ZDISLAVA VON LEMBERK
(ca. 1220-1252)
EHEFRAU UND MUTTER
Heilig: 21. Mai 1995
Fest: 1. Januar
ZDISLAVA VON LEMBERK wurde um 1220 als erstes Kind von Přibyslav und Sybille auf der Burg von Krihanau (Křižanov) in Mähren, heute Tschechische Republik, geboren, wo die Familie ihren ordentlichen Wohnsitz hatte. Nach ihr erblickten noch vier weitere Kinder das Licht der Welt: Peter, Libuse, Euphemia und Elisabeth. Der Vater war Burgherr von Veveri und Brünn, Repräsentant des böhmischen Königs Wenzeslaus I. und ein Vertrauter Ottokars I. Er war ein Mann voll des Eifers für Religion und Vaterland und gründete die Zisterzienserabtei von Žd’ar-na-Săzanou sowie den Franziskanerkonvent von Brünn, in dessen Kirche er nach seinem Tod 1252 bestattet wurde. Die Mutter war aus Sizilien gekommen, um als Hofdame der böhmischen Königin Kunigunde von Hohenstaufen zu dienen. Sie starb 1262.
Die Cronica domus Sarensis beschreibt ziemlich ausführlich das spirituelle Leben der Familie, in der Zdislava aufwuchs: eine Familie, welche die Zisterzienserabtei von Žd’ar nicht nur gründete, sondern zum Teil dort auch heiligmäßig lebte. Zdislava erhielt so gemeinsam mit ihren Schwestern Euphemia und Elisabeth eine gediegene christliche Erziehung: und alle drei „multas laudes meruere“ (verdienen viel Lob).
Zdislava lebte in einer Umgebung, die voll am Zivilisationswerk teilnahm, das damals in verschiedenen Teilen Europas im Gange war und durch die Ausbreitung des Dominikanerordens in Böhmen und Mähren begünstigt wurde, der über den hl. Hyazinth von Polen und Bruder Heinrich von Mähren Bekanntheit erlangte, die schon der Gründer 1221 in diese Länder geschickt hatte.
Gegen 1240 heiratete die damals 20-jährige Zdislava Gallus (Havel) von Jablonné, den Burgherrn von Lemberk, Berater König Wenzeslaus’ I. und Kolonisator in Nordböhmen. Die Aktivitäten von Zdislavas Gemahl im sozialen Bereich stellten diesen in das Zentrum des Geschehens. Es ging um die Kolonisierung benachbarter Waldgebiete, indem man die lokale Wirtschaft durch den Zuzug von Pächtern ankurbelte. Das Aussehen der Region änderte sich vollständig. Die „Frau“ von Lemberk, Zdislava, die der neuen Familie und den neuen Ländern das moralische Erbe ihrer Sippe einflößte, trat in dieser Bewegung mit Aktionsformen an, die ihr entsprachen und bezüglich Glauben großen Einsatz und vitalen Schwung verlangten.
Es war die Zeit, in der die Menschen die ländlichen Traditionen verließen und in den Städten eine neue Existenz begannen. Dank der Bettelorden der Dominikaner und Franziskaner erhielt das religiöse, kulturelle und soziale Leben neue Strukturen. In diesem Zusammenhang war Zdislavas Tätigkeit mit ihren Initiativen zur Evangelisierung im familiären und sozialen Bereich stark von der Spiritualität der Bettelorden geprägt.
Tatsächlich ging ihr spiritueller Weg von einer sehr religiösen und auf Wohltätigkeit ausgerichteten familiären Umgebung aus und verlief in den genannten Ländern Hand in Hand mit der Entwicklung des Predigerordens. Ihr Niveau christlichen Lebens wird in der ältesten Chronik in Versen beschrieben, nämlich in der Böhmischen Chronik eines gewissen Dalimil, datierbar auf 1314, mit der Bezeichnung „Frau Zdislava heiligmäßigen Lebens“. In der mittelalterlichen Sprache entspricht der Titel „Frau“ dem „Edelmann“ und bezeichnet eine in Abstammung und Persönlichkeit adelige Frau, die anderen als Beispiel diente. Zdislava verwirklichte gerade dieses Modell. Ihr Gemahl, der oft längere Zeit abwesend war, weil er den König auf seinen Expeditionen begleiten musste, überließ nämlich ihr die Aufgabe, die Kinder zu erziehen, auf der Burg von Lemberk die Gäste zu empfangen und sich um die Belange der Angestellten zu kümmern. Zudem widmete sie sich dem Dienst an den Behinderten, den Bettlern und den Kranken im Spital von Jablonné, das auf ihre Initiative hin errichtet wurde. Gleichzeitig pflegte sie Beziehungen zum Konvent der Dominikaner in Köln in Deutschland das aufgrund der dortigen Anwesenheit des hl. Albert des Großen auch als Zentrum der medizinischen Wissenschaften bekannt war.
All diese Aktivitäten lassen sich aus der spärlich vorliegenden, aber gesicherten und zeitnahen Dokumentation über Zdislava erschließen, speziell aus der schon genannten Böhmischen Chronik. Besonders gelobt wird der Umstand, dass von Zdislava großer Trost und große Erleichterung für alle Verängstigten und Betrübten ausgingen. Als Gemahlin eines Feudalherrn war sie reich mit Gütern gesegnet, die es ihr – im Blick auf die Bedürftigen, die Probleme und das Elend ihrer Untertanen und der Bewohner des Lehens und Umgebung – erlaubten, diese auch materiell zu unterstützen. Materielle Hilfe hält sich jedoch nur so lange im Gedächtnis, als sie auch von einem außergewöhnlichen Charisma und Wohlwollen begleitet ist.
Es verwundert daher nicht, dass die Böhmische Chronik bestätigt, dass Zdislava geplagten Naturen mit Zuspruch und Ermunterung zur Seite stand, und auf eine Nächstenliebe verweist, die von Wundern der Auferweckung von fünf Toten, der Rückgabe der Sehkraft an viele Blinde, der Wiederherstellung der körperlichen Integrität vieler Behinderter und Leprakranker und von Hilfestellung so vielen anderen Kranken gegenüber spricht. Außerdem ist die Rede von unzähligen wohltätigen Gesten, die wahrlich auf ein außerordentliches karitatives Leben verweisen.
In Zdislavas Leben lässt sich ein Prozess der Evangelisierung im familiären wie sozialen Bereich feststellen. Wenn man von ihr spricht, so betont ihr moderner Biograf Zdènek Kalista, erkennt man in ihrer inneren Ausrichtung, die von der Spiritualität der Bettelorden vorgegeben wurde, einen tief gelebten Glauben. Der Verfasser der Chronik von Zd’ar lobt an Zdislava das vollkommene Beispiel der ehelichen Treue, während die Chronik von Dalimil ihr soziales Wirken hervorhebt – heute würden wir sagen, ihre karitative Tätigkeit. Es ist daher nicht richtig, in ihr nur eine Heilerin zu sehen. Durch die außergewöhnlichen Phänomene, die ihr ihm Leben und nach dem Tod zugeschrieben wurden, wird uns veranschaulicht, wie die Hand Gottes die spirituelle Tiefe, den Sinn von Leben und Leiden entdecken lässt. Jede außergewöhnliche Heilung ist ein Ausdruck des Hereinwirkens Gottes, zeigt sein Mitleid und seine Barmherzigkeit den Menschen gegenüber. Der Stil der typischen Evangelisierung des 13. Jahrhunderts geht über die Grenzen von Sippschaft und Familie hinaus: es beginnen sich in der neuen sozio-kulturellen Perspektive interpersonale Beziehungen zu bilden. Die Heiligsprechung der Seligen Zdislava ist daher nicht nur ein historisches Andenken, sondern eine eindrucksvolle Einladung, das karitative Wirken zu überdenken. Diese Wohltätigkeit drückte sich auch in ihrem Einsatz beim Gebrauch der wirtschaftlichen Möglichkeiten zusammen mit ihrem Mann aus. Dazu gehört in erster Linie die in den Jahren 1250 –1252 erfolgte Gründung der Konvente der Dominikaner von Jablonné, geweiht dem hl. Laurentius, und von Turnov, geweiht der hl. Maria, die auf seinem Lehensgebiet unter Mitarbeit seiner Frau errichtet wurden.
So lebte Zdislava während ihrer ca. 12-jährigen Ehe auf der Burg von Lemberk und befasste sich abwechselnd mit den vorrangigen Aufgaben einer Mutter und mit karitativen Werken. Sie hatte vier Kinder: Havel, Margherita, Jaroslav und Zdislav. Sie starb 1252. Die Böhmische Chronik vermerkt: “Anno 1252 …Domina Zdislava vita functa est”: im Jahre 1252 beschloss Zdislava ihr Leben. Sie wurde in der Kirche St. Laurentius in Jablonné, Tschechien, beigesetzt. Ihre Grabstätte wurde von 1252 an ohne Unterbrechung erhalten, nicht allein aus religiösen Gründen, sondern auch wegen ihrer Verwurzelung in der Geschichte der Kirche selbst, wo das Grab der Heiligen nicht nur als das Grab einer dort aufgenommenen Persönlichkeit galt, sondern als das Grab der „Herrin“.
Es steht außer Zweifel, dass das Ehepaar Havel und Zdislava, die Burgherren von Lemberk, mit dem Konvent von Jablonnè den Grundstein für ein prunkvolles Werk legen wollte. Viel mehr aber zählt die Tatsache, dass Zdislavas Grab seit mehr als siebenhundert Jahren ein Zentrum des Gebets und der Hoffnung ist. Daher blieb es während der tumultartigen Ereignisse der Hussitischen Reform im 15. Jahrhundert vor Schändungen bewahrt und wurde 1596 restauriert. 1602 hatte Zdislava bereits ihren Platz unter den Heiligen von Böhmen.
Während des Dreißigjährigen Krieges (1616-1648) wurde Heinrich Heckel, der Befehlshaber des böhmischen Heeres und Hauptmann der Stadt Jablonné, vor dem Ertrinken in einem Fluss gerettet, nachdem er das Gelübde gemacht hatte, Zdislavas Grab zu restaurieren. 1660 löste er das Versprechen ein, indem er ein neues Grab errichten ließ, was eine Verstärkung des Kultes der Heiligen zur Folge hatte.
Im Archiv des Dominikanerkonvents von Jablonné berichten lange Listen über wundersame Ereignisse im 17. und 18. Jahrhundert, die sich bis Ungarn und Slawonien zugetragen haben sollen. Eine Aufzählung von 24 Wunderberichten in den Jahren 1949 bis 1988 wird mit den ursprünglichen 24 Täfelchen in Verbindung gebracht, die heute längs der Wände der Gruft angebracht sind. Parallel zum Gnadenkatalog gibt es einen ikonografischen Katalog, der 38 Register aus den Jahren zwischen 1907 und 1986 sowie eine Bibliografie mit 544 Titeln zwischen 1908 und 1988 enthält.
1979 schritt man an die dritte Identifizierung der Gebeine mittels einer anthropologisch-medizinischen Untersuchung, aus der hervorging, dass Zdislava 160 cm groß, von schlanker Gestalt mit einem grazilen Knochenbau und einer schwach ausgeprägten Muskulatur war.
Eines jener unzähligen außergewöhnlichen Phänomene, das besonders herausragt, ereignete sich am 18. September 1989 und öffnete den Weg zur Heiligsprechung.
Zdislava von Lemberk wurde am 21. Mai 1995 von Papst Johannes Paul II. in Olmütz, Tschechien, heiliggesprochen, nachdem sie Papst Pius X. am 28. August 1907 seliggesprochen hatte.
RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Johannes Pauls II. 1982 – 2004. Innsbruck: Resch, 2012 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 5). XIV, 480 S., 109 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-094-0, Ln, EUR 48.60 [D], 49.90 [A]
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