Biorhythmik, Biorhythmus

Griech. bios, Leben; rhythmos, Gleichmaß, periodischer Wechsel; periodische Schwankungen der körperlichen, emotionalen und intellektuellen Verfassung des Menschen.
Hinweise auf rhythmisches Geschehen finden wir bereits bei Konfuzius († 478 v. Chr.) im Buch der Wandlungen und in der Yin-Yang-Lehre, ebenso beim griechischen Arzt Hippokrates († 377 v. Chr.) in seinem Buch Die Siebenzahl.
Als Begründer der neueren Lehre von Lebensrhythmen gilt der deutsche Sanitätsrat Dr. med. Wilhelm Fließ (1858-1928), ein Freund S. Freuds. Er beobachtete das Wirken eines 23-tägigen und eines 28-tägigen Langzeitrhythmus, vermutete in ihnen (23) das männliche und (28) das weibliche Prinzip und bezeichnete sie als „Substanzrhythmen“. Gleichzeitig mit Fließ entdeckte der Wiener Psychologieprofessor und Schüler Freuds, Dr. Hermann Swoboda (1873-1963), ohne Kenntnis der Arbeiten von Fließ sowohl den körperlichen als auch den seelischen Biorhythmus, veröffentlichte aber seine Erkenntnisse erst nach Fließ 1904. 1928 wies der in Innsbruck tätige Schweizer Dr. Ing. Friedrich Teltscher einen dritten Rhythmus mit 33 Tagesintervallen nach. Damit waren die „Hauptkurven“ für Körper, Seele und Intellekt ausgewiesen und die Wissenschaft machte sich weltweit daran, diese weiter zu erforschen.
1937 wurde der erste Rechner zur Ermittlung der Biorhythmuskurven in der Schweiz hergestellt.
Bei den Rhythmusarten unterscheidet man zwischen exogenen und endogenen Rhythmen.
Exogene Rhythmen sind periodisch schwingende Bewegungen außerhalb des menschlichen Körpers (Gezeiten, Jahreszeiten, Gestirne usw.).
Endogene Rhythmen sind subjektbezogen und zeigen sich in der Wiederkehr von Schlaf und Wachen, Zellauf- und -abbau, Nahrungsaufnahme und Ausschei­dung, in der Hormonausschüttung, der Blutzusammensetzung, also in allen physiologischen Prozessen. Nach der Theorie der B. läuft unser Denken, Fühlen und Wol­len rhythmisch ab.
Der körperliche Zyklus, der die Widerstandsfähigkeiten gegen Krankheit, die Energie, das Zusammenwirken der Muskeln und anderer Körperfunktionen steuert, ist nach 23 Tagen abgeschlossen. Der emotionale Zyklus, wozu Gemütslage, Wahrnehmungen und seelisches Wohlbefinden gehören, dauert 28 Tage, während der geistige oder intellektuelle Zyklus, der Gedächtnis, Aufgewecktheit und logisches Denken umfasst, 33 Tage beansprucht. Jeder Tag, an dem eine der drei Zykluskurven die Null-Linie an einem Knotenpunkt schneidet, gilt als „kritischer Tag“.
Von der Wissenschaft wurde die B. lange ignoriert, bis sich in den 1960er Jahren Amerikaner und Japaner dafür zu interessieren begannen. Schlüssige Beweise, dass man diese angeführten Zyklen zur Vorhersage nutzen könnte, stehen allerdings noch aus. Hingegen bestätigt sich immer mehr, dass es Tages- und Mondzyklen gibt, welche die biologische Aktivität des Körpers sowie äußere Einflüsse steuern.
So entwickelte sich parallel zur Erforschung der B. ein streng wissenschaftlich-biologischer Forschungszweig, die > Chronobiologie.

Lit.: Fließ, Wilhelm: Der Ablauf des Lebens: Grundlegung zur exakten Biologie. Leipzig; Wien: Deuticke, 1906; Hippocrates: Die hippokratische Schrift von der Siebenzahl. In ihrer vierfachen Überlieferung zum erstenmal hrsg. u. erl. von W.H. Roscher. Paderborn: Schöningh, 1913; Swoboda, Hermann: Das Siebenjahr: Untersuchungen über d. zeitliche Gesetzmäßigkeit d. Menschenlebens. Wien: Orion-Verl, 1917; Hippocrates: Die Krisen; die kritischen Tage; Prognostikon. Stuttgart [u.a.]: Hippokrates-Verl, 1934; Uray, Max: Biorhytmik: die neue Dimension. 2 Bde. Wien: Orac, 1990; West, Peter: Biorhythmus. Köln: Könemann, 2000.
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