Atropos

Griech., „die Un-abwendbare“, jene der drei Moiren, Parzen oder Schicksalsgöttinnen, die den von den beiden anderen Schwestern, > Klotho und > Lachesis, gesponnenen Faden unerbittlich abschneidet.Diese griechischen und später römischen Schicksalsgöttinnen teilten dem einzelnen Menschen seinen Lebenslauf und damit seinen Anteil an der Welt zu. Seit Homer waren weibliche Gottheiten vorzugsweise zu Dreiergruppen zusammengefasst, wie auch in diesem Fall. Klotho setzt den Lebensfaden an, Lachesis spinnt ihn fort und A. durchschneidet ihn und beendet damit jäh das irdische Dasein der Betroffenen. So schreibt Hesiod:

„Ferner die Moiren, die Zeus, der wissende ehrte aufs höchste:
Klotho, Lachesis, Atropos sind ihre Namen, sie geben
Gutes und Böses zugleich den sterblichen zum Schicksal.“ (Theogonie, 904-906)

A. durchtrennt den Lebensfaden, sobald das Schicksal es befiehlt, und ist so die eigentliche Todbringende. Dieser Rolle verdankt sie ihr Debüt als nomenklatorisches Vorbild in Pharmakologie und Toxikologie. So waren seit dem 16. und 17. Jh. sowohl Atropa als auch Belladonna geläufige Benennungen für bestimmte Nachtschattengewächse. 1737 ordnete der schwedische Arzt Carl von Linné höchstpersönlich die Tollkirsche der Gattung „Atropa“ zu. Dabei bezog sich der Erfinder der systematisierten binären Pflanzennomenklatur auf die hochtoxischen Eigenschaften. So erhält die oft letal wirkende Tollkirsche die binäre Bezeichnung „Atropa belladonna“, ihr gefährliches Alkaloid bekommt eine in der Sprache der Chemie übliche Endung und heißt deshalb „Atropin“. Der Zusatz „bella donna“ (schöne Frau) geht auf die „große Augen machende Wirkung“ der Säfte der Nachtschattengewächse zurück, deren sich auch die Freudenmädchen bedient haben sollen, um notfalls in Ermangelung des echten Erlebens zum richtigen Zeitpunkt ein wenig „Belladonna“ in die Augen zu reiben und so den gewünschten Effekt zu erzielen – wussten die Männer doch, dass am Höhepunkt des geschlechtlichen Beisammenseins eine mehr oder weniger deutliche Pupillenerweiterung auftritt!

Lit.: Karenberg, Axel: Amor, Äskulap & Co.: Klassische Mythologie in der Sprache der modernen Medizin. Stuttgart: Schattauer, 2005.
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