Bios

Der lebende Organismus. Das griechische Substantiv bios, das erstmals bei Homer vorkommt, hatte ursprünglich die Bedeutung von „Lebensdauer“ und individueller „Lebensweise“ des Einzelnen. Diese Bedeutung wurde bereits bei Homer durch den Begriff zoe (Leben) erweitert, der im Griechischen die physische Lebendigkeit der organischen Wesen – Pflanze, Tier und Mensch – bezeichnet. Konkrete Gestalt erhält zoe erst im individuellen bios, der die Lebensweise im Sinne von Lebenscharakter bezeichnet. Im bios kann zoe das Leben gewinnen oder verlieren. So gehen die Bedeutungen von bios und zoe auch häufig ineinander über, weshalb der spätere lateinische Begriff vita (Leben) unterschiedslos für beide griechischen Termini verwendet wird.
Der Begriff vita betont vor allem die Lebendigkeit, was schließlich in den entsprechenden Begriffen der westlichen Sprachen seinen Niederschlag findet und zur Allgemeinbezeichnung von „Lebendigkeit“ als Wechselspiel von Materie und Geist oder als evolutive Dynamik des Materiellen führt.
Die von der > Esoterik, den Alchemisten, Mesmeristen und Vitalisten postulierte ureigene Wirkqualität des B. fand im Wissenschaftsbereich hingegen kaum Beachtung. Dies ist darin begründet, dass Geisteswissenschaft und Naturwissenschaft seit > Platon und > Demokrit nur mehr mit den Begriffen Materie und Geist (Intellekt) allein arbeiteten, während jene von B. und > Psyche zu Epiphänomenen von > Physis bzw. nous (Geist als Intellekt) degradierten.
Diese Einstellung hat nicht nur zu einer völligen Vernachlässigung der Eigenart von B. und Psyche geführt, sondern auch zu einer beschränkten Lebensbetrachtung, die den heutigen Kenntnissen von Welt und Mensch jedoch nicht mehr gerecht wird. Dafür spricht schon die alltägliche Erfahrung, dass die Eigenart des Körperkontaktes nur durch den lebenden Organismus erfahren wird, der um so wohltuender ist, je mehr er von einem personalen Einheitsgefühl ohne Fehl und Trug sowie von einem abgestimmten Atemrhythmus getragen wird.
Wissenschaftstheoretisch ist eine solche Unterscheidung des B. von der Physis erst durch die Einheitliche Quantenfeldtheorie von Burkhard > Heim diskussionsfähig geworden. Nach Heim bilden die Elementarteilchen nicht aus eigener Kraft einen Gegenstand in der Raum-Zeit, sondern nach den ihnen zugrunde liegenden Strukturen bzw. Informationen. Je komplexer diese Strukturen bzw. Informationen sind, um so anpassungsfähiger und selbständiger ist die von ihnen getragene Erscheinungsform physischer, biologischer, psychischer oder geistiger Natur.
Diese Eigenart des B. kommt neben der Bedeutung des Körperkontaktes vor allem bei der Entwicklung des Kleinkindes, in den mitmenschlichen Beziehungen und bei jenen Formen der Heilung zum Tragen, die als gemeinsamen Grundzug die Mobilisierung der im B. vorhandenen Wirkkräfte ausweisen, wie > Akupunktur, > Neuraltherapie und sämtliche energetischen Methoden. Auch die sog. klassischen Naturheilverfahren benutzen natürliche Lebensreize wie Wärme, Kälte, Licht, Dunkel, Luft, Wasser, Erde, Bewegung, Ruhe, Nahrung, Heilkräuter und seelische Wirkfaktoren, um die Heil- und Ordnungskräfte des B. zu aktivieren.
Außerdem gehört es bereits zum Allgemeinverständnis, dass Stress das Immunsystem in seiner Funktionsfähigkeit behindert und Krankheit sowie schlimmstenfalls den Tod herbeiführen kann. Dass aber gleichzeitig positive Aspekte wie Freude, Hoffnung und Liebe die Gesundheit und das Wohlergehen des B. fördern können, wird zum Großteil noch belächelt. Doch haben selbst in der Schulmedizin umfangreiche Beobachtungen gezeigt, dass Erkrankungen nicht nur durch Zufuhr von Medikamenten beseitigt werden. Aufgrund der Funktion des Immunsystems, des Allgemeinzustandes, der Konstitution und der seelischen Verfassung ist nach eingehenden Untersuchungen ein natürliches Heilvermögen des B. auf den Heilungsprozess gegeben.

Lit.: Resch, Andreas: Bios. Grenzgebiete der Wissenschaft 32 (1983) 2, 73-88; Heim, Burkhard: Der Elementarprozess des Lebens, in: Ders.: Mensch und Welt. Innsbruck: Resch, 2008, S. 73-138.

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