Ambivalenz

A. (lat. ambo, beide, und valentia, Stärke), Doppelwertigkeit, Bipolarität. Von Eugen Bleuler (1857-1939) 1910 geprägter Begriff zur Bezeichnung entgegengesetzter Neigungen, Einstellungen und Gefühle, die sich gleichzeitig auf dasselbe Objekt richten (Doppelgerichtetheit). Er nahm A. für die Bereiche Affekt, Intellekt und Wollen an und vertrat die Ansicht, dass ambivalente Gefühlsregungen gegenüber ein und derselben Person, Sachen und Ereignissen zum Entstehen von Schizophrenie führen kann. Freud, der des öfteren von Wunschgegensatz sprach, baute die A. in seine Neurosenlehre ein. Nach G. Bateson kann auch ambivalentes Elternverhalten gegenüber dem Kind zur Entstehung schizophrener Krankheitsbilder führen. Die Analytikerin Melanie Klein und ihre Schüler sehen in jeder menschlichen Triebregung die A. von Liebe und Destruktion.
Nach R. Otto hat auch das > Numinose einen ambivalenten Doppelcharakter, insofern als es eine Zorn- und eine Güteseite beinhaltet.
In der Parapsychologie wird der Sinngehalt paranormaler Phänomene oft als ambivalent beschrieben. Schon die Doppeldeutigkeit griechischer > Orakel ist Ausdruck einer A., die sich nicht in das Entweder/Oder klassischer Logik zwängen lässt.

Lit.: Bleuler, Eugen: Vortrag über Ambivalenz. In: Zentralblatt für Psychiatrie. Bd. 1. Bern. 1910, 266; Bleuler, Eugen: Die Notwendigkeit eines medizinisch-psychologischen Unterrichts. Leipzig: J.A. Barth, 1914; Otto, Rudolf: Aufsätze das Numinose betreffend. Gotha: Klotz, 41929; Freud, Sigmund: Bemerkungen über einen Fall von Zwangsneurose. Gesammelte Werke VII. Frankfurt/M.: Fischer; Bleuler, Eugen: Lehrbuch der Psychiatrie. Unter Mitw. von Jules Angst. Sonderaufl., unveränd. Nachdr. der 15. Aufl. Augsburg: Weltbild-Verl., 1985; Bateson, Gregory: Schizophrenie und Familie: Beiträge zu einer neuen Theorie. Übers. von Hans-Werner Sass. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 62002.
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