Rückerinnerung“ und magische Praktiken zu erfahren. Von dem Gespräch enttäuscht, nahm ihn Mocenigo in Haft, unterstützte durch die Bücher, die er von B. besaß, seine Anklage vor der Inquisition und übergab ihn am 26. Mai 1592 dem Heiligen Offizium. In Rom musste B. acht Jahre den sich hinschleppenden Inquisitionsprozess über sich ergehen lassen, der am 17. Februar 1600 mit seinem Feuertod auf dem Campo de Fiori endete. Anklagepunkte waren die Leugnung der Trinität und der zwei Naturen Christi.

Lehre
Der so unruhige und freiheitsliebende Neapolitaner, der sich bewusst „Nolaner“ nannte, um die feurige Lava-Erde seiner Heimat mit seinem Temperament zu vergleichen, sah alles Gegebene anders. Er musste das Kloster verlassen, weil er den christlichen Theismus, die Trinität und die Heiligenverehrung ablehnte. Ebenso war er gegen die Wissenschaftsprinzipien des Aristoteles (Figuratio Aristotelici Physici Auditus, 1586). Im Geist des Kopernikus bekämpfte er das geozentrische, aber auch das heliozentrische Weltbild und betonte unter dem Einfluss des Neuplatonismus, der Stoa und des > Hermetismus die Unendlichkeit des Universums, in dem nichts Zentrum, sondern Gott selbst das All sei. Dieses unendliche Universum sei ausgefüllt mit einer unendlichen Anzahl von Welten, die er Monaden nennt, und von einer > Seele erfüllt. Die Unendlichkeit des Universums besagt schließlich auch, dass es nicht ganz zu Ende gehen kann, da es ein plenum (Ganzes) ist, in dem es keine Leere und kein Nichts gibt, das die Dinge verschlingen könnte (Vom Unendlichen, dem Universum und den Welten, 1584).
In seinem zentralen Werk, Von der Ursache, dem Prinzip und dem Einen (1584), in dem er dieses Weltbild von der Einheit Gottes mit dem Universum darstellt, wird die Schöpfung als innere Notwendigkeit beschrieben, bei der Gott als erste Ursache von allem Seienden das Universum als lebendigen Organismus erschuf. Das Universum selbst ist von der Weltseele erfüllt, die alle Abläufe koordiniert und durch Einwirkung auf die Materie, den Urgrund aller Dinge, die pluralistische Formenwelt hervorbringt.
In seinem Werk De monade numero et figura (lat., Über die Monade, die Zahl und die Gestalt, 1591), dessen Komposition sich an Agrippa von Nettesheims De occulta philosophia anlehnt und eine Numerologie der Zahlen von eins bis zehn bringt, steht die Zehnheit für die Welt.
Seine erste moralphilosophische Schrift, Spaccio de la bestia trionfante (it., Vertreibung der triumphierenden Bestie, 1584), eine Verherrlichung der magisch-mythischen Religion der Ägypter, beschreibt in Dialogform eine allegorische satirische Reform des Himmels. Dahinter steht der zentrale Gedanke, dass auch im menschlichen Mikrokosmos ein Himmel von Tugenden und Lastern gedacht werden kann, der seinen siderischen Einfluss auf die Seele ausübt. Nach dieser „inneren Astrologie“ geht die Schrift alle 49 > Sternbilder durch und erörtert, durch welche Prinzipien sie zu ersetzen sind. Den Göttervater > Zeus lässt B. an die Stelle der zirkumpolaren „kleinen Bärin“ – die als Bestie vertrieben wird – die Wahrheit setzen, an die Stelle des Drachens die Klugheit, an die Stelle des Cepheus die Weisheit usw. Der Auszug der Bestie, der schon früh auf den Papst bezogen wurde, scheint vielmehr eine Parodie auf den Triumphzug der Kirche bei Dante zu sein.
In Cabala del Cavello Pegaseo, 1585 in England gedruckt, führt B. auch die > Kabbala auf einen altägyptischen Ursprung zurück.
Letztlich fordert die Mythologie der Vernunft von B. anstelle einer heteronomen Religion für fromme „Esel“ eine aus der Erkenntnis der göttlichen Natur gewonnene Sittlichkeit.

Mit diesem Pantheismus wirkte B. später auf > Spinoza, > Goethe und die > Romantik ein. Im 19. Jh. wurde er in Italien zur Symbolfigur der antikirchlichen Bewegung, die heute in ihrer globalisierten Form wiederum auf B. zurückgreift.

W.: Hauptwerke: De umbris idearum, 1582; Cantus Circaeus, 1582; Sigillus sigillorum, 1583; La cena delle ceneri, 1584; De la causa, principio e uno, 1584; De l’infinito universo e mondi, 1584; Spaccio della bestia trionfante, 1584; De gl’heroici furori, 1585; Figuratio Aristotelici physici audi­tus, 1586; Centum et viginti articuli de natura et mundo, 1586; De lampade combinatoria Lulliana, 1587; Artifi­cium perorandi, 1587; Lampas triginta statuarunt, entst. 1587; Camoeracensis acrotismus, 1588; Articuli adversus mathematicos, 1588; De triplici minimo et mensura, 1591; De imaginum signorunt et idearum compositione, 1591; De monade numero et figura, 1591; De innumerabilibus immenso et infigurabili, 1591.
Gesammelte Werke: Bd. 1-6. Leipzig: Diederichs, 1904.
Lit.: Becker, Christoph: Giordano Bruno – Die Spuren des Ketzers: ein Beitrag zur Literatur-, Wissenschafts- und Gelehrtengeschichte um 1600. Stuttgart: ibidem, 2007; Dischner, Gisela: Giordano Bruno: Denker, Dichter, Magier. Tübingen [u.a.]: Francke, 2004; Yates, Frances Amelia: Giordano Bruno and the Hermetic Tradition. With an introd. by J.B. Trapp. London [u.a.]: Routledge, 2002.
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