Andreas Resch: Theresia von Jesus „de los Andes“

THERESIA VON JESUS
„DE LOS ANDES“
(Johanna Fernández Solar)
(1900-1920)

NOVIZIN
DES ORDENS DER UNBESCHUHTEN KARMELITINNEN

Heilig: 21. März 1993
Fest: 12. April

THERESA VON JESUS „DE LOS ANDES“ (Johanna Fernández Solar) wurde am 13. Juli 1900 als viertes von sechs Kindern der Eheleute Miguel Fernández Jaraquemada und Lucia Solar Armstrong, die gesellschaftlich in hohem Ansehen standen, in Santiago de Chile geboren. Bei der Taufe am darauffolgenden 15. Juli erhielt sie die Namen Juana Enriqueta Josefina de los Sagrados Corazones, wenngleich sie allgemein „Juanita“ gerufen wurde. Eine erste christliche Erziehung wurde ihr durch das Beispiel und die Unterweisung der Eltern, vor allem seitens der Mutter, zuteil. Ihre Kindheit verlebte Juanita ebenso unaufgeregt wie auch andere Mädchen ihrer Zeit. Die Ausdehnung des Grundbesitzes ihres Großvaters mütterlicherseits zeugte nicht nur von den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Familie, sondern auch von deren tief christlicher Wurzel. Juanita bewunderte und liebte ihren Großvater, von ihm übernahm sie nicht nur die christliche Einstellung, sondern auch das Gefühl der Geborgenheit und eine unermessliche Kühnheit.

Nach einem sehr kurzen schulischen Intermezzo bei den Theresienschwestern studierte sie ab 1907 als Externe im Kolleg von Almeda, das von den Schwestern vom Heiligsten Herzen geleitet wurde. Hier empfing sie am 22. Oktober 1909 das Sakrament der Firmung und am 11. September 1910 die Erstkommunion, die sich als fundamentaler Schritt für ihre innere Reife erweisen sollte. Bereits seit dem 6./7. Lebensjahr nämlich fühlte sie sich zu Gott und allem, was mit Ihm zusammenhing, hingezogen, in besonderer Weise zur Jungfrau Maria, wie ihren Schriften zu entnehmen ist:
„Praktisch vom siebten Lebensjahr an wuchs in mir eine tiefe Verehrung zur Allerseligsten Jungfrau… Ich erzählte ihr alles, was mir widerfuhr, und sie sprach zu mir. Ich vernahm ihre Stimme in meinem Innern, ziemlich klar und deutlich. Sie beriet mich und sagte mir, wie ich Unserem Herrn gefallen konnte.“

Diese Liebe zum Herrn wurde immer stärker. „Jesus begann mein Herz für sich einzunehmen“, liest man in ihren Schriften. Ihr erstes Ziel war daher die Einheit mit Christus in der Eucharistie. Angeleitet von ihrer frommen Mutter, verstand sie, dass dies eine Gnade war, die sie sich verdienen und der sie sich mit der Hingabe ihrer ganzen Person öffnen musste. Am 11. September 1910 machte sie beim Empfang des Sakraments die unaussprechliche Erfahrung einer intensiven Zwiesprache mit Gott und seiner heiligsten Mutter, wie sie schreibt:
„Das, was in meiner Seele bezüglich Jesus vorging, lässt sich nicht beschreiben. Unzählige Male bat ich ihn, mich zu nehmen, und hörte zum ersten Mal Seine Stimme.“ Weiters bemerkt sie im Tagebuch: „Jeden Tag wandte ich mich an Jesus und redete lange mit Ihm. Nachdem ich zum ersten Mal die hl. Kommunion empfangen hatte, sprach Unser Herr nach der Kommunion zu mir. Er sagte mir Dinge, die ich nicht erwartete, und auch wenn ich Ihn fragte, sagte Er mir Dinge, die geschehen würden, und so war es.“
Diese Erfahrung führte zu einer völligen Änderung ihres Lebensstils, wie sie schreibt: „Von jenem Tag an hatte die Erde für mich nichts Anziehendes mehr.“

In der Tat formte diese Gotteserfahrung ihr Innenleben. Das Gebet und das Streben nach dem Ewigen waren für sie bereits etwas ganz Natürliches, aufgrund der Erfahrung und der Intelligenz, mit der sie alle Dinge immer betrachtete. Inzwischen musste die Familie einen schweren wirtschaftlichen Einbruch hinnehmen, der zu einer starken Minderung des Wohlstands führte, doch begegnete Juanita diesem Umstand mit großer Gelassenheit.
In den folgenden Jahren wurde das junge Mädchen wiederholt von schweren Krankheiten heimgesucht und am 30. Dezember 1914 am Blinddarm operiert. Bereits in jenem Jahr konnte sie ganz klar den Weg sehen, dem sie als Antwort auf ihre Berufung zu folgen hatte. Christus selbst offenbarte ihr im Gebet Seinen göttlichen Willen, dass sie Karmelitin werden solle und dass ihre Hingabe mit dem Siegel der Heiligkeit verbunden sein werde. Jesus „sprach zu mir und gab mir zu verstehen, wie einsam und verlassen Er im Tabernakel sei. Er bat mich, Ihm Gesellschaft zu leisten. Da gab Er mir die Berufung, dann sagte Er mir, dass Er mein Herz für Sich wolle und dass ich Karmelitin werden solle. Von diesem Augenblick an verbrachte ich den ganzen Tag in inniger Zwiesprache mit Unserem Herrn und war glücklich, allein zu sein.“

Im Alter von 15 Jahren trat Juanita als Interne in das Kolleg der Schwestern vom Heiligsten Herzen ein, wo sie bis 1918 blieb. Nach und nach entfaltete sich, was ihr die künftige Priorin bei der Begegnung mit ihr sagte: dass sie nämlich zur Karmelitin geboren sei.

Solange sie noch in der Welt war, verwirklichte sie das karmelitanische Ideal überall dort, wo sie sich gerade aufhielt: in der Familie wie im Kolleg. Sie vertiefte sich in das Ideal des Theresianischen Karmel durch Lektüre der Werke der hl. Theresia von Jesus, der hl. Theresia vom Kinde Jesu und der seligen Elisabeth von der Dreifaltigkeit. Sie erkannte sich in deren Erfahrungen und nahm sie zum Vorbild. Sie machte sich das Charisma zu eigen, in Ehrfurcht vor Christus zur Nachahmung der Jungfrau Maria und zum Dienst an der Heiligen Kirche zu leben. Ihr Leben in der Welt hatte nur mehr eine einzige Triebfeder: in allem den Willen Gottes zu erfüllen, um sich mit Ihm zu vereinigen.

Die „logische“ Folge dieser Beziehungen war die Weihe ihrer Jungfräulichkeit an Christus, die sie am 8. Dezember 1915 unter dem zustimmenden und mütterlichen Blick der Immakulata vollzog.

Innerlich begann die Gnade immer stärker zu wirken und führte sie auf die mühsamen Pfade der kontemplativen und mystischen Askese. Bekanntlich besteht der kontemplative und mystische Pfad aus Läuterungen und dunklen Nächten, um die Seele zur Reinheit des ganzen Wesens zu führen, die erforderlich ist, damit ein Geschöpf ganzheitlich zur Vereinigung mit der Heiligkeit und Reinheit Gottes gelangen kann, bis hin zur „Verwandlung“ in Ihm aus Liebe.

In ihren Schriften spricht sie oft von jenen dunklen Nächten, gekennzeichnet von Trockenheit, von der Unmöglichkeit einer Liebes- oder Freundschaftsbeziehung, von Verlassenheit, vom Schweigen Gottes, von einem Strudel, der einen an den Abgrund des Nichts zu ziehen scheint, wenn sie schreibt: „…ich leide auf furchtbare Weise. Jesus hat mich verlassen, weil ich untreu bin. Jetzt erhört Er meine Gebete nicht mehr und lässt mich ohne die Gnade, die nötig ist, um über mich selbst zu siegen, so sehr, dass ich verzweifelt bin. Mein Jesus, hab Erbarmen mit mir! Du weißt, dass ich Dich liebe. Mutter mein, hilf mir inmitten dieser Dunkelheit. Nichts. Jesus ist nicht in meiner Seele. Die Jungfrau gibt mir keine Antwort. Jesus, hab Mitleid mit Deiner untreuen Braut. Ich liebe Dich doch! Verlass mich nicht.“

Am 7. Juni 1917 wurde Juanita dem Verein der Töchter Mariens angegliedert und am darauffolgenden 21. Juni machte sie nach Ablegung der Generalbeichte das Gelübde, willentlich keine lässliche Sünde zu begehen.
Nachdem die Berufung zum Karmel gereift war, verließ sie 1918 das Internat, um sich auf das Ordensleben vorzubereiten. Sie verbrachte einige Monate in der Familie, wo sie ein zurückgezogenes Leben führte und sich einem intensiven Apostolat widmete.

Am 7. Mai 1919 trat sie mit Zustimmung der Eltern in das kleine Kloster vom Heiligen Geist in Los Andes ein, ca. 90 km von Santiago entfernt. Am 14. Oktober desselben Jahres nahm sie das Kleid der Karmelitin und begann unter dem Namen Theresia von Jesus das Noviziat.

Schon bald entdeckte die Kommunität einen Vorübergang Gottes in ihrer Geschichte. Im karmelitanisch-theresianischen Lebensstil fand die junge Frau ganz jenen Weg, um den Lebensstrom, den sie der Kirche Christi geben wollte, wirkungsvoller auszudehnen. Es war der Stil, den sie, auf ihre Weise, unter den Ihren gelebt hatte und für den sie geboren war. Der Orden der Jungfrau Maria vom Berge Karmel erfüllte die Wünsche von Juanita, als sie erkannte, dass die Mutter Gottes, die sie schon von klein auf so sehr geliebt, an sich gezogen hatte, damit sie daran teilhaben konnte.

Zudem wusste sie schon lange, dass sie jung sterben würde: der Herr hatte es ihr geoffenbart. Sie selbst sagte es ihrem Beichtvater einen Monat vor dem Tod. Sie nahm diese Wahrheit mit Freude, Gelassenheit und Vertrauen an – in der Sicherheit, dass sie ihre Mission, Gott erkennen und lieben zu lehren, in der Ewigkeit fortsetzen würde. Am 2. April 1920 wurde sie von einer heftigen Typhusattacke befallen. Am 5. April empfing sie mit großer Inbrunst die Sterbesakramente und am 7. April legte sie die Ordensprofess „in articulo mortis“ ab. Es fehlten ihr noch drei Monate bis zur Vollendung des 20. Lebensjahres und sechs Monate, um das kanonische Noviziat zu beenden und die Ordensprofess ablegen zu können. Theresia von Jesus starb am Abend des 12. April 1920 als Novizin der Unbeschuhten Karmelitinnen. Die Begräbnisfeierlichkeiten am 14. April verzeichneten eine hohe Teilnahme der Bevölkerung. Der Leichnam wurde auf dem Friedhof neben dem Karmel beigesetzt. Am 17. Oktober 1940 wurden ihre sterblichen Überreste in das unter dem Chor der Klosterkirche errichtete Grab überführt und werden heute im Heiligtum von Auco-Rinconada de Los Andes in Chile von Tausenden von Pilgern verehrt, die dort Trost, Licht und einen sicheren Weg zu Gott suchen und finden.

Am 3. April 1987 wurde Theresia Maria von Jesus de los Andes in Santiago de Chile von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen und am 21. März 1993 heiliggesprochen.

Die hl. Theresia von Jesus de los Andes ist die erste chilenische Heilige, die erste Heilige der Unbeschuhten Karmelitinnen außerhalb Europas und die vierte mit dem Namen Theresia, nach den gleichnamigen Heiligen von Avila, Florenz und Lisieux.

 

RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Johannes Pauls II. 1982 – 2004. Innsbruck: Resch, 2012 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 5). XIV, 480 S., 109 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-094-0, Ln, EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

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