Amerika

Die Geschichte und der Phänomenbereich der Paranormologie in den Vereinigten Staaten von Amerika ist so umfangreich, dass hier nur ein sehr geraffter Überblick geboten werden kann.

Urbevölkerung
Vor allem unter den verschiedenen Stämmen der Urbevölkerung Amerikas nimmt das Paranormale einen besonderen Stellenwert ein. So steht in den ältesten Berichten über die Indianer Nordamerikas, dass sie sich der Zauberei und magischer Praktiken bedienten und verborgene Kräfte sehr oft dem Teufel zuschrieben. Auch von hypnotischer Suggestion, von Medizinmännern und ihrem Bezug zur Magie sowie von Befragung der Geister ist die Rede. Alles, was den Indianer umgab, ob belebt oder unbelebt, besaß geheimnisvolle magische Kraft. Bei den Irokesen wurde es > Orenda, von den Sioux > Wakonda oder Wakan und bei den Algonkins > Manitou genannt.

Siedler
Die europäischen Siedler, die sich in den Gebieten niederließen, welche heute die Vereinigten Staaten von Amerika bilden, brachten ebenfalls einen starken Glauben an Zauberei und die Hexentradition mit. So gelangte der Hexenwahn auch nach Amerika, wo er sich hauptsächlich auf das ursprünglich von Engländern besiedelte Neuengland beschränkte. Im Bewusstsein der Gefahr erließen mehrere Staaten Gesetze, die eine Reihe von Praktiken der Hexenkunst verboten und jedem, der einen Pakt mit dem Teufel schloss, im Falle seiner Entdeckung die Todesstrafe androhten.
Die erste Hinrichtung fand am 26. Mai 1647 in Connecticut statt, wo Alice Young gehängt wurde. 1692 wurde in der Familie des Ministers von Salem eine Verhexung vermutet. Man beschuldigte das schwarze Dienstpersonal, das vielleicht Voodoo-Praktiken pflegte. Die Angelegenheit verbreitete sich rasch, sodass der neue Gouverneur der Kolonie, Sir William Philipps, die rechtliche Verfolgung anordnete. Die erste suspekte Person, Bridget Bischof, wurde gehängt. Weitere Hinrichtungen resultierten vor allem aus dem Fanatismus und der Brutalität von Increase Mather und seinem Sohn Cotton Mather aus Boston. 1668 wurde eine Mrs. Glover aus Irland bei Goodwin in Boston als Kindermädchen eingestellt. Als sie dann Symptome zeigte, die Cotton als Besessenheit diagnostizierte, wurde sie vor Gericht gebracht, für schuldig befunden und gehängt, während Cotton sein Buch Memorable Providences Relating to Witchcraft und Possessions veröffentlichte, das die Situation noch anheizte. In einem nächsten Buch, Wonders of the Invisible World, vergleicht Cotton die Tätigkeit der Hexen in Salem und New England mit jenen in anderen Teilen der Welt, was den Hexenwahn weiter schürte. Im Zuge dessen wurde auch die Ehefrau von Minister Hale verdächtigt, der ein entschiedener Befürworter der Hexenverfolgung war, nun aber das Unrecht einsah. Im daraufhin entstandenen Streit, ob der Teufel sich neben echter auch unschuldiger Hexen bediene, um sein Ziel zu erreichen, wurde Increase Mather, Präsident von Harvard, mit der Beurteilung beauftragt. Er schrieb das Buch A Further Account of the Trials of the New England Witches, in dem er die dämonische Besessenheit unschuldiger Personen bejaht.
Als schließlich auch die Frau des Gouverneurs Philipps angeklagt wurde, brach die Hetze in sich zusammen. Mathers blieben jedoch bei ihrer Meinung. Als Cotton Mather das Mädchen Margaret Rule, das an Konvulsionen litt, für besessen erklärte, bezeichnete ein gewisser Robert Calif, der das Mädchen ebenfalls untersuchte, das Ganze als Täuschung. Den Bericht seiner Untersuchungen, in dem er auch die Theorien von Mather darlegt, veröffentlichte er in dem Buch
More Wonders of the Invisible World. Das Buch wurde von den fanatischen Hexenverfolgern abgelehnt, von der Allgemeinheit aber dankbar aufgenommen, und in Salem kehrte daraufhin Ruhe ein. Cotton Mather verteidigte sich 1700 mit dem Buch Magnalia und 1723 mit The Remarkables. Mathers blieben bei ihrer Überzeugung bis zum Tod, Increase starb 1723, Cotton 1728.
Der Tragödie von Salem folgten in Amerika zwar keine weiteren offiziellen Hinrichtungen wegen Hexerei, doch stieg die Zahl der Menschen, die bei etwa insgesamt 50 Prozessen für derlei Vergehen verurteilt und hingerichtet wurden, auf sechsunddreißig. Vereinzelt gab es auch Ausbrüche von Hexenmanie. So musste sich 1706 Grace Sherwood aus Virginia an ein Gericht wenden, um ihren Ruf wiederherzustellen, nachdem sie von Nachbarn als Hexe bezeichnet worden war.
Mit dem Ende der Prozesse hörte der Hexenglaube aber nicht vollkommen auf. In Missouri, Arkansas und Kansas, wo viele die Auswirkungen des > bösen Blickes fürchteten, schützte man Vieh und Häuser durch vielfältige Zaubersprüche, durch das Anbringen von Hufeisen und das Tragen von Amuletten. Zudem besuchte man, ähnlich wie in Europa, > Hexensabbate, streifte als Haustier verkleidet durch die Gegend, um das Vieh zu behexen und mit > Bildzauber Krankheiten hervorzurufen, wobei völlig eigene Hexenmethoden entwickelt wurden. So bestand z.B. ein Zauber, der einem Feind den Tod bringen sollte, darin, Erde, die man zur Mitternachtsstunde mit dem linken Zeigefinger von einem Grab aufnahm, mit dem Blut eines Raben oder eines anderen schwarzen Vogels zu vermischen, das Ganze in einen Stofffetzen zu wickeln, der zuvor mit einer Leiche in Berührung gekommen war, und dieses Päckchen unter der Türschwelle des Opfers zu vergraben, damit es innerhalb weniger Tage sterbe.
Dieses Erbe der Hexenmagie lebt bis heute vereinzelt weiter. 1956 verbrannten aufgebrachte Dorfbewohner im mexikanischen Ojinga Josephina Arista auf einem Scheiterhaufen, weil sie glaubten, sie sei eine Teufelsanbeterin und habe das Vieh verhext.
Außer diesen Ereignissen hat das koloniale Amerika wenig Paranormologisches aufzuweisen.

USA
Erst die modernen Vereinigten Staaten von Amerika haben eine außerordentlich reichhaltige Paranormologiegeschiche, die vornehmlich mit Einzelpersonen verbunden ist.
Thomas Lake > Harris (1823-1906) gründete religiöse Gemeinschaften, deren Mitglieder sich in Verbindung mit spirituellen Welten glaubten, und Andrew Jackson > Davis (1826-1910) wurde mit seinem Buch The Principles of Nature, Her Divine Revelations, and a Vocie to Mankind zum führenden Theoretiker des Spiritismus. Hinzu kommen noch eine Reihe von religiösen Gruppierungen, die – wie die Mormonen mit Joseph > Smith Jr. (1805-1844), dem Begründer und ersten Propheten, und Brigham Young – zweifellos auch paranormologische Wurzeln haben.
Ins Absurde reichen die Ansichten von John Alexander Dowie, der ab 1890 Medizin und Medikamente als Teufelswerk bezeichnete und die Glaubensheilung verkündete, während die Adventisten in weißen Kleidern auf Friedhöfen den Letzten Tag erwarteten. Durch die Machenschaften von William Quan > Judge und Katharina B. Tingley kam es 1895 zur Gründung der selbständigen Theosophischen Gesellschaft in Amerika.
Die USA werden oft auch als die Brutstätte exzentrischer religiöser Bewegungen und Kulte bezeichnet. Dabei handelt es sich meist um skrupellose Abenteurer, Isis-Verehrer und satanische Gesellschaften.

Okkultismus und Parapsychologie
Im 20. Jh. blühen alte und neue religiöse Kulte gemeinsam mit Zauberei, schwarzer Magie und Satanismus weiter, wie etwa die Christian Science, die Church of Satan, die Church of the Final Judgment, Jehovah’s Witnesses, Mormons, Seventh-Day Adventist Church und Snake-Handling. Hinzu kommen noch die evangelischen Erweckungsbewegungen mit paranormalen Heilungsangeboten.
Ausgehend von der Familie > Fox in Hydesville, einer Ortschaft im Staat New York, verbreitete sich 1848 nach Entwicklung eines Klopfalphabets in Windeseile die spiritistische Bewegung mit dem epidemischen > Tischrücken. Die bereits 1893 gegründete National Spiritualist Association of Churches erreichte über 8.000 Mitglieder.
Diese spiritistischen Bewegungen entfachten auf wissenschaftlicher Seite das Interesse an den sog. „psychischen Phänomenen“, was schon 1885 zur Gründung der > American Society for Psychical Research führte. Wissenschaftler wie William > James, Walter Franklin > Prince, J.H. > Hyslop und Hereward > Carrington schlossen sich an. 1930 wurde J.B. > Rhine Direktor des Parapsychology Laboratory an der Duke-Universität in North Carolina und verlagerte die Forschung aus dem Sitzungsraum der Medien und Sensitiven in das Labor, um die > Außersinnliche Wahrnehmung experimentell zu untersuchen. Weitere Gesellschaften folgten, so die bekannte > Parapsychology Foundation in New York, die von der paranormal begabten Eileen J. > Garrett gegründet wurde, und neuerdings die > Society for Scientific Exploration. Von den zahlreichen Publikationen seien hier nur die Zeitschriften Journal of the American Society for Psychical Research, The Journal of Parapsychology, The Frontiers Perspectives, das Journal of Scientific Exploration und die von Rhea A. White herausgegebene überaus wertvolle Information Exceptional Human Experience über Zeitschriftenartikel und Bücher auf dem Gebiet der außergewöhnlichen menschlichen Erfahrung genannt.
Neben dem wissenschaftlichen Bemühen entfaltete sich auch ein allgemeines Interesse am Paranormalen, wobei vor allem die UFO-Frage und alternative Gesundheitsmethoden hervorstechen. Dieser verbreitet starke Hang zum Außergewöhnlichen rief eine rein materialistisch orientierte Gegenoffensive hervor, die vom Committee for the Scientific Investigation of Clams of the Paranormal (CSICOP) mit der Zeitschrift Zetetic Scholar getragen wird.
Die zunehmend wirtschaftliche und technische Ausrichtung der Wissenschaft hat jedoch auch in den USA das wissenschaftliche Bemühen um paranormologische Themen zurückgedrängt und die Popolarisierung des Interesses am Paranormalen in das wirtschaftliche Fahrwasser eingespannt.

Lit.: Baschwitz, Kurt: Hexen und Hexenprozesse: die Geschichte eines Massenwahns und seiner Bekämpfung. München: Rütten + Loening, 1963; Handbook of Parapsychology/Benjamin B. Wolman. New York: Van Nostrand Reinhold Company, 1977; Grattan-Guinness, Ivor (Hg.): Psychical Research: a Guide to Its History, Principles and Practices; in Celebration of 100 Years of the Society for Psychical Research. Wellingborough, Northamptonshire: The Aquarian Press, 1982; Exceptional Human Experiencie. Hg. Rhea A. White. New Bern: The Exceptional Human Experience Network, seit 1983, 17 Bände; Shepard, Leslie (Hg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 21984. 1. Bd; Bonin, Werner F.: Naturvölker und ihre übersinnlichen Fähigkeiten: von Schamanen, Medizinmännern, Hexen und Heilern. München: Goldmann, 1986; Knoblauch, Hubert: Berichte aus dem Jenseits: Mythos und Realität der Nahtod-Erfahrung. Freiburg i.Br.: Herder, 1999.
Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.