Atzmann

1. Skulptur in Gestalt eines lebensgroßen Leviten, der in seinen Händen eine Pultplatte hält. Sie taucht vor allem in der Zeit zwischen 1250-1500 auf und ist daher als spätmittelalterliches Phänomen zu bezeichnen, wobei sich bisher alle Atzmänner bzw. Atzmannfragmente im damaligen deutschsprachigen Raum finden. A. hießen nämlich im Mittelalter die Pultträgerfiguren der großen Domkirchen und in Frankfurt zwergartige Konsolenträger. Dieser auch für das Mittelalter außergewöhnliche anthropomorphe liturgische Gegenstand hat für die mit ihm gefeierte Liturgie seine Symbolik, die es noch zu klären gilt.
2. Im hohen und späten Mittelalter wird A. auch als Magieterminus für sog. „Rachepuppen“ (> Analogiezauber) verwendet. In diesem Kontext ist A. ein kleiner böser Geist, der dienstbar gemacht werden kann. So nennen mittelhochdeutsche Gedichte den A. auch > Kobold, wenn es da wörtlich heißt, einen „Atzen oder Pold“ (Paul) machen. Da A. ursprünglich die Schwindsucht bezeichnet, leitet man A. von der Grundbedeutung „Auszehren“ ab, was im „Atzen“ anklingt.

Die Herstellung der sog. A. oder Rachepuppen, meist aus Wachs gefertigte Abbilder, verurteilte das Kirchenrecht als Idololatrie. > Bildzauber.

Lit.: Petzoldt, Leander (Hg.): Magie und Religion: Beiträge zu einer Theorie der Magie. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1978; Paul, Jean: Titan. Mit e. Nachw. von Rainer-Ralph Wuthenow. Frankfurt a.M.: Insel-Verlag, 1983, S. 94; Habiger-Tuczay, Christa: Magie und Magier im Mittelalter. München: Eugen Diederichs, 1992.
Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.