Außerkörperliche Erfahrung ( AKE)

Engl. extracorporeal experience oder out-of-the-body-experience (OBE und OOBE), spontane oder induzierte Erfahrung, bei der das Bewusstsein außerhalb des eigenen Körpers zu sein scheint. Celia > Green unterscheidet zwei Formen der AKE: die parasomatische, bei der die Person das Empfinden hat, körperlich verdoppelt zu sein, wobei die beiden Körper zuweilen mit einer Silberschnur verbunden sind; und die asomatische bzw. unkörperliche Form, bei der die Person sich völlig körperlos fühlt. Die AKE ist ein welt- und kulturweit verbreitetes Phänomen, das aus ältester Zeit berichtet wird. Nach neueren Untersuchungen machen durchschnittlich 10% der allgemeinen Bevölkerung (5 Studien), 25% der Studenten (49 Studien) und 48% von parapsychologischen Gruppen (10 Studien) AKEs (Alvarado, 185). Bei diesen Erfahrungen handelt es sich um das sichere Gefühl, „sich“ von dem gewöhnlichen, physischen Körper zu entfernen, meist aus einer Ruhelage heraus, so dass sich der neue Körper, für den die Terminologie ein reiches Vokabular wie etwa > Astralleib oder > Ätherleib zur Verfügung stellt, waagrecht abhebt. In vielen Fällen, d.h. von etwa 62% der Befragten (Alvarado, 186), wird dabei der zurückgelassene Körper aus der neuen Perspektive wahrgenommen und manchmal, in etwa 7% der untersuchten Fälle (Alvarado, 186), auch eine > Silberschnur, engl. astral cord, die beide Körper miteinander verbindet. Das Sehen des zurückgelassenen physischen Körpers wird > Autoskopie und noch genauer > Heautoskopie genannt. In einigen Fällen kann ferner der eigene neue Körper betrachtet werden, der häufig dem gewöhnlichen Körper ähnelt, aber noch in vielen anderen Varianten wahrgenommen wird, so etwa als Wolke, reines Bewusstsein, Lichtkugel oder bloßer Punkt im Raum. Dieser ätherische, mitunter als transparent erlebte Körper kann seine Beschaffenheit im Verlauf einer AKE auch verändern, wie Karlis > Osis von 23% der von ihm Befragten erfuhr. In Einzelfällen kann dieser ätherische Körper auch von Außenstehenden als > Erscheinung wahrgenommen werden, was u. U. zu einem > Doppelgänger-Erlebnis führen kann, wie es im Fall > Wilmot beschrieben wurde (Gurney, Myers and Podmore; Myers; Guiley 1992).
Die AKE ist nicht wie die > Nahtoderfahrung an die Situation der Begegnung mit dem Tod gebunden, überschneidet sich jedoch phänomenologisch gesehen weitgehend mit ihr, auch wenn sie weniger häufig das Sehen des zurückbleibenden physischen Körpers, nicht die typische Reise durch einen Tunnel und ebenso wenig die Begegnung mit Verstorbenen, himmlischen Wesen oder einem besonders intensiven Licht beinhaltet (Gabbard, Twemlow u. Jones). Ferner ist die > Astralprojektion, die oft als willentliche Loslösung vom physischen Körper verstanden wird, vom Phänomen her eine AKE, so dass man den Begriff der AKE als neutralen Oberbegriff bezeichnen kann, der lediglich das Erlebnis der Trennung des Ichs, des Selbstes bzw. des Bewusstseinszentrums vom Körper erfasst.

Der Begriff AKE sagt nichts über Intensität, Qualität oder Wertung der Erfahrung aus, also nichts darüber, ob es sich bei der AKE nur um ein kurzes Loslösen vom Körper oder um eine längere Reise handelt, nichts über den erlebten Inhalt und dessen Bedeutung für den Betroffenen und auch nicht, ob die AKE spontan oder willentlich zustande kommt. Daher deckt der Begriff ein sehr weites Feld von weltweit berichteten Erlebnissen ab, die sich bis in die Antike, ins 7. vorchristliche Jh., zu > Aristeas von Prokonnesos zurückverfolgen lassen. Bestes Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit, aus der ersten Hälfte des 19. Jhs., im deutschsprachigen Raum ist Friederike Hauffe, die > Seherin von Prevorst (Kerner). Auch > Schamanenreise und > Hexenflug gehören hierher. Die wissenschaftliche Erforschung der Inhalte von AKEs ist bisher jedoch vernachlässigt worden. Tatsache ist jedoch, dass AKEs nachhaltig auf die Lebenseinstellung des Betroffenen einwirken und in der Regel dessen Alltagsleben und Lebensqualität verbessern (Osis). So erzählt der Dichter William Gerhardie von einem außerkörperlichen Erlebnis, das er in der Zeit hatte, als er gerade an seinem Roman Resurrection (1934) schrieb. Während eines kleinen Schläfchens kurz vor dem Besuch eines Balls in London fand er sich plötzlich außerhalb seines Körpers in der Wohnung eines Freundes in Brighton wieder. Er wachte auf, war wieder in seinem alten Körper, ging zum Ball und hatte das Gefühl einer echten „Wiederauferstehung”, das ihm die Unsterblichkeit der Seele vor Augen geführt hatte (Inglis, 183f.).
Es gibt zwei grundsätzliche Arten des Verständnisses von AKEs: Entweder es tritt tatsächlich „etwas“ aus dem physischen Körper heraus, oder alles ist bloße Imagination bzw. Projektion. So betont etwa Dr. Rex > Stanford von der St. John’s University in Jamaica / New York, dass AKEs besonders von Menschen erlebt werden, die als Kinder viel gelesen und sich mit imaginären Spielgefährten eingelassen haben. Seine Meinung stützt er auf eine Fragebogenaktion, die unter College-Studenten durchgeführt wurde. Stanford schließt daraus, dass AKEs in purer Phantasie begründet sein könnten (GW 37, 1988, 3). Dagegen spricht allerdings die Tatsache, dass in rund 19% der erforschten AKEs die Erlebenden behaupten, Objekte oder Informationen wahrgenommen zu haben, die Realitätswert besitzen (Alvarado, 187). Die wichtigsten Laborexperimente zum Thema AKE wurden von Charles > Tart an der University of California, Davis, durchgeführt (Tart, 1967/68). Dabei sollte die Versuchsperson, Frl. Z., eine fünfstellige, nach dem Zufallsprinzip ermittelte Zahl herausfinden, die auf einen Zettel geschrieben wurde, den man hoch oben auf einem Regal ablegte. Tart geht nicht davon aus, dass der Erfolg dieses Experiments durch ASW zustande gekommen ist; seiner Meinung nach liegt der Gedanke nahe, dass sich der „Geist“, engl. mind, hier vom Körper entfernt haben könnte (Tart, 1997, 179f.; vgl. Rogo). > Ätherisches Doppel, > Bilokation.

Lit.: Gurney, Edmund; Myers, Frederic W.H., and Podmore, Frank: Phantasms of the Living. London: Kegan Paul, Trench, Trubner & Co. Ltd., 1918; Kerner, Justinus: Die Seherin von Prevorst. Stuttgart, 1929; Myers, Frederic W.H.: Human Personality and Its Survival of Bodily Death. 2 Bde. New York: Longmans, Green & Co., 1954; Tart, Charles: A Second Psychophysiological Study of Out-of-the-Body Experiences in a Gifted Subject. International Journal of Parapsychology 9, 1967, 251-258; Green, Celia: Out-of-the-Body Experiences. London: Hamish Hamilton, 1968; Smith, Susy: The Enigma of Out-of-Body Travel. New York: Signet Mystic Books, 1968; Tart, Charles: A Psychophysiological Stydy of Out-of-the-Body Experiences in a Selected Subject. Journal of the American Society for Psychical Research 62, 1968, 3-27; Monroe, Robert A.: Journeys Out of the Body. Garden City: N.Y.: Doubleday, 1971; Black, David: Ekstasy: Out-of-the-Body Experiences. Indianopolis: Bobbs-Merrill, 1975; Rogo, Scott D. (Hg.): Mind Beyond the Body. The Mystery of ESP Projection. Harmondsworth: Penguin Books, 1978; Capel, Mario: Extracorporeal experiences. Review of cases and explanations. Psi Communicación, 1978, 4, 49-71; Christodoulou, G.N.: Syndrome of subjective doubles. American Journal of Psychiatry, 1978 (Feb), 135 (2), 249-251; Osis, Karlis: Insider’s view of the OBE: A questionnaire study, in: G.W. Roll (Hg.): Research in Parapsychology. Metuchen, NJ: Scarecrow Press, 1978, 50-52; Monroe, Robert A.: Der Mann mit den zwei Leben. Reisen außerhalb des Körpers. Düsseldorf; Wien, 1972; Nachdr. Ansata 1981; Mitchell, Janet Lee: Out-of-Body Experiences: A handbook. Jefferson, N.C.: McFarland, 1981; Gabbard, G.O.; Twemlow, S.W. u. Jones, F.C.: Do near-death occurances occur only near death? In: Journal of Nervous and Mental Disease 169 (1981), 374-377; Evans-Wentz, W.Y. (Hg.): Das Tibetanische Totenbuch oder Nahtod-Erfahrungen auf der Bardo-Stufe. Olten und Freiburg i.Br.: Walter-Verlag, 1982; Guiley, Rosemary Ellen: Harper’s Encyclopedia of Mystical & Paranormal Experience. Foreword by Marin Zimmer Bradley. San Francisco: Harper, 1991; Guiley, Rosemary: The Encyclopedia of Ghosts and Spirits. New York: Facts On File, 1992; Inglis, Brian: The Unknown Guest. The Mystery of Intuition. London: Chatto & Windus, 1997; Tart, Charles: Who or What Might Survive Death?, in: Charles Tart (Hg.): Body, Mind, Spirit. Exploring the Parapsychology of Spirituality. Hampton Roads, 1997, 171-197; Alvarado, Carlos S.: Out-of-Body Experiences, in: Etzel Cardêna; Stephen Jay Lynn u. Stanley Krippner (Hg.): Varieties of Anomalous Experience: Examining the Scientific Evidence. Washington, DC: American Psychological Association, 2000, 183-218.
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