Afrika

„Africa“ bezeichnete zur Römerzeit das Land um Karthago. Hier wohnten die Afri. Der Name wurde schließlich auf den gesamten Kontinent übertragen, dessen rund 30 Mio. km2 ein Fünftel der Landfläche der Erde bilden. Vorgeschichtliche Funde lassen vermuten, dass in Afrika der Ursprung des Menschengeschlechtes lag. Dennoch gab es bis vor kurzem mit Ausnahme von Arabisch und Swahili keine einheimische Schriftsprache, so dass über frühere Ereignisse keinerlei Aufzeichnungen existieren. Von diesen Ereignissen können wir jedoch aus den über Generationen erfolgten Überlieferungen viel-
fältige Informationen gewinnen.
Religion
Heute sind 85% der Afrikaner Christen oder Moslems. Etwa 13% leben nach „einheimischen religiösen“ Vorstellungen. Aus der Überlieferung und aus gegenwärtigen Praktiken geht hervor, dass es unabhängig von Christentum, Islam und anderen Schriftreligionen einen Glauben an ein höheres Wesen gibt, das vom Menschen verehrt wird und dem Opfer dargebracht werden. Zugrunde liegt eine Art von Ganzheitsdenken, das die Bereiche von religiös und profan, von Diesseits und Jenseits im Lebensvollzug nicht voneinander scheidet. Die Welt ist dann in Ordnung, wenn die Lebenskraft stark und lebendig ist. Der Schöpfergott, die dynamische Kraft schlechthin, weist allen Seinswesen ihre Lebenskraft zu, die ihre eigentliche Natur ausmacht. Als Übermittlungskanäle für die diesseitige Hälfte der jeweiligen Gruppe mit Lebenskraft aus dem Jenseits, der Welt der Ahnen, fungieren die Könige oder Häuptlinge bzw. die Sippen- und Clan-Ältesten. Der Tod bedeutet daher nicht Ende, sondern Übergang in einen anderen Seinszustand innerhalb der Gemeinschaft. Der Lauf des Lebens ist somit wie folgt: Abschied vom Alten, Sterben des Alten und Rückkehr, Auferstehen zu einem neuen Menschen. Gut ist daher, was die Lebenskraft unter Wahrung des Lebensranges stärkt, böse, was sie schwächt.
Geister
Diese Lebenskraft ist besonders eng verbunden mit jener der Geister oder Schatten der verstorbenen Könige, Häuptlinge, Medizinmänner und einflussreicher Menschen und Verwandter, die durch die Räume fliehen, bis sie einen neuen Körper finden. Sie können verletzen oder helfen, die Elemente beeinflussen, Kinderkrankheiten hervorrufen, in Träumen erscheinen, sich in der Nacht melden und durch viele unerklärliche Phänomene auf sich aufmerksam machen. Die Geister einfacher Personen haben hingegen weniger Kraft, im Leben wie nach dem Tod. Sie verschwinden, doch muss all diesen Geistern ein fixer Wohnsitz zugewiesen werden, was durch spezielle Zeremonien geschieht: Man ruft den Geist in eine Höhle, in einen heiligen Hain, manchmal in ein lebendes Tier, meist jedoch in eine Figur aus Erde, Holz oder Metall, die man auf dem Schädel des Ahnen platziert oder die Haare, Fingernägel, Augenbrauen bzw. ein Stück Haut von diesem beinhaltet. Es gibt aber auch widerspenstige Geister, die sich nicht so ohne weiteres einweisen lassen. Sie werden mit eigenen Zeremonien bedacht. Die so versorgten Geister werden zu allen möglichen Anlässen des täglichen Lebens mittels Gebeten, Gaben (Perlen, Reis, Mais, Milch, Bier) und Opfer (Menschen- wie Tieropfer) angerufen. Das Opfer muss in der Folge gemeinsam verzehrt werden, um dem Ahnen Genüge zu tun. Diese Genugtuung ist dann am größten, wenn man jene opfern kann, die seinen Tod verursachten. Es ist dies der Ursprung des Kannibalismus, der in manchen Gebieten Afrikas besonders ungute Formen angenommen hat.
Besessenheit
Neben den Ahnen gibt es noch eine Reihe von Geistern unbekannten Ursprungs, die sich auf verschiedene Weise kundtun und entweder gutmütig oder bösartig sein können. Ihre verborgenen Aktivitäten gelten als Ursache von Epidemien, Überflutungen, Feuersbrunst, für alles, wofür es keine Erklärung gibt, insbesondere die > Besessenheit. Zur Befriedung dieser Geister bedarf es eines sog. > Sehers, der nach entsprechenden „Zeremonien“ Name und Art des betreffenden Geistes erkennt und dem Medizinmann mitteilt, an wen er sich zu wenden hat, um das Ende der Versuchung, die Heilung der Krankheit, die Befreiung von der Besessenheit zu erreichen. Hierbei werden auch > Voodoorituale eingesetzt.
Magie
Durch den Einfluss der Ahnen und die Anwesenheit verborgener Geistwesen und Kräfte hat sich die allgemeine Vorstellung gebildet, dass es für jeden Menschen, für jede Familie etwas Heiliges oder Verbotenes gibt, eine Frucht, einen Baum, einen Fisch oder sonst ein Tier, dessen Namen man trägt. Ein > Amulett als Schutz muss entsprechend gestaltet sein, genauso wie die > Fetische für alles und gegen alles.
Mantik
Dieses magische Verständnis von Welt und Mensch führte zur Bildung einer Reihe mantischer Praktiken: > Wahrsagen, > Zweites Gesicht, > Zaubertrank, > Zauberei, > Horoskope und > Weissagung sind ebenso bekannt wie > Wahrsager, > Zauberer und > Hexen. In Allianz mit den verborgenen Kräften können sie Krankheit und Tod, aber auch Hilfe und Heil bringen. Sie werden von Menschen aufgesucht und um Hilfe gebeten, genauso wie dies auch auf anderen Kontinenten der Fall ist.
Medizinmann
In diesem Wirkgeflecht von Ahnen, Geistern und unbekannten Kräften, guten wie bösen, nimmt der > Medizinmann oder > Schamane eine besondere Stellung ein. Er ist eine Person, die von der Gemeinschaft, in der sie lebt, für fähig gehalten wird, Gesundheitsfürsorge zu betreiben durch Anwendung, pflanzlicher, tierischer oder mineralischer Substanzen sowie bestimmter anderer Methoden, die auch die Befriedung der Geister, die Bannung oder Harmonisierung unbekannter Kräfte und die Bereitstellung von wirksamen Amuletten, Fetischen und anderen wirkungsvollen Schutz- und Heilmitteln ermöglichen. Die dafür notwendigen Kenntnisse werden überwiegend innerhalb der Familien weitergegeben und durch besondere Begabungen erworben. Dementsprechend gibt es auch mehr oder weniger spezialisierte Heilertypen: Pflanzenheilkundige, > Knocheneinrichter, > Gesundbeter, > Fetischisten, > Schlangendoktoren und andere Spezialisten.
In den letzten Jahrzehnten hat sich die Vorstellungswelt der Afrikaner gewaltig verändert, so dass sich die angeführten Einstellungen und magischen Praktiken zunehmend auflösen.

Lit.: Bozzano, Ernesto: Übersinnliche Erscheinungen bei Naturvölkern. Bern: A. Francke AG, 1948; Mair, Lucy P.: Magie im Schwarzen Erdteil. München: Kindler, 1969; Bonin, Werner F.: Die Götter Schwarzafrikas. Graz: Verlag für Sammler, 1979; Bonin, Werner F.: Naturvölker und ihre übersinnlichen Fähigkeiten: von Schamanen, Medizinmännern, Hexen und Heilern. München: Goldmann, 1986; Wagner, Johanna: Anleitung zu afrikanischen Orakeltechniken. Berlin: Zerling, 1991; Pfleiderer, Beatrix: Ritual und Heilung: eine Einführung in die Ethnomedizin. 2., vollst. überarb. u. erw. Neuaufl. Berlin: Dietrich Reimer, 1995.
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