Ariosophie

Griech., „Weisheit der Arier“, eine weltanschauliche Lehre mit starken rassistischen und antisemitischen Tendenzen, die um 1900 von Guido List begründet und von Jörg Lanz von Liebenfels fortgeführt wurde. Sie verbindet die Gedankenwelt der Theosophie von Helena Petrowna > Blavatsky mit den rassistischen Theorien von Arthur de Gobineau (1816-1882) und dem okkulten Runenglauben. Die zentrale Aussage lautet: Nur die „Arier“, zu denen zwar alle indogermanischen Völker gehören, deren reinster Kern – die „arische Urrasse“ – aber in Nordeuropa gründe, seien zu wahrer Esoterik, Weisheit und Magie fähig. Unter allen Rassen sei sie die am höchsten entwickelte gewesen. Lanz von Liebenfels stellte dann in der Nachfolge von List den Kampf der „Arier“ gegen die Niederrassen in den Vordergrund, um zu verhindern, dass durch Rassenmischung eine Schwächung der arischen Heldenrasse erfolgte. Er schlug daher weitreichende Zuchtprogramme für „Arier“ und Sterilisationsmaßnahmen für „minderwertige Rassen“ vor. Ein vager Pantheismus mit naturphilosophischen Anklängen vergöttlichte die arische Rasse zu einem kosmischen Prinzip und setze sie dem Licht gleich. Hieraus leitete sich auch der Herrschaftsanspruch der „Arier“ über die anderen Völker ab. Grundlage dieser „nordischen Vergöttlichung“ sind die Runen, die Edda und der Atlantismythos. Damit verbunden ist auch der Versuch der Germanisierung des Christentums. Esoterische Strömungen des Mittelalters, insbesondere die Gralsbewegung, wurden mit Ideen vermischt, die sich im Umfeld der Mythologie des Nordens herausgebildet haben. Mit dem Ende des christlichen Fischezeitalters gehe die Herrschaft von Jupiter zu Ende und Saturn, den die Ariosophen als den großen Erzieher der Menschheit betrachteten, trete im Wassermannzeitalter die Herrschaft an.
Die A. bildete die weltanschauliche Grundlage der Guido-von-List-Gesellschaft, gegründet 1905 in Wien, des > Ordo Novi Templi (ONT), der von Lanz von Liebenfels ins Leben gerufen wurde, und der Edda-Gesellschaft (unter der Leitung von Johann Gorleben).

Die esoterischen Elemente der A. wurden immer mehr zugunsten der Rassenideologie aufgegeben, sodass die A. zu einem der geistigen Vorläufer der späteren NS-Ideologie wurde.
Nach dem Zweiten Weltkrieg lebten die Ideen der Ariosophie in verschiedenen neugermanischen Gruppierungen wieder auf, wie etwa in dem 1976 von Adolf Schleipfer gegründeten Armanenorden oder in der Artgemeinschaft von Jürgen Rieger.

Lit.: Poliakov, Léon: Der arische Mythos. Zu den Quellen von Rassismus und Nationalismus. [Hg. vom Hamburger Institut für Sozialforschung. Aus dem Franz. von Margarete Venjakob; Holger Fliessbach]. Hamburg: Junius, 1993; Goodrick-Clarke, Nicholas: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus. Graz; Stuttgart: Stocker, 22000; Hesemann, Michael: Hitlers Religion – Die fatale Heilslehre des Nationalsozialismus. München: Pattloch, 2004.
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