Abdecker

Die A. gehörten wie die Bader, Gassenfeger, Gerber, Scharfrichter und andere mehr zu den „unehrlichen Berufen“, einer Besonderheit der mittelalterlichen Ständegesellschaft. Dieser Status der „Unehrlichkeit“ bestimmte weitgehend das Leben, doch gab es selbst bei den Abdeckern, entgegen vielfacher Annahme, keine durchgehende Distanzierung zur übrigen Bevölkerung. Seit Beginn des 17. Jhs. können nämlich nur die Verweigerung des Bürgerrechts und öffentlicher Ehrenämter sowie der Ausschluss von den Zünften und die Irregularität bestätigt werden. Die Ursprünge des Abdeckereigewerbes liegen allerdings noch im Dunkeln. Sicher ist, dass z. B. in München der erste amtliche Abdecker 1477 eingestellt wurde. Seine Aufgabe bestand, neben der Straßenreinigung, ausdrücklich darin, das „Aß ab dem Pflaster zu stubern“ (Waldburg-Wolfegg, 13 f.). Diese „unehrliche“ Arbeit verhalf dem Abdecker jedoch zusehends zu einer besonderen Stellung. Er hatte nicht nur die Tierkadaver, sondern im amtlich befohlenen Hilfsdienst der Scharfrichter auch die Leichen der Hingerichteten zu entsorgen. Dies brachte ihm gewisse anatomische Kenntnisse und den Ruf geheimer Heil- und Zauberkräfte ein. So wandten sich nicht nur einfache Leute, sondern auch Angehörige höherer Stände mit ihren Anliegen an ihn, was schließlich zu einem Konflikt mit der Ärzteschaft führte. Mit der gesetzlichen Verpflichtung vom 21. August 1756, die Leichen grundsätzlich zu den Anatomien zu bringen, und dem Verbot jeglicher medizinischer Tätigkeit blieb nur noch der Ausweg in die Tiermedizin. Die Abdecker spezialisierten sich nun besonders auf Vieh- und Rosskuren. Dabei spielte auch die Magie eine anerkannte Rolle. So ist in den Rossarzneibüchern die Bereitschaft, Bezauberung als klar definierte Krankheit mit eindeutig bestimmbaren Symptomen zu betrachten, grundsätzlich vorhanden. Doch trotz der vielfältigen Tätigkeit, die neben der beruflichen Aufgabe von sympathischen Kuren bis zur Wahrsagerei, oft in geheimer Sprache, reichten und von der Bevölkerung ganz ungeniert in Anspruch genommen wurden, blieben die Abdecker arme und ungebildete Außenseiter. Auch das Verschwinden der „Unehrlichkeit“ im 19. Jh. änderte an ihrer Unterschichtszugehörigkeit wenig. In den Augen des bürgerlichen Betrachters waren die Abdecker „größtenteils versoffene, unreinliche, nicht für das Beste des Nächsten, sondern nur für sich bedachte Leute“ (Lux, 104 f.), doch gerade deshalb von besonderer magischer Kraft.

Lit.: Lux, Johann, J. W.: Über das Abdecker-Wesen und die Folgen seiner Aufhebung. Leipzig, 1918; Waldburg-Wolfegg, Johannes Graf: Das mittelalterliche Hausbuch. Betrachtungen von einer Bilderhandschrift. München, 1957; Nowosadtko, Jutta: Scharfrichter und Abdecker. Paderborn: Schöningh, 1994.
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