Andreasnacht

Weil der Andreastag vor Jahrhunderten einmal das Jahr beendete, ist er auch heute noch Ort für Jahresend- und Jahresanfangsbräuche. An ihm finden scherzhafte Heirats- und Liebesorakel statt, denn die Andreasnacht war Losnacht (Losen = Wahrsage, Vorhersage). Weit verbreitet war das > Apfelorakel: Ein Mädchen schälte einen > Apfel so, dass die Schale ein unzerschnittenes langes Band bildete. Dieses warf sie hinter sich. Ließ sich aus dem Apfelschalenband ein Buchstabe erkennen, so war es der erste Buchstabe im Namen des Zukünftigen. In Sachsen pflegte man das Tremmelziehen: Um Mitternacht musste ein Mädchen schweigend ein Holzscheit aus dem aufgestapelten Holz ziehen. Ein gerades und glattes Scheit kündigte einen jungen, starken Ehemann an, ein Aststück einen alten, krummen. In Böhmen wurde das Lichtlschwimmen praktiziert: Doppelt so viele Walnussschalen als versammelte Mädchen wurden, mit einer kleinen Kerze versehen, in einen großen Wasserbottich gesetzt. Jedes Mädchen hatte so sein eigenes Licht und ein weiteres, dem es im Stillen den Namen des erwünschten Zukünftigen gab. Die Nussschalen, die sich trafen, symbolisierten nach dem Orakel ein zukünftiges Brautpaar. Andernorts stiegen die Mädchen rückwärts mit dem linken Fuß zuerst ins Bett und sagten dabei:

Heiliger Andreas, ich bitt‘,
Dass ich mei Bettstatt betritt,
Dass mir erscheint
Der Herzallerliebste mein,
Wie er geht
Und wie er steht
Und wie er mi zum Traualtar führt.

In Süddeutschland und in Österreich beginnen in der Andreasnacht die Klöpflesnächte, in der die Klöpfelgeher mit Hammer und Besen gegen die bösen Mächte hinausziehen, die im Dunkeln alle Häuser umgeistern. Mit Glocken und Knarren wird gelärmt, Wände und Türen werden abgeklopft, damit alles Böse entfleucht. Natürlich erhalten die Glücksbringer freundliche Gaben.
In älteren Zeiten besuchte an diesem Abend der Belzemärtel oder Pelzmärte (eine Denomination des hl. Martin) die Kinder, belohnte oder bestrafte sie. Dieser Brauch hat sich inzwischen auf den hl. Nikolaus verlagert. Die Kinder im Riesengebirge hängen aber noch am Andreasabend ihre Socken vor das Fenster. Am Morgen sind die „Andreasstrümpfe“ mit Äpfeln, Nüssen und dem Andreaskranz, einem Hefegebäck mit Rosinen, gefüllt. Schenk- und Kaufbräuche haben sich jedoch auch in anderen Gegenden erhalten. In Schweinfurt verschenkte man Andreasbrote an die Armen und auch in Schottland backen die Bäcker am Tag ihres Nationalheiligen Andrew ein Andreasbrot; in der Schweiz und anderswo finden Andreasmärkte statt.

Lit.: Schulrat, D.: Die drei Wünsche in der Andreasnacht: Märchensp. in 1 Akt. Leipzig: O. Teich, 1931; Wacker, Gerhard: Die Andreasnacht: Nach Emil Frommels Erzählung „Wie zwei in einer Nacht kuriert wurden“. Stuttgart: Quell-Verl., 1952; Becker-Huberti, Manfred: Lexikon der Bräuche und Feste: 3000 Stichwörter mit Infos, Tipps und Hintergründen. Freiburg; Basel; Wien: Herder, 2000.
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