Andreas Resch: Ursula Ledóchowska, Julia Maria

URSULA LEDÓCHOWSKA
(JULIA MARIA)
(1865-1939)

GRÜNDERIN DER KONGREGATION
DER URSULINEN

VOM HERZEN JESU
IN AGONIE

Selig: 20. Juni 1983
Heilig: 18. Mai 2003
Fest: 29. Mai

URSULA LEDÓCHOWSKA (Julia Maria) wurde am 17. April 1865 in Loosdorf, Diözese St. Pölten, Österreich, als Tochter des polnischen Grafen Anton Ledóchowski und der aus der Schweiz stammenden österreichischen Gräfin Josephine Salis-Zizers geboren. Bei der Taufe erhielt sie den Namen Julia Maria. Nach der Grundausbildung im Schoß der Familie setzte sie ihre Studien zwischen 1875 und 1880 am Institut der seligen Jungfrau Maria (Englische Fräulein) in St. Pölten fort, wo sich die Familie 1874 niedergelassen hatte. Dort zeichnete sie sich durch Intelligenz, Eifer und Verhalten in einer Weise aus, dass ihr Name in das „Goldene Buch“ der Schule Eingang fand. Nach Rückkehr der Familie in die Heimat 1883 setzte Julia ihre Studien in Polen fort. Die Familie lebte fortan auf dem vom Vater erworbenen Landgut Lipnica Murowana in der Nähe von Krakau.

1885 wurde die Region von einer Pockenepidemie heimgesucht, bei der Julias Vater und ihre Schwester Maria Theresa angesteckt wurden. Der Vater überstand die schwere Krankheit nicht. Auf dem Sterbebett verlangte er nach dem spirituellen Beistand seiner geliebten Tochter. Bei dieser Gelegenheit ersuchte ihn Julia um die Erlaubnis, ins Kloster gehen zu dürfen, was ihr von Herzen gewährt wurde. Nachdem sie auch den Widerstand der Mutter und der Anverwandten überwunden hatte, trat sie am 18. August 1886 bei den Ursulinen in Krakau ein, wo sie am 17. April 1887 das Noviziat begann und den Namen Maria Ursula erhielt. Nach Ablegen der feierlichen Ordensgelübde am 28. April 1889 wurde sie als Lehrerin und Erzieherin für die Schule und das Pensionat bestimmt, die beide dem Konvent angeschlossen waren. Dabei beschränkte sie sich nicht allein auf den Unterricht, sondern bemühte sich auch, die Mädchen einzeln zu begleiten. Sie unterbrach ihre Tätigkeit lediglich während des Schuljahres 1896/97, um in Orleans, Frankreich, ihr Französisch zu vervollkommnen, wo sie in nur einem Jahr das Diplom schaffte.

Am 2. Juli 1904 wurde M. Ursula zur Oberin des Klosters von Krakau ernannt und gründete 1906 das erste katholische Pensionat für Universitätsstudentinnen in Polen. 1907 machte sich Ursula Ledóchowska mit der gleichen Absicht nach Petersburg auf. Sie reiste in bürgerlichem Gewand, weil religiö­se Institute in Russland damals verboten waren. In Petersburg nahm sie sich nicht nur der Studentinnen, sondern auch der Erwachsenen an und rief eine Marianische Kongregation ins Leben. Nachdem sie feststellen musste, dass in der Stadt ein ungesundes Klima herrschte, erwarb sie bei Sortavala am Finni­schen Golf ein Grundstück, wo sie nach dem Vorbild modernster englischer Kollegien einen Gebäudekomplex errichten ließ, in dem sie 1910 ein Zweigin­stitut eröffnete.

Inzwischen war der Druck der russischen Behörden immer größer gewor­den und die Verbindungen mit Krakau gestalteten sich zunehmend schwieri­ger. Um vor Ort bleiben zu können, ersuchte Ursula Papst Pius X. um Entbin­dung von ihren Gelübden und ließ sich gleichzeitig eine offizielle Erklärung aushändigen, in der festgehalten war, dass sie keine Ordensschwester sei und auch nicht als solche bezeichnet werden könne. Dies galt natürlich nur zum Schein vor den Behörden. Ursula ernannte eine Mitschwester, die an ihrer Stelle das Institut leiten sollte, und zog sich nach Merentäthi (Stella Maris), dem so benann­ten neuen Haus in Finnland, zurück. Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Jah­re 1914 wurde sie von der russischen Regierung endgültig aus russischem Territorium und damit auch aus Finnland ausgewiesen.

Während ungefähr 20 Schwestern in Petersburg verblieben, ging Ursula nach Stockholm. Um ihren Lebensunterhalt zu sichern, gab sie Französisch-Unterricht und widmete sich gleichzeitig dem Studium der schwedischen Sprache. Dies tat sie mit solchem Eifer, dass sie bereits 1915 in der Lage war, in Djursholm bei Stockholm ein Institut für mo­derne Sprachen zu errichten, um, den jungen Schwedinnen zu helfen.
In dieser Zeit folgte Ursula der Einladung des berühmten polnischen Schriftstellers Heinrich Senkiewicz zur Unterstützung der vom Krieg schwer getroffenen polnischen Bevölkerung. Sie bereiste die skandinavischen Länder, hielt Vorträge über die Lage in Polen und sammelte dabei Spenden für die Kriegsop­fer. Schließlich lernte sie noch Dänisch und Norwegisch. In Voraussicht der Entwicklung der politischen Situation rief sie schließlich alle in Russland arbeitenden Schwestern zurück.

1920 kam Ursula mit etwa 40 Schwestern und 40 Waisen wieder nach Polen, in der Hoffnung, dass die Schwestern, die sich ihr in Russland und Skandinavien angeschlossen hatten, dem Kloster in Krakau zugeschrieben würden, wenngleich sie in verschiedenen Häusern unter jeweils eigenen Oberinnen wohnen sollten, um sich weiter der Waisen­kinder annehmen zu können. Diese Idee wurde jedoch vom Generalrat der Union der autonomen Häuser der Ursulinen in Polen nicht gutgeheißen. Der Rat schlug stattdessen vor, die Schwestern von Mutter Ursula auf die anderen Konvente zu verteilen, um sich dort lediglich um die Hausarbeit zu kümmern und noch dazu ohne ein Recht darauf, die Klausur und das Refektorium zu betreten, außer bei großen Festlichkeiten. Bei diesem Vorschlag ging man in keinster Weise auf die Kinder ein, für die Mutter Ursula bereits große Verantwortung trug.

In dieser Situation blieb ihr keine andere Wahl, als sich an den Hl. Stuhl zu wenden. Am 31. Mai 1920 wurde Ursula von Papst Benedikt XV. empfangen, der sie jedoch aufgrund einseitiger und lückenhafter Informationen bedauerlicherweise reichlich kühl empfing. Nachdem er ihren Bericht gehört hatte, brachte er zum Ausdruck, dass es gut wäre, wenn sie in ihr Kloster zurückkehrte, wobei er ihr zu verstehen gab, dass es sich für eine Ordensfrau nicht gezieme, in der Welt herumzureisen. Für Ursula war dies ein schwerer Schlag, der sich bei ihr auch physisch auswirkte. Sie bekam eine heftige Fieberattacke und wurde von ihrer Schwester, der Seligen Maria Theresia Ledóchowska, im Generalatshaus der von ihr gegründeten Gemeinschaft in der Via dell’Olmata 16 gepflegt.

Nachdem Benedikt XV. über den wahren Sachverhalt aufgeklärt worden war, gewährte er Ursula alles, worum sie gebeten hatte. Mittels eines Dekrets des Hl. Stuhls vom 7. Juli 1920 wurde sie ermächtigt, ihr autonomes Kloster in eine religiöse Kongregation umzuwandeln. Dies war die Geburtsstunde der Kongregation der Ursulinen vom Herzen Jesu in Agonie, die sich um die Erziehung minderbemittelter junger Mädchen, um Arme, Alte und Kinder kümmern sollte.

Nach Polen zurückgekehrt, erwarb Ursula durch die Schenkung von 20.000 Schwedenkronen des norwegischen Konsuls Stolt-Nielson ein Landgut in Pnie­wy bei Posen, wohin sie die Schwestern und Waisen umsiedelte. Das Haus be­nannte sie nach dem heiligen Norwegerkönig „Sankt Olav“. Die Zahl der Schwestern wuchs weiter an und so bildeten sich viele kleine Gemeinschaften.

Als Msgr. Achille Ratti noch Nuntius in Polen war, teilte er Ursula eines Ta­ges mit, dass er zwar nur ein armer Bischof sei, aber gerne alles in seiner Macht Stehende für sie tun werde. Nach seiner Wahl zum Papst erinnerte er sich an Ledóchowska, die er als die vielleicht intelligenteste Frau bezeichnete, die ihm je begegnet war. Er lud sie nach Rom ein, um ihr dort die Leitung eines Pensio­nats für Studentinnen zu übertragen. Ebenso kümmerte er sich persönlich um die endgültige kanonische Anerkennung der Kongregation, die 1930 erfolgen sollte.

Um in der Gesellschaft den Sinn für das Religiöse zu wecken, nahm Ursula nicht nur an diversen religiösen, pädagogischen und sozialen Initiativen zur Förderung des Menschen teil, sondern bediente sich auch der damals neuesten Kommunikationsmittel wie Rundfunk und Presse und hielt bei ver­schiedenen Tagungen und Kongressen selbst Vorträge. Für die Kinder und Jugendlichen gründete sie zwei Zeitschriften, in denen sie mehrere Beiträge veröffentlichte, und schrieb zudem auch einige Bücher für sie. In diesem Zusammenhang brachte sie 1925 den „Eucharistischen Kreuz­zug“ der Kinder nach Polen, der 1939 an die 200.000 Mitglieder zählte.

Von ihren Schriften seien zumindest genannt: Meditationen für Schwestern (1930/31, 4 Bde.), Meditationen für Superiorinnen (1932), Monat­liche Einkehr (1933), Im Licht von Stella maris (o. J.). Ursula begegnete allen mit einem offenen und gütigen Lächeln, das sie selbst unter den Schmerzen einer Darmkrebserkrankung nicht verlor, der sie am 29. Mai 1939 im Generalatshaus der Kongregation in Rom erlag, wohin sie, in Vorausahnung des Zweiten Weltkrieges, die Oberinnen berufen hatte, um ihnen letzte Weisungen zu erteilen.

Die sterblichen Überreste wurden auf dem Friedhof Verano in Rom beige­setzt, am 22. April 1959 in das Generalatshaus in der Via del Casaletto 557 gebracht und von dort dann im Mai 1989 in das Mutterhaus der Kongregation in Polen, ul. bł. Urszuli Ledochówskiej, 1, skrytka pocz. 20, 62-045 Pniewy (Szamotuly) überführt. Bei der zu diesem Anlass erfolgten Identifizierung des Leichnams wurde dieser völlig unversehrt vorgefunden.

Am 20. Juni 1983 wurde Ursula Ledóchowska von Papst Johannes Paul II. in Posen, Polen, seliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1979 – 1985. Innsbruck: Resch, 2000 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 1). XII, 248 S., 56 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-070-0, Ln, EUR 24.60 [D], 25.44 [A]

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