ALOYSIUS TALAMONI
(1848-1926)
DIÖZESANPRIESTER
GRÜNDER
DER KONGREGATION DER BARMHERZ. SCHWESTERN
DES HL. GERHARD
Selig: 21. März 2004
Fest: 31. Januar
ALOYSIUS DOMINIKUS PHILIPP TALAMONI wurde am 3. Oktober 1848 als zweites von sechs Kindern der einfachen Hutmacher-Familie Giuseppe Talamoni und Maria Angelica Sala im „Mühlenviertel“ von Monza geboren und noch am gleichen Tag im Dom auf den Namen Aloysius Dominikus getauft.
Die Familie bot einen starken Rückhalt im Glauben. Zu Hause betete man jeden Tag den Rosenkranz und der Vater ging, sofern möglich, täglich zur heiligen Messe, begleitet vom kleinen Aloysius, der ebenso wie er am Altar ministrierte und so zunehmend den Wunsch verspürte, Gott und den Menschen als Priester zu dienen.
Er besuchte die Volksschule und empfing Erstkommunion und Firmung (1. Juli 1861) im Oratorium von Monza, dem Carrobiolo, gegründet vom Diener Gottes Pater Fortunato Redolfi, einem Barnabiten, und geleitet von einem weiteren Barnabiten, dem Diener Gottes Pater Luigi Villoresi. Auf diese Weise kam Aloysius in Kontakt mit den mitreißendsten Erfahrungen der Jugendpastoral seiner Zeit, aber auch mit den schwierigen Jahren für die Kirche von Mailand. 1859, als gerade der zweite Unabhängigkeitskrieg im Gange war, starb Erzbischof Bartholomäus Carlo Romilli. Der neu gewählte Erzbischof, Paolo Angelo Ballerini, stieß bei der italienischen Regierung auf heftigen Widerstand und konnte seinen Bischofssitz nie einnehmen. Sein Schmerz darüber wurde insofern gelindert, als die Bevölkerung und ein Großteil des Klerus auf seiner Seite standen.
In jenen Jahren wurde das „Carrobiolo“ zu einem Seminar der Armen. Wer die Neigung zeigte, Priester (und nicht nur Diözesanpriester) zu werden, aber nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfügte, um diesem Ruf zu folgen, fand dort die Möglichkeit zum Studieren. Die Professoren waren von hohem Niveau und ausnahmslos Freiwillige.
Aloysius lebte im Carriobiolo bis 1865, als er, wie damals üblich, in das Theologische Diözesanseminar von Mailand wechselte. Dort war es nicht gerade leicht. Der Rektor, Msgr. Carlo Cassina, hatte für das Werk von Pater Villoresi nichts übrig, die menschliche und spirituelle Qualität der Zöglinge aber führte zu einer Meinungsänderung. Inzwischen kam es durch neue gewalttätige Auseinandersetzungen in der Diözese zu Tumulten, bis am 27. März 1867 der neue Erzbischof, Luigi Nazari di Calabiana, gewählt wurde, der, vor allem am Anfang, die Hoffnung auf ein neues Klima des Friedens garantieren konnte.
In dieser schwierigen Situation absolvierte Talamoni seine theologischen Studien und begann mit dem, wofür er bestimmt war: dem Doktoratsstudium in Literatur und Philosophie an der Wissenschaftlich-Literarischen Akademie, wo er auch das Vertrauen und die Achtung der antiklerikalen Dozenten gewinnen konnte, die an der Akademie das Sagen hatten.
Am 4. März 1871 wurde Talamoni von Msgr. di Calabiana zum Priester geweiht. Am Abend desselben Tages wurde der Vater von Don Aloysius von einer Lähmung befallen, mit der er in den folgenden 15 Jahren zu kämpfen hatte.
Don Aloysius wurde als Lehrer in das Kolleg San Carlo nach Mailand geschickt, wo er auch Achille Ratti, den späteren Papst Pius XI. zum Schüler (1874/75) hatte. Nach vier Jahren wurde er 1875 als Gymnasiallehrer an das Seminar von Monza berufen. „Sein Leben im Seminar war jedoch“ – wie Kardinal Colombo schrieb – „praktisch ein Martyrium der Nadelstiche“. Das Klima in der Kirche von Mailand war weiterhin brandgefährlich: der Klerus war geteilt in Liberale und Intransigente, in Rosminianer und Traditionalisten, und zog die Laien und das Seminar mit hinein. Oft wurde Talamoni das Leben von den eigenen Schülern schwer gemacht, weil sie der Osservatore Cattolico, eine extremistische Zeitung, dazu aufstachelte. Eines Tages, im Jahre 1887, legten die Seminaristen ausgehend vom Zimmer von Don Aloysius bis zur Vorlesungsaula einen Teppich, für den sie seine Lieblingszeitung, La Lega Lombarda, benutzten, die sich gegenüber dem Osservatore Cattolico durch Mäßigung auszeichnete. Der Professor sollte auf seinem Weg zur Vorlesung auf seine Zeitung treten müssen! Es war dies nicht das einzige Mal, doch Don Aloysius reagierte stets mit Schweigen und Vornehmheit, mit Geduld und Vergebung.
Wie alle Erzieher des Seminars widmete sich Don Aloysius auch der pastoralen Arbeit, um seinen Unterricht zu fördern und zu bereichern. Sein bevorzugtes Arbeitsfeld war der Beichtstuhl im Dom von Monza, den ihm der Erzpriester Msgr. Francesco Zanzi zugewiesen hatte; schließlich wurde er auch der Seelenführer der Dienerin Gottes Mutter Mathilde Bucchi, Gründerin der Schwestern vom Kostbaren Blut (genannt Preziosine). Sein Beichtstuhl wurde bald zum Anziehungspunkt für unzählige Seelen nicht nur der Stadt, sondern auch abgelegener Ortschaften. Nicht selten wurde er zu Exerzitienvorträgen für Priester und Volksmissionen auch in andere Diözesen Norditaliens entsandt. Zudem veröffentlichte Talamoni drei Bände von Auslegungen der Festtagsevangelien für den Gebrauch der Priester. Sein Eifer führte ihn in das Frauengefängnis Giudecca in Venedig, wo er durch seine Worte Trost spendete und eine berühmte russische Gräfin zur Bekehrung führte.
Sein spezielles Charisma bestand jedoch in den Hausbesuchen bei den Kranken. Zu diesem Zweck förderte und leitete Talamoni das von Maria Biffi verw. Levati (1835-1905) begonnene Hilfswerk. Mit ihr gründete er am 25. März 1891 die Kongregation der Barmherzigen Schwestern des hl. Gerhard (Abb.), deren erste Regel er verfasste. Zwei junge Frauen, Rosa Gerson und Stella Dell’Orto, folgten seiner Einladung, sich der Kranken anzunehmen, indem sie diese in ihren Häusern aufsuchten und sie vor allem während der Nacht betreuten, um es den Angehörigen auf diese Weise zu ermöglichen, sich auszuruhen und zum Unterhalt der Familie bei Tag ihrer Arbeit nachzugehen. Es ist dies der vom Gründer und von der Gründerin, Maria Biffi Levati, den Barmherzigen Schwestern vorgelebte Geist: „Die Kranken liebevoll und materiell unterstützen, um ihre Seelen heiligmäßig und spirituell zu heilen und ihre Rettung zu erwirken; durch den Dienst an den Kranken, aber auch den Gesunden nützlich sein, indem man die Liebe Christi in ihre Häuser trägt. Um dies zu erreichen, gilt es, nicht auf die Opfer zu sehen, auf die Niedrigkeit der Dienste, die Entbehrungen, das Gerede, die Schmähungen und Eifersüchteleien.“ Den Geist der Barmherzigen Schwestern in einem Satz zum Ausdruck gebracht, empfahl ihnen Don Talamoni: „Seid demütig und liebenswürdig; brennt vor Liebe!“ Er selbst ging mit seinem Beispiel voran, indem er sein Leben aus Liebe verzehrte. Mit Zuneigung und Hingabe begleitete er das aufkeimende Institut, wenngleich er seinen Verpflichtungen als Lehrer im Seminar, als Beichtvater im Dom und als Gemeinderat weiterhin gewissenhaft nachging.
In der Tat stellte sich, als Krönung seiner priesterlichen Tätigkeit, die Wahl, sich auch politisch zu engagieren. Dazu trieb ihn nicht nur das Erstarken des Sozialismus, sondern auch der aufflammende antiklerikale Geist am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, der durch das Vorrücken des Sozialismus noch verschärft wurde. Don Talamoni stimmte der Eintragung seines Namens in die Bürgerliste des Katholischen Komitees von Monza zu und errang am 9. Juli 1893 844 Stimmen, womit er seiner Liste zum Sieg verhalf. Daraufhin wurde er zum Gemeinderat von Monza gewählt. Dieser Einsatz in der Gemeinde endete 1923. Zwar trug die Liste der Bürgerpartei am 21. Januar 1923 den Sieg davon, doch zwangen die faschistischen Angriffe den Gemeinderat nach nur sieben Monaten zur Abdankung.
Inzwischen wurde die Ordensregel seiner geistlichen Familie kanonisch anerkannt und die Arbeit der Schwestern nahm zu. Mit dem Approbationsdekret vom 10. Mai 1948 avancierten die Barmherzigen Schwestern zu einem apostolischen Institut päpstlichen Rechts. Die Aktivitäten weiteten sich aus und heute arbeiten die Schwestern nicht nur in der Heimpflege, sondern auch in Kindergärten, in öffentlich zugänglichen Ambulatorien, auch wenn diese in Ordenshäusern operieren, in Altersheimen und Wohnheimen, in der Pfarreiseelsorge, in Gesprächszentren, bei Katechesen auch für junge Familien und sogar in einem vertragsgebundenen Haus, das für lange Krankenhausaufenthalte zur Verfügung steht, vor allem für Priester und Ordensleute. Ihren Dienst leisten sie heute in verschiedenen Teilen Italiens und in der Schweiz, wobei sie dem Charisma ihres Gründers folgen, der sie durch sein Beispiel und seine zahlreichen Briefe und Ratschläge bis zum Ende formte. Talamoni verstarb am Nachmittag des 31. Januar 1926, einem Sonntag, nach kurzer Krankheit in Mailand, in der Klinik der Schwestern vom Kind Maria, unter allgemeiner Anteilnahme. Er wurde sofort nach Monza überführt. Bei seiner Beerdigung, deren Kosten die Gemeinde übernahm, ersuchte der alles andere als klerikal gesinnte Bürgermeister die Anwesenden, vor dem Sarg eine Kniebeuge zu machen, „befanden sich dort doch nicht die sterblichen Überreste eines gerechten Menschen, sondern die Reliquien eines Heiligen“. Am 20. Mai 1966 wurde der Leichnam Talamonis auf dem alten Friedhof von S. Gregorio exhumiert und in der Kapelle des Mutterhauses der Barmherzigen Schwestern des hl. Gerhard, Piazza S. Margherita, 2, Monza, beigesetzt.
Am 21. März 2004 wurde Aloysius Talamoni von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.
RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 2001 – 2004. Innsbruck: Resch, 2015 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 6). XIV, 482 S., 110 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-099-5, Ln; EUR 48.60 [D], 49.90 [A]
Bestellmöglichkeit: info@igw-resch-verlag.at