Ameisenkur

Den Ameisen wird neben ihrer Emsigkeit auch eine besondere Heilkraft zugesprochen. So wurde in Russland gegen die Lähmung der Glieder folgende Heilmethode für wirksam befunden: Man umhüllt die kranke Körperstelle für zwei bis drei Tage unter Einschluss von großen, roten Waldameisen, was zu heftigem Jucken, Brennen und Schweißausbruch führt. Am vierten und fünften Tag ruht sich der Kranke 24 Stunden lang aus, worauf dann wieder für zwei bis drei Tage frische Ameisen appliziert werden.
Ein weiteres wirksames Heilmittel gegen chronische Gicht und Gelenksteifigkeit ist das Ameisenbad. Man quetscht vier Pfund großer Waldameisen samt den Eiern in einem leinenen Beutel, gießt siedendes Wasser darauf und mischt die durchgeseihte Flüssigkeit in das zwanzig bis dreißig Grad heiße Bad, in dem sich der Kranke ausschwitzt.
Ein Stück Leinen, das man über Nacht in einen Ameisenhaufen gelegt hat, soll gegen Gliedergicht sehr wirksam sein, wenn man die kranke Körperstelle damit umwickelt.
Chirurgen im alten Indien, die sich bereits an komplizierte Darmoperationen wagten, kannten auch wirkungsvolle Techniken, um die dabei entstehenden Wunden zu „vernähen“. Sie hielten Ameisen so an die Darmverletzung, dass sie durch ihren Biss die Wundränder verschlossen. Dabei gaben die Tiere Säure ab, die gleichzeitig die Wunde desinfizierte. War sie auf diese Weise geschlossen, wurden die Köpfe der Ameisen vom Körper abgeschnitten. Während der Heilung lösten sich die an der Wunde verbleibenden Insektenköpfe dann auf.

Lit.: Paulys Real-Encyclopädie. Hg. v. G. Wyssowa u. a. Stuttgart, 1893ff., I; Jühling, Johannes: Die Tiere in der deutschen Volksmedizin alter und neuer Zeit. Nach den in der Kgl. öffentl. Bibliothek zu Dresden vorhandenen gedruckten und ungedruckten Quellen. Mit einem Geleitworte von Hofrath Dr. med. Höfler, Bad Tölz. Mittweida: Polytechnische Buchhandlung (R. Schulze), 1900; Wuttke, Adolf: Der deutsche Volksaberglaube der Gegenwart. 3. Bearb./von Elard Hugo Meyer, unveränd. fotomechanischer Nachdr. der Orig.-Ausg. Berlin 1900. Leipzig: Zentralantiquariat der Dt. Demokratischen Republik, 1970, § 140, 494; Bächtold-Stäubli, Hanns (Hg): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Bd. 1. Berlin: W. de Gruyter, 1987.
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