Brasilien

Die Geschichte und der Phänomenbereich der Paranormologie von B. sind sehr vielschichtig, sodass hier nur die Grundthemen angesprochen werden.
B. war von Anfang an ein Schmelztiegel okkulter, magischer und schamanistischer Praktiken und Lehren, angefangen von den zahlreichen Indianerstämmen, von denen immer wieder neue entdeckt werden, bis zur Vielfalt spiritistischer, animistischer, schamanistischer und magischer Phänomene in afrobrasilianischen Kulten wie > Macumba, > Umbanda, > Quimbanda, > Candomblé, und > Voodoo. Diese Kulte sind nicht zuletzt auch eine Frucht der Missionstätigkeit der Portugiesen. Sie christianisierten die indianische Bevölkerung wie auch die importierten Negersklaven nur oberflächlich. Die Missionare erleichterten sich die kirchliche Unterweisung, indem sie die alten afrikanischen Göttergestalten durch entsprechende Gestalten christlicher Heiliger ersetzten. So blieb inmitten der katholischen Kulte die alte afrikanische Religion unter christlichem Namen erhalten. Diese pflegte den > Ahnenkult. Die Geister der Ahnen wurden bei allen wichtigen Gelegenheiten des Lebens durch Medien befragt.

Diese spiritistische Ausrichtung erfuhr dann im 19. Jh. durch die Verbreitung der Werke von Allan > Kardec einen so großen Auftrieb, dass B. als die „größte spiritistische Nation der Welt“ bezeichnet wurde. Zum 100. Todestag Kardecs wurde 1969 sogar eine eigene Briefmarke mit seinem Porträt herausgegeben. 1939 wurde im Staat Sao Paulo die Spiritistische Föderation gegründet, um allen beizustehen, die in dieser Hinsicht Hilfe benötigten.
Das Erstarken des Spiritismus bewog 1953 die nationale katholische Bischofskonferenz, den Spiritismus zur gefährlichen Irrlehre zu erklären, womit eine starke Kampagne gegen den Kardecismus und Umbanda einsetzte. Die Hauptautoren waren Frei Boaventura Kloppenburg (1957; 1960; 1961a; 1961b; 1967; 1972) und Álvaro Negromonte (1954). Auf spiritistischer Seite kämpften Carlos Imbassahy (1935; 1943; 1949; 1950; 1955; 1961; 1962; 1965; 1967; Imbassahy & Granja 1950) sowie Deolindo Amorim (1949; 1955; 1957; 1978; 1980) gegen die katholischen Angriffe. In den 1960er Jahren wurde der spanische Jesuit Oscar González > Quevedo nach Brasilien geschickt, um das Land vom Aberglauben des Spiritismus zu befreien. 1970 gründete er das Centro Latino Americano de Papapsicologia (CLAP), das sich mit dem Gesamtbereich des Paranormalen im Kontext der katholischen Lehre befasst.
Sein größter Gegenspieler war der Ingenieur und spiritistische Intellektuelle Hernani Guimãraes > Andrade, der 1963 das Instituto Brasileiro de Psicobiofísica (IBPP) ins Leben rief.
In diesem spiritistischen Kontext ist auch der besondere Stellenwert der verschiedensten Formen paranormaler Heilung zu sehen, wobei die sog. „Psychische Chirurgie“ geradezu eine Herausforderung darstellt. Heiler führen ohne besondere Ausbildung, meist noch dazu in einem tranceähnlichen Zustand, ohne Sterilisation und ohne Narkose mittels Skalpell echte Eingriffe durch, bei denen kein Blut fließt und die Wunden normal verheilen. Zu den bekanntesten Psychochirurgen gehören Edivaldo Oliveira > Silva, José > Arigó, Dr. Edson > Queiroz sowie José > Umberto, um nur einige zu nennen. Trotz heftigen Widerstands der Ärzteschaft mittels Gesetzen zum Verbot illegaler medizinischer Betätigung erfahren die Heiler weiterhin großen Zuspruch und werden übrigens von allen Schichten der Bevölkerung aufgesucht.

1973 wurde von Valter da Rosa Borges das Instituto Pernabucano de Pesquisas Psicobiofísicas (I.P.P.P) gegründet, das sich mit parapsychologischer Forschung, Beratung, Information und Kongressen befasst.
So finden wir in Brasilien sowohl kirchliche als auch parapsychologische und spiritistische Institutionen, die sich mit Themen des Paranormalen auseinandersetzen, wobei die Toleranz in letzter Zeit zugenommen hat.

Lit.: González Quevedo, Oscar – A face oculta da mente. Sao Paulo; 1968; Langguth, A.J.: Macumba: White and Black Magic in Brazil. New York [u.a.]: Harper & Row, 1975; González-Quevedo, Oscar: Curandeirismo um mal ou um bem? Sao Paulo: Edicoes Loyola, 1976; Tourinho, Nazareno: Dr. med. Edson Queiroz: der Wunderchirurg aus Brasilien. Melsbach/Neuwied: Die Silberschnur, 1986; Hess, David J.: Spirits and Scientists: Ideology, Spiritism, and Brazilian Culture. University Park (PA): Pennsylvania State University Press, 1991.
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