Beschneidung

Die aus rituellen oder hygienischen Gründen beim männlichen Säugling oder Erwachsenen vorgenommene Teilentfernung der Vorhaut, bei weiblichen Personen das Ausschneiden der kleinen Schamlippen oder des Kitzlers.
Je nach Art und Umfang des operativen Eingriffs beim Säugling oder Mann unterscheidet man: Ein­schneiden der Vorhaut (incisio praeputii), teilweise oder vollständige Entfernung der Vorhaut (circumcisio partialis /tota­lis), Durchbohren der Vorhaut (perfora­tio praeputii), Durchbohren des Penis (perforatio penis, glandis), Einschneiden der Eichel (incisio glandis), Aufschnei­den der Harnröhre von unten (discissio urethrae), Entfernung eines Hodens (exstirpatio te­sticuli).
Bei der Frau unterscheidet man: Entfernung der klei­nen Schamlippen (circumcisio labiorum minorum), teilweise oder vollständige Entfernung der Klitoris (excisio clitoridis), begrenztes oder dauerndes Verschließen der Scheide (infi­bulatio).
Während die männliche B. eine sehr weite ethnische Verbreitung hatte und noch hat, findet sich die weibliche B. weit seltener.

Geschichtlich gesehen wurde die männliche B. in Ägypten schon in vor- und frühgeschichtlicher Zeit praktiziert (Reisner, 112) und ist dann immer in Brauch geblieben. Sie hat sogar das Verbot Hadrians (Mommsen, 637) überdauert. Nach der hebräischen Bibel (hebr. berit milah, Bund der Beschneidung) beschnitt sich > Abraham selbst und alle männlichen Mitglieder seines Hauses in Gehorsam gegenüber Gott als Zeichen des Bundes. In Verfolgungszeiten galt die B. als Zeichen der Treue. Während das orthodoxe Judentum bis zur Gegenwart an der B. festhält, kann sie nach dem Reformjudentum durch ein Tauchbad ersetzt werden.
Das Neue Testament berichtet von der B. Johannes’ des Täufers und Jesu. Bereits auf dem Apostelkonzil (Apg 15,6-31) wurde bei bekehrten Heiden auf die B. verzichtet, sodass sie im Christentum kein Thema mehr ist.

Bei den Arabern war die B. von Knaben (arab. hitan, in Marokko tahara, bei den Türken sünnet) hingegen üblich und ging als verbindlich in den Islam ein, ohne dass im Koran davon die Rede ist. Sie wird als verdienstvolles Werk bezeichnet, sodass kein Muslim in der Praxis auf sie verzichten würde, weshalb sie auch mit der Aufnahme von Konvertiten in die islamische Gemeinschaft verbunden ist. Die Beschneidung von Mädchen (khafd oder khifad) ist vor allem in Nordafrika üblich und beruht auf Behauptungen, dass sie zur Sunna gehöre. Sie wird hauptsächlich in drei Arten praktiziert: Einritzen oder Durchstechen der Klitoris, Entfernen der Klitoris und zuweilen auch der kleinen Schamlippen, Herausschneiden der großen Schamlippen und Zunähen der Scheide, abgesehen von einer kleinen Öffnung, die wieder erweitert wird, wenn die Frau verheiratet ist.
Im semitischen Asien, in Ozeanien, Afrika und Teilen Amerikas gehört die B. zu den > Initiationsriten (Reifeweihen und Reifezeremonien).

Der Zeitpunkt der B. liegt durchwegs vor der Pubertät; eine kultur­vergleichende Liste reicht von wenigen Tagen nach der Geburt (bei einigen is­lamischen Völkern) bis zum 17. Lebensjahr (bei den Kikuyu in Kenia). Bei vielen Völkern gilt die B. als Reifezeremonie, nach welcher der junge Mann oder die junge Frau als heiratsfähig gilt. Bei anderen wird sie als Opfer der Vorhaut an einen Fruchtbarkeitsgott betrachtet, durch das die Zeugung unter himmlischen Segen gestellt werden soll.

Lit.: Reisner, George A.: Tomb Seriation at Naga-‘d-Dêr, Egypt, in: The Archaeologist at Work. New York, 1959, S. 393-404; Steinschneider, Moritz: Die Beschneidung der Araber und Muhammedaner, mit Rücksicht auf die neueste Beschneidungsliteratur (1845). Neudruck Tel-Aviv, 1972; Mommsen, Theodor: Römisches Strafrecht. 2. Neudr. d. Ausg. Leipzig 1899. Aalen: Scientia-Verl, 1990; Dalos, György: Die Beschneidung: eine Geschichte. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1999; Behr, Yvonne: Die Beschneidung von Mädchen und Frauen in Deutschland: rechtliche Aspekte. Düsseldorf, Univ., Diss., 2005.

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