Andreas Resch: Wilhelm Apor


WILHELM APOR
(1892-1945)

BISCHOF VON GYÖR

MÄRTYRER

Selig: 9. November 1997
Fest: 2. April

WILHELM APOR, das sechste Kind von Baron Gábor Apor de Altorja und Gräfin Fidelia Pálffy, wurde am 29. Februar 1892 in Segesvár in der Diözese Alba Julia (heute Rumänien) geboren und am 5. März im elterlichen Haus auf den Namen Wilhelm getauft. Von den insgesamt neun Kindern der Familie starben vier bereits in zartem Alter. 1894 wurde der Vater zum Staatsekretär der ungarischen Regierung in Wien ernannt und zog mit seiner Familie dorthin. Am 15. August 1898 starb er im Alter von nur 47 Jahren. Die Mutter vermittelte den Kindern eine tief religiöse Erziehung. Der Familientradition folgend vertraute sie Wilhelm nach Beendigung der Volksschule im Herbst 1900 zur weiteren Unterweisung den Jesuiten an, in deren Kolleg in Kalksburg, Österreich, er das Gymnasium begann, während er die letzten drei Gymnasialklassen (das heutige Lyzeum) bei den Jesuiten in Kalocsa in Ungarn besuchte. Er war ein so fleißiger und vorbildlicher Student, dass ihn seine Kameraden den „heiligen Wilhelm“ nannten. In dieser Zeit erwachte in ihm auch die Berufung zum Priestertum.

Nachdem er das Lyzeum 1909 mit der Reifeprüfung abgeschlossen hatte, erbat er für sich – wenngleich seine Mutter die Entscheidung des Sohnes hinauszögern wollte – als einziges Weihnachtsgeschenk, sofort in das Seminar eintreten zu können. Die Mutter willigte ein und gab ihren Segen zu seiner Berufung. Nach der Aufnahme in das Seminar von Györ schrieb ihn der Bischof 1910 an der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck ein, wo er im theologischen Konvikt wohnte: zunächst zwei Jahre im alten „Nicolaihaus“ und anschließend im neuen „Canisianum“ der Jesuiten. Die Mutter übersiedelte inzwischen 1912 mit den Töchtern Gisela und Henriette in die Residenz der Pálffys nach Moson.

Nach Beendigung der philosophischen und theologischen Studien wurde Apor am 24. August 1915, mitten in den Kriegswirren, in Brixen zum Priester der Diözese Nagyvárad geweiht. Einen Monat später ernannte ihn der Bischof zum Kaplan der Pfarre von Gyula in der Provinz Békés. Im Juni 1916 kehrte er nach Innsbruck zurück, wo er das Doktorat in Theologie machte und sich fortan mit ganzer Energie der seelsorglichen Arbeit widmete. Am 4. Januar 1917 begann er seinen Dienst als Militärkaplan auf einem Lazarettzug des Roten Kreuzes und kam so wieder nach Gyula. Am 1. Juli desselben Jahres wurde er als Studienpräfekt und Professor für Dogmatik an das Diözesanseminar nach Nagyvárad versetzt. Im August 1918 wurde er zum Pfarrer von Gyula ernannt. Mit seinen 26 Jahren war Apor damals der jüngste Pfarrer Ungarns. Er machte sich sofort an die Arbeit, denn am Ende des „großen Krieges“ mit dem Abkommen von Trianon wurde Ungarn ausgegliedert, woraufhin sich Desorientierung, Armut und (auch moralisches) Chaos breitmachten. Die kommunistische Revolution mit der anschließenden Diktatur der Räterepublik und der rumänischen Invasion erschütterte die beschauliche Ruhe in Gyula. In dieser Situation bedurfte es eines starken und energischen Pfarrers, weil es darum ging, die Religion und die zivilen Rechte der Menschen zu verteidigen. Apor wurde den Erwartungen gerecht, als er nach Abschaffung des Religionsunterrichts an den Schulen diesen wiederherstellte, nachdem er mit zahlreichen katholischen Gläubigen vor das Gemeindeamt gezogen war; oder als er sich nach Bukarest zur Königin Maria begab, um – erfolgreich – die Befreiung der Bürger von Gyula zu erbitten, die vom rumänischen Militärkommando in Gewahrsam genommen worden waren. Als Pfarrer zeichnete er sich zudem durch seine Liebe zu den Armen und Kranken und seinen Einsatz für Erziehung und religiöse Bildung aus. Er berief religiöse Kongregationen in die Stadt, um das religiöse Leben der Gläubigen zu vertiefen. Durch Predigt und Katechese trug er zur Schaffung eines authentischen christlichen Bewusstseins bei und förderte die Teilnahme an den Sakramenten.

Inzwischen kam er bereits als möglicher Bischof ins Gespräch. Wenngleich beim Tod des Bischofs von Györ der Name Apor auf der von der Regierung vorgelegten Liste nur an dritter Stelle stand, ernannte ihn Pius XII. am 21. Januar 1941 zum Bischof der vom hl. Stefan gegründeten Diözese Györ. Nicht wenige hegten damals den Verdacht, dass sein Bruder Gábor, Botschafter im Vatikan, die Finger im Spiel hatte, doch fanden diese Vermutungen keine Bestätigung. Nach der Bischofsweihe am darauffolgenden 24. Februar in der Pfarrkirche von Gyula nahm Wilhelm Apor am 2. März 1941 Besitz von der Diözese. Der von ihm gewählte Weihespruch war symbolisch: „Das Kreuz stärkt den Schwachen und stimmt den Starken gnädig.“ Auch als Bischof setzte er sein Programm als Pfarrer fort: „Meine Arbeit als Priester war bis jetzt seelsorglicher Natur, aber auch als Bischof von Györ will ich Seelsorger bleiben.“

Ebenfalls 1941 trat Ungarn an der Seite Deutschlands in den Krieg ein. Darauf vorbereitet, der neuen Situation die Stirn zu bieten, wollte Apor dies auch von seinen Priestern, und er widmete sich mit ganzer Kraft der Stärkung der moralischen und religiösen Erziehung der Gläubigen und insbesondere der Jugend. Als in Ungarn die Rassengesetze eingeführt wurden, ergriff er Partei für die Opfer der Ungerechtigkeit, indem er seine Stimme auch gegen die Regierenden selbst erhob und alles in seiner Macht Stehende versuchte, um die Einwohner seiner Diözese zu schützen. Der ansonsten sanftmütige und warmherzige Mann konnte hart sein wie Stahl, wenn es um die Verteidigung der Grundrechte, der Würde des Menschen, der göttlichen Gesetze und der religiösen Freiheit ging. Seine Bestimmtheit ermutigte und gab Orientierung. Er verurteilte die unmenschlichen Handlungen und Verfolgungen in diversen Schriften und Predigten, womit er auch seine persönliche Sicherheit aufs Spiel setzte.

Als am 19. März 1944 die deutschen Truppen über die Diözese Györ in Ungarn einfielen, verurteilte Apor in der Kathedrale mutig die rassistische Haltung gegenüber den Juden. Als Präsident des „Vereins vom Heiligen Kreuz“, einer Organisation zum Schutz katholisch getaufter Juden, verteidigte er offen deren Rechte ebenso wie jene der praktizierenden Juden. Zudem wiedersetzte er sich in einem Brief vom 28. Mai 1944 an den Innenminister der Errichtung eines Ghettos in Györ, obwohl er um die Konsequenzen wusste. Als die Massendeportation begann, organisierte er Gruppen von Helfern entlang des Durchzugs der Kolonne und bewahrte damit Tausende Juden vor dem sicheren Tod.

Die Diözese Györ befand sich damals in einer sehr heiklen Position: einerseits beherrscht von den Nazis, andererseits bedroht von der Roten Armee. Als wichtiger Eisenbahnknoten und Zentrum der Kriegsproduktion wurde sie immer öfter das Ziel von Bombenangriffen. Apor lehnte es ab, sich auf seine ruhigere Residenz auf dem Lande zurückzuziehen. Er blieb auf seinem Posten, um jedem behilflich zu sein, der der Hilfe bedurfte. Inzwischen wurde, 1944, József Mindszenty zum Bischof der Nachbardiözese von Verszprém ernannt. Am 31. Oktober machten sich Apor und Mindszenty gemeinsam an die Abfassung des berühmten „Memorandums der Bischöfe der transdanubischen Region“, in dem sie ihrer Befürchtung Ausdruck verliehen, das Territorium ihrer Diözesen würde in Kriegsgebiet umgewandelt. Die Folge war die unmittelbare Verhaftung Mindszentys, der als der Hauptaufwiegler und mithin als Gefahr für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesehen wurde. Das zwischenzeitliche Vorrücken der Roten Armee wurde begleitet von Schreckensnachrichten über das Verhalten der Soldaten. Männer wie Frauen flüchteten in den Selbstmord. Unverzüglich ließ Apor am 29. November 1944 die dringliche Aufforderung ergehen, sich nicht das Leben zu nehmen, sondern der Prüfung mit christlichem Mut zu begegnen. Er öffnete sogar seinen alten Palast für die Zuflucht Suchenden, während er selbst ein kleines Zimmer bezog.

Zu Weihnachten 1944 begann schließlich die Invasion der Sowjettruppen, doch war von den sogenannten russischen „Befreiern“, welche die Frauen vergewaltigten und jeden, der sich ihnen widersetzte, erschossen, keine Verbesserung der Situation zu erwarten. Eine vom Bischof ernannte Kommission machte die in jenen Wochen von den sowjetischen Soldaten begangenen Gräueltaten bekannt. Mitte März 1945 nahm die Sowjetarmee, die zunächst von den Deutschen gestoppt worden war, die Offensive wieder auf. Am 28. März 1945, Mittwoch der Karwoche, ging Apor den ersten russischen Soldaten, die auf seiner Schwelle erschienen, entgegen. Er empfing sie in würdevoller Ruhe und erklärte, dass alle, die sich in seinem Palast befänden, unter seinem Schutz stünden. Tag und Nacht wachte er am Eingang, um die 300 Flüchtlinge zu schützen. Am Morgen des Gründonnerstag feierte er seine letzte hl. Messe im Keller der Zuflucht. Gegen Abend des Karfreitag tauchten am Eingang der Kellergeschoße mehrere russische Soldaten unter Führung eines Majors auf, der die Herausgabe der jungen Frauen und Mädchen verlangte, die „zum Kartoffelschälen“ mitkommen sollten. Der Bischof lehnte dies entschieden ab und schlug die Entsendung von Freiwilligen vor. Die Soldaten hatten die jungen Frauen inzwischen jedoch entdeckt und waren im Begriff, sie nach draußen zu schleppen. Der Bischof widersetzte sich. In dem Moment eröffneten die Soldaten das Feuer und er wurde von drei Kugeln getroffen. Die Soldaten entfernten sich. Apor wurde in das Spital gebracht und operiert. Als er nach der Operation erwachte und erfuhr, dass keiner der von ihm verteidigten Frauen ein Leid geschehen war und sein Leben sich dem Ende zuneigte, dankte er Gott, betete für seine Priester und Gläubigen und bereitete sich auf den Tod vor, der ihn am Ostermontag, den 2. April 1945, ereilte.

Wegen des Brandes der Kathedrale aufgrund der Bombardements wurde er zunächst in der Karmeliterkirche beigesetzt. Erst am 23. Mai 1986 überführte man seinen Leichnam in die Kapelle Hédervári im Seitenschiff der Kathedrale von Györ in Ungarn.

Am 9. November 1997 wurde Wilhelm Apor von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.


RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1996 – 2000. Innsbruck: Resch, 2010 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 4). XIII, 376 S., 86 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-088-9, Ln, EUR 39.90 [D], 40.98 [A]

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