Auge

Das wichtigste Sinnesorgan des Menschen, wird in der Symbolik immer mit Licht und geistiger Weitsicht verbunden. Es ist der Spiegel der Seele und des geistigen Ausdrucks, das nicht nur wahrnimmt, sondern auch „Kraftstrahlen“ aussendet.
In Ägypten galten Sonne und Mond als Augen des Himmelsgottes > Horus und die > Uräusschlange wurde mit dem feuerspeienden A. des Sonnengottes gleichgesetzt. Als Amulett war das sogenannte Udjat-Auge, das Falkenauge des Horus, in Verwendung, das auf einem krummstabähnlichen Szepter aufruht und Weitsicht und Allwissenheit symbolisiert, während das Szepter selbst für Herrschergewalt steht. Der > Buddhimus kannte das > dritte Auge als Symbol der inneren Schau.
Bei den Griechen hatte > Helios den Beinamen Panóptes, „der alles Sehende“.
In der > Bibel erscheint das Auge als Wachsamkeit, Allwissenheit und beschützende Gegenwart Gottes. Die Israeliten nannten in früherer Zeit die Propheten „Seher“ (1 Sam 9,9), und die Cherubim der Vision des > Ezechiel sind als Lichtträger ringsum mit Augen angefüllt (Ez 10,12). Das Auge gibt dem Körper Licht, denn: wenn er leuchtet, ist er gesund (Mt 6,22). Gottes Augen sind allgegenwärtig und allwissend (Hebr 4,13). So ist in der christlichen Ikonographie das Auge, von Sonnenstrahlen umgeben, in einem Dreieck mit nach oben weisender Spitze ein allbekanntes Symbol der göttlichen Allgegenwart bzw. der hl. Dreifaltigkeit.

Augenleiden wurden vielfach mit religiösem Brauchtum, Augensegnung und Augenwaschung in heiligen Quellen behandelt.
Das Auge übt aber auch eine Macht aus. Der > Böse Blick (ital. malocchio) ist bis heute gefürchtet und Motiv für die Herstellung zahlloser Amulette. In den altirischen Heldensagen konnte auf dem Schlachtfeld der „Böse Blick“ des Königs Balor, eines Angehörigen des Formorier-Volkes, wirksam werden, wenn vier Männer sein Augenlied hochhoben. Doppelpupille, zusammengewachsene Brauen, Triefaugen und Einäugigkeit gelten als Zeichen des Zauberers und der Hexe. Lidzucken wird als Ankündigung eines wichtigen Ereignisses gedeutet. Böse Wesen und solche mit großen magischen Kräften sollen Augen besitzen, die versteinern und wehrlos machen. Die Augen der Riesen können allein durch ihren Blick töten, genauso wie der > Basilisk. Schließlich bedeutete ursprünglich „dem Toten die Augen schließen“, ihn unschädlich machen.

Lit.: Rienschneider, Margarete: Augengott und heilige Hochzeit. Leipzig: Koehler & Amelang, 1953; Koenig, Otto: Urmotiv Auge: neuentdeckte Grundzüge menschlichen Verhaltens. Mit 162 Zeichn. von Lilli Koenig. [Erarb. im Inst. für Vergleichende Verhaltensforschung d. Österr. Akad. d. Wiss.]. München; Zürich: Piper, 1975; Seligmann, Siegfried: Der böse Blick und Verwandtes: e. Beitr. zur Geschichte d. Aberglaubens aller Zeiten u. Völker; 2 Bde. in e. Bd. Hildesheim: Olms, 1985; Terhart, Franjo: Das magische Auge. Goldebek, Nordfriesl.: Mohland, 2005.
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