Griech. arché, Anfang; typos, Modell, Bild, bezeichnet im allgemeinen Sprachgebrauch das Original, das Ur- und Vorbild, das irgendwelchen Nachbildungen zugrunde liegt. Der Ausdruck geht auf griech. archetypon zurück und wurde durch lat. archetypum der Neuzeit vermittelt. Der Begriff wurde auf alle Seinsbereiche angewandt und sowohl von lateinischen als auch von griechischen Autoren verwendet. Den Kirchenvätern war er fast ausnahmslos geläufig.
In der Neuzeit öffnete R. Descartes dem Begriff eine neue Tradition, indem er ihn erkenntnistheoretisch nutzbar machte. Zu jeder Vorstellung (idea) und zu jeder Folge von sich auseinander ableitenden Vorstellungen gehört ein A. Kant unterscheidet den „intellectus ectypus“, den diskursiv denkenden Intellekt, vom „intellectus archetypus“ dem göttlichen, anschaulichen Verstand, und nennt die „aesthetische Idee“ Archetypon.
In der Analytischen Psychologie von Carl Gustav Jung sind die Archetypen die ererbten Kraftzentren und Kraftfelder in der von uns unabhängigen und unbeeinflussbaren Kontinuität und Ordnung des Unbewussten, also jene urtümlichen Typen kollektiv-unbewusster Inhalte, die als allgemeine Bilder seit alters vorhanden sind. Jung hat den Begriff dem Corpus Hermeticum (II, 140, 22), der Schrift des Dionysius Aeropagita, De divinis nominibus (cap. 2, par. 6), und vor allem den ideae principales und innatae des hl. Augustinus (De diversis questionibus 83, qu. 46, 2) entnommen.
Ausdruck der Archetypen ist eine Fülle von Symbolen, die im Mythus, im Märchen, in Träumen, in der Kunst, in Religion, in Produkten der Kultur, in der individuellen und kollektiven Erfahrung ihren Niederschlag finden. Die letzte Bedeutung der Archetypen lässt sich nur beschreiben, nicht aber deuten, weil sie der Form nach dem kollektiven Unbewussten angehören.
„Die Archetypen sind, wie es scheint, nicht nur Einprägungen immer wiederholter typischer Erfahrungen, sondern zugleich auch verhalten sie sich wie Kräfte oder Tendenzen zur Wiederholung derselben Erfahrungen. Immer nämlich wenn der Archetypus im Traum, in der Phantasie oder im Leben erscheint, bringt er einen besonderen ,Einfluss‘ oder eine Kraft mit sich, vermöge welcher er numinos, resp. faszinierend zum Handeln antreibend wirkt.“ (C.G. Jung, GW 7, §109)