Andreas Resch: Thomas Reggio


THOMAS REGGIO
(1818-1901)

ERZBISCHOF UND GRÜNDER
DER KONGREGATION DER SCHWESTERN
DER HL. MARTHA

Selig: 3. September 2000
Fest: 22. November

THOMAS REGGIO wurde am 9. Januar 1818 als erstes Kind des Marchese Giovangiacomo Reggio und der Angela Pareto in Genua geboren und erhielt bei der Taufe den Namen Thomas. Nach einer unbeschwerten Kindheit mit einer soliden christlichen und kulturellen Erziehung stand ihm eine glänzende und sichere Karriere bevor, doch beschloss er 1838 im Alter von 20 Jahren, nach Erlangung des Bakkalaureats in Rechtswissenschaften an der Universität, Priester zu werden. Er wechselte an die Theologische Fakultät und schrieb sich gleichzeitig in das Seminar ein mit der Bemerkung: „Ich will um jeden Preis heilig werden und stelle mein Leben auf zwei sichere Fundamente: Gebet und Askese.“ Es handelte sich bei ihm um eine Spätberufung, zumal man damals bereits in sehr jungen Jahren in das Seminar eintrat. Reggio besuchte das Seminar von Genua als Externer und wurde am 18. April 1841 zum Priester geweiht.

Nach dem Doktorat in Theologie wurde er unmittelbar darauf zum Dozenten für Moraltheologie an den Seminaren von Genua und Chiavari bestimmt. Nachdem er zunächst bei dem Priester Josef Frassinetti, dem Meister des Klerus von Genua, in die Lehre ging, wurde Reggio nach einer Zeit des Apostolats unter den Missionaren auf dem Lande, zu dem er sich wenige Wochen nach der Priesterweihe gemeldet hatte, und nach seiner Tätigkeit bei der Priestervereinigung „Operai evangelici“ von Genua 1843 mit nur 25 Jahren zum Vizerektor des Seminars von Genua ernannt und in den „politisch heißen“ Jahren von 1845 bis 1851 zum Rektor des Seminars von Chiavari, das damals noch Genua einverleibt war und erst 1892 zur Diözese erhoben wurde.

Die neue Ausrichtung, die Reggio dem Seminar gab, machte einen revolutionären Eindruck. Er wollte, dass die jungen Männer, die künftigen Priester, frei seien, fähig zu mutigen Entscheidungen und bereit, ohne Zögern ihr Leben für Gott und die Kirche aufs Spiel zu setzen. Gerade während seiner Zeit als Seminarleiter rief er 1848 gemeinsam mit Gaetano Alimonda, dem späteren Bischof von Turin und Kardinal, die Tageszeitung L’Armonia ins Leben, die 1849 nach Turin verlegt und Don Giacomo Margotti anvertraut wurde. 1850 entstand Il Cattolico mit Alimonda als erstem Schriftleiter, gefolgt von Reggio.

1851 wurde Reggio zum Abt von Santa Maria di Carignano in Genua ernannt. In den 25 Jahren, die er dort verbrachte (1851-1877), konzentrierte sich sein seelsorgliches Wirken vor allem auf den Bereich der Presse, die damals noch am Anfang stand. Als Journalist, der es gewohnt war, über die Grenzen der Chronik als Selbstzweck hinauszugehen, versuchte er Informationen zu vermitteln, die eine klare, unverfälschte und von der erlebten Geschichte entzauberte Lektüre ermöglichten. Die Verteidigung des Glaubens und der authentischen Prinzipien des Christentums erfolgte in seiner Zeitschrift jedoch nie auf Kosten der Wahrheit und der Freiheit. 1861 wurde Il Cattolico nach dem Willen von Reggio zum Stendardo cattolico, der eine große Verbreitung hatte und bis 1873 fortbestand, als Il Cittadino, die katholische Zeitschrift Genuas, entstand, welche 1971 eingestellt wurde. Reggio arbeitete auch bei der 1863 gegründeten Zeitschrift Annali cattolici mit.

1865 leitete der Stendardo cattolico die Wahlkampagne und zog 25 andere Zeitungen mit sich, die für die katholischen Listen warben und vom Entstehen einer katholischen Partei „träumten“. Das Vorhaben war zu kühn. Als 1874 das „non expedit“ Pius’ IX. den Katholiken jegliche Teilnahme am politischen Leben untersagte, war Reggio klar, dass seine Zeitung keine Zukunft hatte. Also stellte er sie ein und er tat dies, ohne zu klagen, einzig darauf bedacht, im Einklang mit Papst und Kirche zu stehen. Keinerlei Vorhaltungen oder kritische Äußerungen, doch wenn er gefragt wurde, brachte er seine Meinung dem Heiligen Stuhl gegenüber ganz klar zum Ausdruck. Erst später, unter Benedikt XV., wurde dieses Verbot von der Praxis überholt.

1877 wurde Reggio zum Weihbischof des vom Alter gebeugten Bischofs von Ventimiglia ernannt, dem er kurz darauf nachfolgte. „Eine sterile, arme Diözese in den Bergen“, wie er sie selbst bezeichnete und die er mehr als einmal vom einen bis zum andern Ende durchwanderte. Er war ein weitsichtiger und leidenschaftlicher Bischof, allein von dem Gedanken beseelt, das Wort Christi in dieses Land der Bauern und Bergbewohner zu bringen.

In den 15 Jahren seines Episkopats kam es in der Diözese zu einer Umstrukturierung. Es war dies die Frucht eines klugen Unterfangens, aber auch einer ausgeklügelten Fähigkeit zur Vertiefung und Analyse der Probleme. Neue Pfarreien wurden errichtet, in der Liturgie wurde der Gesang gepflegt und aufgewertet, man kümmerte sich um die Erhaltung des künstlerischen Erbes der Kirchen und erarbeitete geeignete Ausbildungsprogramme für sämtliche Bevölkerungsschichten.

Am 15. Oktober 1878 gründete Reggio die Kongregation der Schwestern der hl. Martha (Abb.) mit dem Zweck, „auf die jeweiligen Bedürfnisse der Zeit zu antworten“, „sich ganz zum Wohl der Notleidenden einzusetzen“ und „die Ärmsten unter den Armen“ zu sammeln wie Martha, „die das Glück hatte, Jesus mit ihrer Hände einfacher Arbeit zu dienen“, und zwar so, dass jede Geste in erster Linie der Tiefe des Herzens entsprang. Die Schwestern der hl. Martha arbeiten heute in Italien, Chile, im Libanon, in Argentinien, Brasilien und Indien.

Als 1887 ein Erdbeben das westliche Ligurien erschütterte, war der Platz des Bischofs, ungeachtet seines Alters, sofort dort zwischen Schutt und Trümmern. Seine allergrößte Sorge galt den Waisenkindern, die das Erbeben zuhauf hervorgebracht hatte. Einige wurden in schon bestehenden Einrichtungen untergebracht, andere fanden Aufnahme bei den Schwestern der hl. Martha, die „zusammenrückten“, um ihnen Platz zu geben. Für die Waisen gründete Reggio in Ventimiglia ein Waisenhaus und die Schwestern mussten für sie sorgen, wenngleich der Bischof immer anwesend war. Für die Waisen von San Remo entstand das Haus der Barmherzigkeit. Entsprechend ausgebildet und zu einem selbständigen Leben erzogen, fanden sie bei den Handwerkern die Möglichkeit, eine Arbeit zu erlernen und etwas Geld zu verdienen, das zum Teil für die Phase des „Flüggewerdens“ verwendet wurde.

1882 schrieb Reggio an Papst Leo XIII. und bat, ihn von seinem Amt zu entbinden, indem er seiner Sorge Ausdruck gab, dass „wenn der Bischof aufgrund seines Alters langsamer wird, auch die gesamte Diözese einschläft“. Die Antwort des Heiligen Vaters war erstaunlich: Im Mai 1892 ernannte er Reggio zum Erzbischof von Genua, in der Hoffnung, dass es ihm bei seinen großen menschlichen und spirituellen Qualitäten gelänge, der Diözese eine Zeit der Ruhe und der Zusammenarbeit zwischen Kirche und Zivilgesellschaft zu verschaffen.

Reggio war mittlerweile 74 Jahre alt und seine Aufgabe war wegen der komplexen sozialen Situation der Stadt Genua alles andere als einfach. Die staatlichen Behörden waren feindlich gesinnt, und nahezu jede von Katholiken durchgeführte religiöse oder kulturelle Kundgebung artete in Gegensätze und Spannungen aus. Dem neuen Erzbischof war das alles nicht unbekannt und er nahm sein Amt demütig an, in der Gewissheit, den Willen Gottes zu tun. Schon bald traten an die Stelle steriler Kämpfe und Polemiken Diskussionen unter den verschiedenen Ideologien in Bezug auf die Probleme, die Genua seit langem belasteten. Der Einfluss des Erzbischofs war so maßgeblich, dass innerhalb kurzer Zeit Katholiken wie Laien jede Initiative ihm unterbreiteten.

Dies ermöglichte die Durchführung wichtiger religiöser und gesellschaftlicher Veranstaltungen: Kolumbianische Feste, X. Katholischer Kongress, I. Italienischer Kongress über katholisch-soziale Studien im Oktober 1892; Wiedereinführung der feierlichen und öffentlichen Fronleichnamsprozession, die seit 17 Jahren aufgehoben war; religiöse Feiern der Stadt zum Jubiläumsjahr 1900. Seine 16 an den Klerus und das Volk der Erzdiözese gerichteten Hirtenbriefe zeugen von seiner Aufmerksamkeit für die Probleme des Augenblicks: das Aufkommen des Sozialismus, die Ehemoral, die Notwendigkeit der Rückkehr zu einem authentischen Christentum und der aktive Einsatz der Laien im Apostolat der Kirche. 1892 stimmte er der Aufspaltung der Erzdiözese zum Zwecke der Errichtung der Diözese von Chiavari zu. Im gleichen Jahr berief er eine Kommission von Priestern und Laien ein, um die Reform der Abgrenzung der Pfarrbezirke in Angriff zu nehmen. 1893 beraumte er die Diözesansynode an, begann die Pastoralvisitation und errichtete ein Advokatenkollegium, das von ihm geleitete Amt des Kirchengerichts (dem sich schon bald eine gleichnamige Zeitschrift zugesellte), um die Güter der Kirche gegen den Missbrauch der Aufhebungsgesetze unentgeltlich zu verteidigen. 1895 bildete er eine Expertenkommission für christliche Kunst, 1896 folgte die Gründung der Päpstlichen Juridischen Fakultät und 1897 der Höheren Schule für Religion für Gymnasiasten und Studenten.

Thomas Reggio starb am Nachmittag des 22. November 1901 in Triora bei Imperia, Diözese Ventimiglia, wo er den ligurischen Pilgerzug anzuführen gedachte, der die Statue des Erlösers auf den Berg Saccarello bringen sollte. Er wollte „im Armenwinkel“ auf dem kleinen Friedhof von Triora begraben werden, doch verlangte Genua die Rückkehr seines Erzbischofs zur Abhaltung der ihm gebührenden Totenfeiern. Seine sterblichen Überreste wurden schließlich in der Kapelle der Schwestern der hl. Martha in Genua im Ortsteil Righi beigesetzt.

Am 3. September 2000 wurde Thomas Reggio von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1996 – 2000. Innsbruck: Resch, 2010 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 4). XIII, 376 S., 86 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-088-9, Ln, EUR 39.90 [D], 40.98 [A]

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