Atlantis

Griech. átlas, Stützpfeiler; legendärer, bei einer Naturkatastrophe versunkener Kontinent, von dem in > Platons Dialogen Timaios und Krítias ein ägyptischer Priester aus Saïs dem Gesetzgeber Solon von Athen (ca. 638-558 v. Chr.) berichtet.

Im Timaios (24D-25C) erzählt Plato von der „gewaltigen Kriegsmacht“, die vom Atlantischen Meer heranzog: „Damals nämlich war das Meer dort fahrbar: denn vor der Mündung, welche ihr in eurer Sprache die Säulen des Herakles heißt, hatte es eine Insel, welche größer war als Asien und Libyen zusammen, und von ihr konnte man damals nach den übrigen Inseln hinübersetzen, und von den Inseln auf das ganze gegenüberliegende Festland, welches jenes recht eigentlich so zu nennende Meer umschließt. Denn alles das, was sich innerhalb der eben genannten Mündung befindet, erscheint wie eine bloße Bucht mit einem engen Eingange; jenes Meer aber kann in Wahrheit also und das es umgebende Land mit vollem Fug und Recht Festland heißen. Auf dieser Insel Atlantis nun bestand eine große und bewundernswürdige Königsherrschaft, welche nicht bloß die ganze Insel, son­dern auch viele andere Inseln und Teile des Festlands unter ihrer Gewalt hatte. Außerdem beherrschte sie noch von den hier innerhalb liegenden Ländern Libyen bis nach Ägypten und Europa bis nach Tyrrhenien hin. Indem sich nun diese ganze Macht zu einer Heeresmasse vereinigte, unternahm sie es, unser und euer Land und überhaupt das ganze innerhalb der Mündung liegende Gebiet mit einem Zuge zu unterjochen. Da wurde nun, mein Solon, die Macht eures Staates in ihrer vollen Trefflichkeit und Stärke vor allen Menschen offenbar…. stellte Siegeszeichen auf und verhinderte so die Unterjochung der noch nicht Unterjochten und gab den andern von uns, die wir innerhalb der herakleischen Grenzen wohnen, mit edlem Sinne die Freiheit zurück. Späterhin aber entstanden gewaltige Erdbeben und Überschwemmungen, und da versank während eines schlimmen Tages und einer schlimmen Nacht das ganze streitbare Geschlecht bei euch scharenweise unter die Erde; und ebenso verschwand die Insel Atlantis, indem sie im Meer unterging.“

Im Dialog Kritias (108E-109C) wird Atlantis näher beschrieben, wobei Platon in Erinnerung ruft, „dass es im ganzen neuntausend Jahre her sind, seitdem, wie angegeben worden, der Krieg zwischen denen, welche jenseits der Säulen des Herakles, und allen denen, welche innerhalb derselben wohnten, entstand, welchen ich jetzt vollständig zu erzählen habe. Nun wurde schon angeführt, dass an der Spitze der Letzteren unsere Stadt stand und den ganzen Krieg zu Ende führte, während über die Ersteren die Könige der Insel Atlantis herrschten, welche, wie ich bemerkt habe, einst größer war als Libyen und Asien zusammen, jetzt aber durch Erderschütterungen untergegangen ist und dabei einen undurchdringlichen Schlamm zurückgelassen hat, welcher sich denen, die in das jenseitige Meer hinausschiffen wollen, als Hindernis ihres weiteren Vordringens entgegenstellt.“

In der Mitte der Insel Atlantis habe sich eine Ebene befunden, die ans Meer gestoßen sei. Vom Meeresufer etwa 10 km landeinwärts habe sich ein „nach allen Seiten niedriger Berg“ befunden, aus dem zwei Quellen traten. Der Hügel war von drei gewaltigen, kreisrunden Wasserkanälen umgeben, die mit Schiffen befahren werden konnten. Dort befand sich die Königs­burg der > Atlanter. Das Land war sehr fruchtbar und in den Wäldern lebten sogar Elefanten. In der Rechtsprechung stand über allen Gesetzen, „dass sie niemals gegeneinander die Waffen führen, vielmehr einander insgesamt Hilfe leisten sollten, wenn etwa einer von ihnen in irgend einer Stadt das königliche Geschlecht auszurotten versuchte, und dass sie nach gemeinsamer Beratung, gleich wie ihre Vorfahren, ihre Beschlüsse über den Krieg und alle anderen Angelegenheiten fassen und ausführen, den Vorsitz und Oberbefehl dabei aber dem Geschlecht des Atlas überlassen sollten“ (Kritias 120 E).
Nach diesen Berichten von Platon im Timaios und Kritias befassten sich mit A. seither mehr als 25.000 Veröffentlichungen. Lässt man dabei jene Deutungsversuche beiseite, die nach heutigem Wissensstand keine Grundlage haben – wie Atlantis in Nordafrika, Atlantis in Peru, Atlantis im Pazifik, Atlantis in Griechenland, Atlantis bei Helgoland – , so bleibt die von Dipl.-Ing. Otto Muck vertretene Ansicht von Atlantis in der Gegend des mittelatlantischen Rückens (Azoren) beachtenswert. Er stieß bei seinen Forschungen auf ein Datum, das eine Weltkatastrophe und damit den Untergang eines atlantischen Kontinents möglich erscheinen lässt, wobei er den Zeitpunkt der Katastrophe, eines Planetoideneinschlags, für den 5. Juni 8498 v. Chr., 13.00 Uhr, errechnete, was den Angaben von Platon und der Zeitangabe der Verlagerung der Erdachse um 25° sehr nahe kommt. Andere sprechen hingegen davon, dass Atlantis eine „geologische Leiche“ sei. > Lemuria, > Mu.

Lit.: Spanuth, Jürgen: Das enträtselte Atlantis. Stuttgart, 1953; Platon: Sämtliche Werke nach der Übersetzung von Schleiermacher-Müller. Reinbek: Rowohlts Klassiker der Literatur und Wissenschaft V. 1960; Luce, J.V.: Atlantis, Legende und Wirklichkeit. Bergisch-Gladbach: Lübbe, 1969; Gadow, Gerhard: Der Atlantisstreit. Fischer Tb., 1973; Biedermann, Hans: Die versunkenen Länder. Graz: Verlag für Sammler, 1975; Spanuth, Jürgen: Die Atlanter, Volk aus dem Bernsteinland. Tübingen: Grabert, 1976; Platon: sämtliche Werke/M. e. bio-bibliograph. Bericht v. Bernd Henninger u. e. editor. Nachw. v. Michael Assmann. 8., durchges. Aufl. d. Berliner Ausg. v. 1940. Heidelberg: Lambert Schneider, 1982; Frank, K.A.: Atlantis war anders. Graz: Verlag für Sammler, 1988; Muck, Otto H.: Alles über Atlantis. Düsseldorf; Wien: Econ, 1988; Guiley, Rosemary Ellen: Harper’s Encyclopedia of Mystical & Paranormal Experience. San Francisco: Harper, 1991; Shepard, Leslie A. (Ed.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. In Two Volumes. Detroit: Gale Research Inc., ³1991.
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