Amulett

Ein Wort, dessen Etymologie umstritten ist, dessen Bedeutung aber nach antiken Quellen etwas im weitesten Sinn Unheilabwehrendes ist und sowohl prophylaktisch, also vorbeugend, als auch apotropäisch, d. h. zauberabweisend angewandt wurde. Rätsch definiert A.e als „Objekte, denen eine unsichtbare, physikalisch nicht nachweisbare (Zauber-)Kraft innewohnt, die dem Besitzer in gewünschter Weise hilft“ (Rätsch, 21). Eine andere Definition bezeichnet ein A. als einen „Gegenstand aus anorganischem oder organischem Material […], der sichtbar oder unsichtbar, in der Regel aber in Körpernähe bewahrt wird, dem jeweiligen Träger Unglück jeder Art fernhalten und ihm zugleich Kraft und Glück verleihen soll“ (Hoops).
Die Bedeutung des Begriffs A. war ursprünglich nicht auf etwas Umzuhängendes beschränkt. Man musste sich in der Antike vor bösen Dämonen schützen, die man sich selbst oder durch den Zorn der Götter eingehandelt hatte, oder auch gegen die ständig auflauernden Kobolde, und man tat dies in akuten Situationen in ganz verschiedener Weise, etwa durch Anrufen der Götter, durch Gebärden oder Spucken oder durch Scheltworte. Langfristig benötigte man allerdings andere, gegenständliche Mittel, wie z.B. anstelle der Götteranrufung Bilder von Göttern, oder abschreckende Figuren, die man Kobolden entgegenstellte. Man trug diese schützenden Dinge ständig bei sich, manchmal auch versteckt. Häufig wurden sie in Schmuck eingearbeitet. Die heute übliche Form, ein A. zu tragen, das Umhängen, gehörte auch damals schon zum Repertoire der Anwendungen. Eine umgebundene tote Spitzmaus sollte etwa vor dem Biss ihrer Kolleginnen bewahren.

Selbst Tiere versah man mit einem A., so z.B. das in der Antike wertvollste Tier, das Pferd, mit Dingen, die man an seinem Gebiss anmontierte.
Wohnungen und Stallungen, auch öffentliche Gebäude, mussten ebenfalls mit A.en geschützt werden. So befanden sich über dem Tor von Alatri drei Phalloi, um Schutz gegen schreckliche Mächte zu gewähren.
Schließlich nahm man seine Schutzmittel, die einem im Leben hilfreich waren, dann mit in sein Grab, wie man den Funden aus antiken Grabstätten entnehmen kann. Es wurden hier aber nicht nur die verstorbenen Personen, sondern auch ihre Behausungen mit A.en reich bestückt. Masken und Tierköpfe auf römischen Sarkophagen weisen später ebenfalls auf diesen Zweck hin.
Es ist wahrscheinlich, dass A.e schon in frühgeschichtlicher Zeit benutzt wurden, und sie sind bis in die heutige Zeit weltweit verbreitet. Generell lässt sich sagen, dass Steine, Zähne, Klauen, Muscheln, Korallen und Symbole, wie etwa Kreuze, zu den beliebtesten A.en gehören; oft sind es auch Pflanzenteile wie Samen, Fruchtschalen und Wurzeln, während in der deutschen Tradition laut Beitl das Horn, sowohl das Tierhorn als auch die Mondsichel, die Schutz und Fruchtbarkeit anzeigen, den ersten Platz einnimmt.
Zu den Pflanzen, die sich weltweit als A.e bewährt haben, gehören vor allem: > Agave, > Allermannsharnisch, > Aloe, > Alraune, Betelnuss, Bohnen, Colorines, Engelstrompeten, > Ginseng, Kolanuss, > Ling-chih, > Lotus, Mandrake, Mais, > Mistel, Muskatnuss, Orchideen, > Peyote, > Stechapfel, > Tabak, Teonanacatl, und > Wacholder (Rätsch, 21).
Um ihre volle Wirkung entfalten zu können, sollen A.e als Geschenke erhalten oder gefunden, nicht aber einfach nur auf normale Weise erworben werden.

Lit.: Paulys Real-Encyclopädie. Hg. v. G. Wissowa u.a. Stuttgart, 1894ff., Bd. 1 1894; Hoops, Johannes (Hg.): Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 17 Bde.ff. Berlin; New York: Walter der Gruyter, ²1973ff.; Beitl, Oswald A. Erich und Richard: Wörterbuch der deutschen Volkskunde, neu bearbeitet von Richard Beitl unter Mitarbeit von Klaus Beitl. Stuttgart: Alfred Kröner, ³1974; Rätsch, Christian: Lexikon der Zauberpflanzen aus ethnologischer Sicht. Graz: ADEVA, 1988; Shepard, Leslie A. (Hg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. In Two Volumes. Detroit: Gale Research Inc., ³1991.
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