Andreas Resch: Titus Brandsma


TITUS BRANDSMA

Anno Sjoerd
(1881-1942)

PROFESSPRIESTER
DES ORDENS
DER BRÜDER DER
SELIGEN JUNGFRAU MARIA VOM BERGE KARMEL
(KARMELITEN)

HOLLÄNDISCHER MÄRTYRER

Heilig: 15. Mai 2022
Fest: 26. Juli

TITUS BRANDSMA wurde am 23. Februar 1881 auf dem Landgut Ugoklooster bei Bolsward, Gemeinde Wonseradeel, in der niederländischen Provinz Friesland, damals Erzdiözese Utrecht, heute Diözese Groningen, geboren. Er war das fünfte von sechs Kindern wohlhabender Eltern, die sich mit Viehzucht beschäftigten. Fünf der sechs Kinder folgten dem Ruf zu einem geweihten Leben. Er wurde noch am Tag der Geburt auf den Namen Anno Sjoerd getauft. Die Eltern waren überzeugte Katholiken und sehr angesehene Bürger ihrer Gemeinde, die über 20% Katholiken verfügte — ein bemerkenswerter Prozentsatz, zumal diese in ganz Friesland damals nicht mehr als 5% ausmachten. Sie bildeten eine eifrige, jedoch geschlossene Gemeinschaft, die mit den Mitgliedern anderer Konfessionen praktisch keinen Kontakt hatten. Anno bewegte sich vor allem innerhalb der Familie und hatte wenig Verbindung zu anderen Kindern und Familien. Andererseits war er ein sehr intelligenter Junge mit vielen Interessen, aber kränklich, was er das ganze Leben lang blieb.

Er besuchte die katholische Schule seiner Heimatgemeinde. Am 4. Mai 1892 empfing er die Erstkommunion. Schon damals zeigte sich bei ihm die Berufung zum Ordensleben. So begann er im September 1892 mit den Gymnasialstudien bei den Franziskanern in Megen im nördlichen Brabant. In den sechs Jahren, die er dort verbrachte, verspürte er den Ruf zum Ordensleben immer stärker, und er trug sich mit dem Gedanken, bei den Franziskanern einzutreten, wovon ihm allerdings aufgrund seiner allzu anfälligen Gesundheit abgeraten wurde. Er wandte sich daher — auch angezogen von der Marienverehrung und vom Wunsch zu einem kontemplativen Leben — an den Karmelitenorden. Nach Abschluss des Gymnasiums trat er am 17. September 1898 in das Noviziat der Karmeliten in Boxmeer ein und erhielt den Namen Titus.

Nach Beendigung des Noviziats legte er am 3. Oktober 1899 die Profess ab. Nach dem damals vorgeschriebenen neuen Noviziat begann Titus in Boxmeer Philosophie zu studieren, wobei er sich gleichzeitig mit großem Interesse mit den Traditionen des Karmel befasste. 1901 übersetzte und veröffentlichte er noch als Kleriker eine Anthologie der Werke der hl. Theresia von Avila. Im gleichen Jahr wurde er im Anschluss an eine Magenblutung schwer krank.

1902 begann er im Studentat von Zenderen mit dem Theologiestudium, das er dann im Konvent von Oss fortsetzte. Am 17. Juni 1905 zum Priester geweiht, beendete er dort sein viertes Theologiejahr. 1906 wurde er zur Fortsetzung seiner Philosophiestudien an die Gregoriana nach Rom geschickt, wo er auch Kurse in Soziologie belegte. Auf diese Zeit gehen einige Artikel zur sozialen Frage für das Katholiek Sociaal Weekblad zurück. Eine neuerliche Blutung im November 1908 brachte ihn an den Rand des Todes. Am 25. Oktober 1909 promovierte er in Philosophie.

Wieder in der Heimat wurde P. Brandsma im Konvent von Oss zum Professor für Philosophie ernannt, wo er auch ein intensives Apostolat ausübte. Er unterrichtete bis 1923. Von 1912 bis 1915 war er auch Provinzialdefinitor. Gleichnach seiner Rückkehr nach Holland trieb er die Gründung der marianischen Monatszeitschrift Carmelrozen voran, die im Jahre 1912 12.000 Abonnenten zählte. 1917 machte er sich gemeinsam mit drei Mitbrüdern an die Übersetzung des Gesamtwerkes der hl. Theresia von Avila in das Holländische. Am 1. Mai 1919 wurde er Chefredakteur der Lokalzeitung De Stad Oss, was sich für verschiedene Initiativen, wie die Gründung einer Stadtbibliothek im Jahre 1921, die Errichtung einer Herz Jesu-Statue auf dem öffentlichen Platz und die Abhaltung einer großen Missionswoche in derselben Stadt als sehr nützlich erwies.

Sein beständiger Wunsch, in die Auslandsmission zu gehen, ließ sich aufgrund seiner schwächlichen Gesundheit nicht in die Tat umsetzen. Stattdessen betätigte er sich erfolgreich im Schulbereich und arbeitete an der Gründung der Handelsschule von Oss mit, die 1923 in ein wissenschaftliches Lyzeum umgewandelt wurde. Im selben Jahr eröffnete er ein klassisches Lyzeum in Oldenzaal. Zur Förderung der katholischen Schulen gründete er 1925 die Union der Direktionen katholischer Mittelschulen, deren Präsident er auch während der deutschen Okkupation war.

Von 1917 an dehnte P. Brandsma seine Aktivitäten auch auf die Bewegung zum Schutz der friesischen Sprache und Kultur aus. Dank seiner Bemühungen wurden an den holländischen Universitäten Lehrstühle für friesische Sprache und Kultur errichtet und die Sprache als Unterrichtsfach an den Grundschulen eingeführt. Auf diesem Wege erwarb sich P. Brandsma im friesischen Kulturbereich große Wertschätzung, die auch mithalf, die vielen Vorurteile gegen den Katholizismus abzubauen.

Am 27. Juni 1923 wurde Titus Brandsma zum Ordinarius für Naturphilosophie, Theodizee und Geschichte der Gegenwartsphilosophie sowie für Philosophiegeschichte und Geschichte der Mystik an der im selben Jahr errichteten Katholischen Universität in Nimwegen ernannt, wo er das Institut für holländische Mystik einrichten ließ, das mehr als 17.000 Fotokopien mittelalterlicher Handschriften sammelte. Er war einer der Gründer und Mitarbeiter der Zeitschrift Ons Geestelijk Erf (Unser spirituelles Erbe) und organisierte drei Kongresse zum Studium der holländischen Spiritualität. In den Jahren 1932/33 war er Rector Magnificus. In dieser Zeit unternahm er eine offizielle Reise nach Mailand und Rom. Drei Jahre lang publizierte er im De Gelderlander wöchentlich Beiträge über die großen spirituellen Gestalten der Nation. Er führte auch eine Untersuchung zu Therese Neumann und anderen Stigmatisierten durch.

Gleichzeitig bemühte sich Brandsma um die Wiedervereinigung der Kirchen, vor allem der östlichen, und fungierte von 1926 an als Vizepräsident des Exekutivkomitees der Union. Natürlich fehlte es aber auch nicht an Kritik zu seiner Arbeit. Man munkelte, er mute sich zu viel zu, sei seinen Pflichten als Professor nur mangelhaft nachgekommen, habe als Professor für Philosophie zu wenig publiziert, und seine Finanzgebarung sei fachlich nicht ausgereift.

Was den Karmelitenorden betrifft, so trug er zur Gründung des Klosters in Mainz und einer Schule in Indonesien bei. In Nimwegen erbaute er einen neuen Konvent und übernahm die Betreuung einer großen Pfarrei. Im Bereich der holländischen Kirche war er Schriftleiter und Zensor der Niederländischen Katholischen Enzyklopädie, und 1935 ernannte ihn der Erzbischof von Utrecht zum geistlichen Assistenten der Union katholischer Journalisten. In diesem Jahr begab er sich nach Irland und in die Vereinigten Staaten, wo er eine Reihe von Vorträgen über monastische und christliche Spiritualität hielt und durch seine umfassende kulturelle Bildung beeindruckte.

Inzwischen hatte sich die politische Welt in Europa verändert. Im Osten, in Russland, hatte der Kommunismus die Oberhand gewonnen, und im Westen waren zwei politische Bewegungen an die Macht gekommen, die sich an totalitären Ideologien inspirierten: der Faschismus in Italien und der Nationalsozialismus in Deutschland. Holland wurde von der Aggression der nationalsozialistischen Ideologie erdrückt. Die Katholische Kirche mobilisierte all ihre Kräfte, um sich der Unterwanderung durch diese Ideologie zu widersetzen. P. Brandsma, der sich schon von 1934 an in Vorträgen, Artikeln und Universitätslehrgängen gegen die Ideologie der Nationalsozialisten gewandt hatte, hielt 1938/39 an der Universität von Nimwegen Kurse ab, in denen er diese Ideologie als dem Evangelium widersprechend und für unmenschlich und unchristlich erklärte. Nach der Besetzung im Mai 1940 verteidigte er die ihm anvertrauten katholischen Schulen und weigerte sich, jüdische Schüler aus ihnen zu entfernen. Als geistlicher Assistent der Journalisten hielt er jedwede nazistische Propaganda aus katholischen Zeitungen fern. Nach einer neuerlichen Verordnung der Nationalsozialisten schrieb er im Dezember 1941 einen Brief an die Direktoren und Chefredakteure der Zeitungen, in dem er sie aufforderte, diese Art von Propaganda um jeden Preis zu unterlassen, und wurde – um dies zu untermauern – auch persönlich vorstellig.
Am 19. Januar 1942 wurde P. Brandsma von der Gestapo verhaftet und in das Gefängnis nach Scheveningen gebracht, wo er die Haltung der Kirche weiterhin verteidigte und dies auch schriftlich darlegte. Während der Haft schrieb er ein Tagebuch und ein Leben der hl. Theresia von Avila. Im März /April 1942 wurde er im Konzentrationslager von Amersfoort interniert. Nach Gefängnisaufenthalten in Scheveningen und Cleve kam er am 19. Juni 1942 in das Lager von Dachau, wo er zu Zwangsarbeit verurteilt und des öfteren schwer misshandelt wurde.

Nach einem Monat war er durch Krankheit und Hunger vollkommen erschöpft. Nach Aufnahme in das dortige Lagerspital wurde er am 26. Juli 1942 durch Verabreichung einer Carbolsäure-Spritze ermordet und in der Folge eingeäschert.

Am 3. November 1985 wurde Titus Brandsma von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen und am 15. Mai 2022 von Papst Franziskus heiliggesprochen.