Bileam

Hebr., auch als Balaam bekannt., > Prophet und > Seher. Für die Geschichtlichkeit des B. sprechen die 1967 bei Ausgrabungen am Tell Der-Alla (Sukkoth im Jordantal, heute Jordanien) zutage getretenen Putzfragmente mit einer aramäischen Inschrift, datiert auf ca. 2800 ± 70 Jahre v. Chr. (Biblical Archeology Review, September/Oktober 1985). Nach diesen Texten war B. der Sohn der Beor und Seher autochthoner Götter, unter anderem > Els, deren Verehrern er ein Gericht ankündigte, wohl in der Absicht, es durch die Fürbitte der Schaddaigötter und die Sinnesänderungen der Betroffenen abzuwenden. An den Enden der Texte geht die > Weissagung offenbar jeweils in eine Heilsankündigung über.
Formgeschichtlich hat die Inschrift eine Parallele in den Segenssprüchen (Num 24,  3-9.15-19): 3„Spruch Bileams, des Sohnes Beors, Spruch des Mannes mit geschlossenem Auge. 4 Spruch dessen, der Gottesworte hört, der eine Vision des Allmächtigen sieht, der daliegt mit entschleierten Augen“ (Num 24,3-4). B. war offenbar ein ostjordanischer Unheilsverkünder, auf den sich eine in Sukkoth ansässige Prophetengemeinschaft als ihren „Vater“ berief. In Num 22-24 wird berichtet, dass Balak, der König der Moabiter, B. bittet, den bedrohlichen Vormarsch Israels aus > Ägypten durch einen > Fluch zu stoppen. B. lehnt zunächst ab, reitet dann aber auf seiner Eselin los, die vor einem Engel mit Schwert auf dem Weg zurückscheut. Als sie deswegen von B. dreimal geschlagen wird, verleiht ihr Jahwe die Stimme und sie beschwert sich bei ihrem Herrn. Unter Darbringung von Opfern wandelt sich der Fluch gegen Israel in einen dreimaligen Segen für Israel. B. ergreift die Flucht, nachdem er seinen Auftraggebern den Untergang prophezeit hat. So wird aus dem Unheilsverkünder ein Segensspender für das mit den Ostjordaniern verfeindete Israel. In Neh 13,2 erscheint B. hingegen als ein Fluchwirker gegen Israel, in Jos 13,22 als Wahrsager und in Num 31,22 als Verführer zum Götzendienst, weshalb er getötet wird (Num, 31,8.22, Jos. 13,22).
Eine wichtige Prophezeiung B.s findet sich in Num 24,17: „Ich sehe ihn, aber nicht jetzt, ich erblicke ihn, aber nicht in der Nähe: ein Stern geht in Jakob auf, ein Zepter erhebt sich in Israel. Er zerschlägt Moab die Schläfen und allen Söhnen Sets den Schädel.“ Im Judentum verweist man dabei auf König David, im Christentum sieht man darin die Ankündigung des Kommens Christi. So wird B. in den Katakomben seit dem 3. Jh. als Prophet stehend und auf einen Stern deutend dargestellt, was auch mit den Weisen aus dem Morgenland in Verbindung gebracht wird, die diese Prophezeiung möglicherweise kannten und sich deshalb beim Erscheinen des Sterns nach Israel aufmachten, um den „König“ zu suchen.
Der entscheidende Satz für eine astronomiegeschichtliche Einordnung von B. findet sich in Num 24,17: „Es tritt auf den Weg ein Stern aus Jakob.“ Es ist anzunehmen, dass Bileam den neuen Stern bei einem der beiden Schnittpunkte von galaktischem Äquator und Ekliptik beobachtet hatte, wie Num 23,1-5 zeigt. Nach Josef Schmidt spiegelt sich in den von B. angeordneten sieben Opferfeuern genau jene Sternkonstellation, die auf der > Himmelsscheibe von Nebra den Blick des Betrachters auf sich zieht: „Wie der Astronom von Nebra, so nutzte auch der am Euphrat wirkende Kollege das Wintersechseck zur Verortung eines astronomischen Ausnahmeereignisses“ (Schmidt, 257).

Lit.: Gross, Walter: Bileam: literar- u. formkrit. Untersuchung d. Prosa in Num 22-24. München: Kösel, 1974; Vetter, Dieter: Seherspruch und Segensschilderung: Ausdrucksabsichten u. sprachl. Verwirklichungen in d. Bileam-Sprüchen von Numeri 23 u. 24. Stuttgart: Calwer Verlag, 1974; Gaß, Erasmus: „Ein Stern geht auf aus Jakob“: sprach- und literaturwissenschaftliche Analyse der Bileampoesie. St. Ottilien: EOS-Verl., 2001; Schmidt, Josef: Ein astronomisches Bilderrätsel aus der Bronzezeit. Grenzgebiete der Wissenschaft 57 (2008) 3, 256-260.
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