Borborianer, Borboriten

(„Schmutzige“), abwertende Bezeichnung der Kirchenväter für eine geheime libertinistisch-gnostische Gruppe in Ägypten, Kleinasien und besonders Syrien-Mesopotamien, die ab dem Ende des 3. Jhs. bis in das 6. Jh. nachweisbar ist. Die B. sind vielleicht von den > Nikolaiten abhängig und zum Teil identisch mit den > Stratiotikern, > Phibioniten, > Koddianern, > Zakchäern, > Levitikern u. a. Sie bezeichnen sich als > Gnostiker und stellen in den Mittelpunkt ihrer Lehre und ihres Kultes die Gestalt der > Barbelo oder Barbero, die ihren Namen einer hebräischen Wortverbindung verdankt: Barbhe Eloha, „in der Vier ist Gott“.
Die B. besitzen zahlreiche apokryphe Texte. Zu ihnen gehören nach Epiphanius, dem Hauptzeugen, die Bücher Ialdabaoth, die Apokalypse Adams, das Evangelium Evas, die Bücher Seth, das Buch Noria, die Prophetien des Barkabbas, die Himmelfahrt des Elias, die Geburt Marias, das Evangelium der Apostel, Die großen und die kleinen Fragen der Maria, das Evangelium des Philippus und das Evangelium der Vollendung.
„Sie verehren eine ge­wisse Barbelo, von der sie sagen, dass sie oben im achten Himmel lebe, und sie sei aus dem Vater hervorgegangen. Sie aber ist, wie die einen sagen, die Mutter des Ialda­baoth, wie die anderen meinen, die des Sabaoth. Ihr Sohn aber führt die Herrschaft über den siebenten Himmel in tyrannischem Hochmut und spricht zu den ihm Unter­gebenen: ,Ich bin der Herr und sonst keiner mehr; kein Gott ist außer mir‘ (Jes 45, 5). Barbelo aber hörte dieses Wort und weinte. Sie erscheint nun immer den > Archonten in irgendeiner herrlichen Gestalt und beraubt sie ihres Samens durch Lust-Erguss, um auf diese Weise ihre in verschiedene Wesen zerstreute Kraft wiederum an sich zu bringen“ (Leisegang, 188; Epiphan. Panar, haer. 25, 2 ff).

Im Kult werden daher männliches Sperma und weibliches Menstruationsblut („Leib und Blut Christi“) als Träger des > Pneuma dem „Ursprung“ zurückgegeben, um Geburt zu verhindern und den Aufstieg vorwegzunehmen. Die Erlösung von den bösen Weltmächten sei nämlich nicht durch Enkrateia (Enthaltung) oder nihilistischen Libertinismus, sondern durch bewusste Ausübung der Sexualität zu erlangen.

Lit.: Rudolph, Kurt (Hrsg.): Gnosis und Gnostizismus. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1975; Koschorke, Klaus: Die Polemik der Gnostiker gegen das kirchliche Christentum: unter bes. Berücks. d. Nag-Hammadi-Traktate „Apokalypse d. Petrus“ (NHC VII, 3) u. „Testimonium Veritatis“ (NHC IX, 3). Leiden: Brill, 1978; Leisegang, Hans: Die Gnosis. Stuttgart: Kröner, 51985; Brumlik, Micha: Die Gnostiker: der Traum von der Selbsterlösung des Menschen. Berlin; Wien: Philo, 2000.
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