Atlas

Griech., Träger. 1. Sohn des Titanen Iapetus und der Clymene (Tochter des > Oceanus und der Tethys), Bruder des > Prometheus und Epimetheus. Zur Strafe dafür, dass er sich gemeinsam mit den > Titanen gegen Zeus erhebt, wird ihm die ganze Last des Himmels aufgebürdet. In seiner Nähe hüten seine Töchter, die > Hesperiden, die goldenen Äpfel im Garten der Götter. Als > Herakles die Äpfel holen soll, nimmt er A. die Last von den Schultern und dieser geht zu den Hesperiden. Zurückgekehrt will A. die Last nicht mehr auf sich nehmen, sondern die Äpfel selbst zu > Eurystheus bringen. Herakles greift daraufhin zu einer List und lässt sich von A. einen Polster auf die Schultern legen. Als ihm A. für diese Dienstleistung die Last kurz abnimmt, macht sich Herakles aus dem Staub. Seither steht der unglückliche A. mit dem Himmel auf der Schulter am Rande des Erdkreises, an einem Ozean, dem später nach ihm benannten Atlantik.
Vom Himmelsträger wurde A. zudem zum Kopfträger in der Anatomie. In der von Plinius d. Älteren im 1. Jh. n. Chr. verfassten „Naturkunde“ wird der oberste Wirbel der Hyäne atlantion genannt (Buch 28, 99). Hundert Jahre später bezeichnet Julius Pollux, eine anerkannte Autorität auf dem Gebiet der Benennung der menschlichen Körperteile, den siebten und letzten Halswirbel, die Vertebra prominens, als „Atlas“.

2. Nach einer anderen Version war A. ursprünglich der Name des Kyllenegebirges im Peloponnes und wurde später auf den nordwestafrikanischen Gebirgszug übertragen. Von daher erhielten das gesuchte > Atlantis und der Atlantische Ozean ihre Namen. Nach > Platon gilt A. als der erste König von Atlantis, der dort gemeinsam mit seinem Bruder Gadiros, der ihm unterstand, herrschte.
Die schwer verständliche Beziehung des A. zum Meer erklärt A. Lesky mit der Vorstellung des im churritisch-hethitischen „Lied von Ulikummi“ erscheinenden Urweltriesen Upelluri, der Himmel, Erde und Meer trägt und mit gewissen Einschränkungen als Parallelfigur zu A. aufgefasst werden kann.

Lit. Tièch, E.: Atlas als Personifikation der Weltachse. In: Museum Helveticum 2 (1945), S. 67ff.; Lesky, A.: Hethitische Texte und griechischer Mythos. In: Anzeiger der Öst. Ak. d. Wiss., phil.-hist. Kl. 87 (1950), 137ff.
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