Andreas Resch: Vinzenz Lewoniuk und 12 Gefährten


VINZENZ LEWONIUK
(1849-1874)
und 12 Gefährten

MÄRTYRER
VON PRATULIN
1874

Selig: 6. Oktober 1996
Fest: 24. Januar

VINZENZ LEWONIUK und seine 12 Gefährten, Bauern im Alter zwischen 19 und 50 Jahren, gehörten der 1596 auf Grundlage der Union von Brest gegründeten Kirche der Unierten an. Diese Union führte zur Vereinigung der orthodoxen Kirche auf polnischem Gebiet mit der katholischen Kirche und dem Papst. Sie war jedoch nicht im Interesse Russlands, das Befürchtungen hegte, dass sich die katholische Kirche wesentlichen Zielen der Regierung, nämlich der Russifizierung und Ausbeutung der Bevölkerung, widersetzen würde.

Die Zaren betrieben daher eine stufenweise Eliminierung der katholischen Kirche durch Zerstörung der Kirche der Unierten. 1794 liquidierte Katharina II. die Kirche der Unierten in der Ukraine. 1839 hob Zar Nikolaus I. formell die Kirche der Unierten in Weißrussland und Litauen auf. Die russische Verfolgung erwies sich als besonders hart und gut organisiert. Sie beruhte auf dem alten Prinzip, wonach die Religion des Herrschers die Religion aller sei (cuius regio eius religio). In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es die Kirche der Unierten auf den russisch besetzten Gebieten nur noch in der Diözese Chelm im Königreich Polen. Die zaristische Administration plante die Aufhebung dieser Kirche und Zar Alexander II. unterschrieb das entsprechende Dekret.

Ab Januar 1874 musste in den Kirchen der Unierten die orthodoxe Liturgie verwendet werden. Die Durchführung dieser Bestimmung bedeutete für die russische Regierung den Anschluss der jeweiligen Pfarre an die Orthodoxie. Das galt auch für Pratulin: „Nach der Entfernung des der Union treuen Pfarrers hatte die russische Regierung versucht, den Pfarrangehörigen von Pratulin einen orthodoxen Popen vorzusetzen.“

Nachdem bekannt geworden war, dass die russischen Truppen die Kirche besetzen wollten, machten sich alle zu ihrer Verteidigung auf. In dieser Situation kam es am 24. Januar 1874 zu jener Militäraktion, die zur Tötung unzähliger Wehrloser führen sollte, die ihre Kirche ohne Waffen, nur mit ihrem eigenen Körper, verteidigten. Da die 13 ermordeten Unierten von Pratulin lediglich einen Bruchteil der vielen Märtyrer der Unierten Podlasiens ausmachen, laden die unten aufgeführten Namen dazu ein, auch all der anderen zu gedenken, von denen man häufig nicht einmal die Namen kennt.

VINZEN LEWONIUK (1849-1874), Sohn Wasils, wurde 1849 im Dorf Krzyczew geboren und im gleichen Jahr nach griechisch-katholischem Ritus auf den Namen Vinzenz getauft und gefirmt. Er war verheiratet und arbeitete als Landwirt auf dem Gut eines gewissen Bryndza in Woroblin. Lewoniuk war ein sehr sanftmütiger Mensch, genoss bei der Bevölkerung einen guten Ruf und war tiefgläubig. Er war der Erste, der sein Leben zur Verteidigung der Kirche hingab. Als ihm zu Ohren kam, dass Soldaten kommen und die Bewohner von Pratulin zur Übergabe ihrer katholischen Ortskirche zwingen würden, beeilte er sich gemeinsam mit anderen Personen zu verhindern, dass auch das letzte Bollwerk ihres Glaubens in die Hände der Orthodoxen fiel. Durch einen Schuss verletzt, wurde er noch von einem Stein am Kopf getroffen, den ein Soldat auf ihn schleuderte. Er starb am 24. Januar 1874 im Alter von 25 Jahren und hinterließ seine Frau Marianne.

DANIEL KARMASZ (1826-1874) wurde am 22. Dezember 1826 als Sohn von Kondras Karmaszuk und Anastasia Hrycuniak im Dorf Łęgi geboren und am darauffolgenden Tag auf den Namen Daniel getauft und gefirmt. Als Vorsitzender der Pfarrgemeinde stellte er sich bei der Verteidigung der Kirche mit dem Kreuz, das heute noch in der Kirche von Pratulin aufbewahrt wird, an die Spitze der Bewohner. Er war Landwirt, verheiratet und ein vorbildlicher Familienvater. Am 24. Januar 1874 wurde er im Alter von 48 Jahren in Pratulin ermordet. Die Menschen hoben seine Leiche auf, zeigten sie den Russen und schrien: „Ihr habt ihn hingerichtet, also behaltet ihn und fresst ihn auf!“

LUKAS BOJKO (1852-1874) wurde am 29. Oktober 1852 im Dorf Zaczopki als Sohn von Dimitri Bojko und Anastasia Wojda geboren und noch am gleichen Tag nach dem griechisch-katholischen Ritus auf dem Namen Lukas getauft und gefirmt. Seine Eltern sorgten für eine religiöse Erziehung. Er war ledig, arbeitete als Landwirt und wurde von allen als ehrlicher und gläubiger Mensch geschätzt. Als er während des Kampfes am 24. Januar 1874 die Kirchenglocke läutete, wurde er ermordet. Bojko war 21 Jahre alt.

BARTHOLOMÄUS OSYPIUK (1843-1874) wurde am 3. September 1843 in Bohuka als Sohn von Wasyl Osypiuk und Marta Kondrasiuk geboren. Bei der Taufe, bei der er gleichzeitig gefirmt wurde, erhielt er den Namen Bartholomäus. Er war mit einer gewissen Natalia verheiratet, hatte zwei Kinder und war bei allen Dorfbewohnern wegen seiner Ehrlichkeit geachtet. Am 24. Januar 1874 schwer verwundet, wurde er nach Hause gebracht, wo er im Alter von 30 Jahren verstarb. Sterbend betete er noch für seine Verfolger.

ONOPHRIUS MASYLUK (1853-1874) wurde am 20. April 1853 in Zaczopki geboren. Er war Landwirt und bestach durch seine Ehrlichkeit und seinen Glauben. Wie die andern widersetzte auch er sich der Übergabe der Kirche an den Popen, denn „die Übergabe der Kirche an die Orthodoxen wurde als eine Art Abschwörung dem wahren Glauben gegenüber betrachtet und von den Unierten daher beharrlich bekämpft.“ Wasyluk wurde am 24. Januar 1874 in der Nähe des Glockenturms getötet und hinterließ seine Frau Cäcilia.

PHILIPP GERYLUK (1830-1874), Sohn von Wasil Kiryluk und Dominika Koroluk, wurde am 26. November 1830 in Zaczopki geboren. Bei der Taufe, bei der er gleichzeitig auch gefirmt wurde, erhielt er den Namen Philipp. Er war Landwirt und ein guter Familienvater. Im Kampf um die Kirche ermunterte er die anderen zum Durchhalten und gab schließlich selbst sein Leben für den Glauben hin. Er wurde am 24. Januar 1874 im Alter von 44 Jahren ermordet.

KONSTANTIN BOJKO (1825-1874) wurde am 25. August 1825 als Sohn von Roman und Ghwedora Kononiuk in Derło geboren. Bei der Taufe und gleichzeitigen Firmung erhielt er den Namen Konstantin. Er war ein armer Bauer, verheiratet und wegen seiner Ehrlichkeit geachtet. Er starb am 24. Januar 1874 an einer schweren Kopfwunde und hinterließ seine Frau Irene und sieben Kinder.

ANICETUS NIKEPHOROS HRYCIUK (1855-1874), Sohn der Bauersleute Josef und Juliana, wurde 1855 in Zaczopki geboren. Anlässlich seiner Taufe und gleichzeitigen Firmung erhielt er den Namen Anicetus. Er war ein guter Junge, fromm und wurde in der Liebe zur Kirche erzogen. Als er das Haus verließ, um den Verteidigern der Kirche von Pratulin das Essen zu bringen, sagte er zu seiner Mutter: „Vielleicht werde auch ich würdig sein, mein Leben für den Glauben hinzugeben.“ Er wurde am 24. Januar 1824 im Alter von 19 Jahren bei der Kirche getötet.

IGNATIUS FRANCZUK (1824-1874), Sohn von Daniel und Acaia, wurde 1824 in Derło geboren. Bei der Taufe und Firmung erhielt er den Namen Ignaz. Er war mit Helena verheiratet und hatte sieben Kinder. Die Treue zu Gott stand bei ihm an oberster Stelle. „Während er sich darauf vorbereitete, nach Pratulin zu gehen, um die Kirche zu verteidigen, ersuchte er seine Frau, ihm saubere Wäsche mitzugeben – für den Fall, dass er nicht mehr zurückkomme.“ Nach dem Tod von Daniel Karmasz nahm er das Kreuz und stellte sich in die erste Reihe der Verteidiger. Er wurde am 24. Januar 1874 im Alter von 50 Jahren getötet. „Er lag an der Kirchenmauer. Als er fiel, stieß er so unglücklich gegen die Mauerkante, dass ihm die Kopfhaut weggerissen wurde.“

JOHANNES ANDRZEJUK (1848-1874), Sohn von Stefan und Johanna Tomaszuk, wurde am 9. April 1848 in Drelów geboren. Er war verheiratet mit Marina und hatte zwei Kinder. Alle schätzten ihn als einen guten und klugen Mann. Als er sich zur Verteidigung der Kirche nach Pratulin aufmachte, verabschiedete er sich von allen mit den Worten, dass dies vielleicht der letzte Abschied sei. Schwer verwundet wurde er am 24. Januar 1874 nach Hause gebracht, wo er verstarb.

KONSTANTIN ŁUKASZUK (1829-1874), Sohn von Fadaj und Franca, wurde 1829 geboren. Anlässlich der Taufe und Firmung erhielt er den Namen Konstantin. Er war Bauer und verheiratet. Bei der Verteidigung der Kirche wurde er am 24. Januar 1874 tödlich verwundet.

MAXIMUS HAWRYLUK (1840-1874), Sohn von Paul und Barbara Wasyluk, wurde am 2. Mai 1840 in Bohukały geboren. Bei der Taufe und Firmung erhielt er den Namen Maximus. Verheiratet mit Dominika, wurde er von den Leuten als guter und ehrlicher Mensch geschätzt. Beim Kampf um die Kirche am 24. Januar 1874 schwer verwundet, starb er drei Tage später in Derło.

MICHAEL WWAWRYSZUK (1853-1874), Sohn von Mikita und Agnes, wurde 1853 in Derło geboren. Bei der Taufe und Firmung erhielt er den Namen Michael. Er war auf dem Landgut von Paul Pikula beschäftigt und wurde für seine Arbeit sehr geschätzt. Bei der Verteidigung der Kirche am 24. Januar 1874 schwer verwundet, starb er einen Tag später zu Hause.

Zunächst von russischen Soldaten begraben, wurden die sterblichen Überreste der 13 Märtyrer am 18. Mai 1990 in die Pfarrkirche von Pratulin, Ukraine, überführt.

Am 6. Oktober 1996 wurden Vinzenz Lewoniuk und seine 12 Gefährten von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1996 – 2000. Innsbruck: Resch, 2010 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 4). XIII, 376 S., 86 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-088-9, Ln, EUR 39.90 [D], 40.98 [A]

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