Andreas Resch: Theresia Grillo verw. Michel


THERESIA GRILLO
verw. MICHEL
(1855-1944)

GRÜNDERIN DER KONGREGATION DER
KLEINEN SCHWESTERN

VON DER GÖTTLICHEN VORSEHUNG

Selig: 24. Mai 1998
Fest: 25. Januar

THERESIA GRILLO verw. MICHEL wurde am 25. September 1855 als fünftes und letztes Kind von Giuseppe Grillo, Primar des Öffentlichen Krankenhauses von Alessandria, und Maria Antonietta Parvopassau, die einer alten, vornehmen alessandrinischen Familie entstammte, in Spinetta Marengo, Provinz Alessandria, Italien, geboren und am darauffolgenden Tag auf den Namen Theresia Magdalena getauft. In ihrer christlich geprägten Familie wurde ihr eine gediegene religiöse und kulturelle Erziehung zuteil. Die Grundschule besuchte sie in Turin, weil ihre Mutter dorthin gezogen war, um das Studium ihres Sohnes Francesco an der Universität zu verfolgen. Nach dem Tod des Vaters 1867 wurde Theresia als Interne im Kolleg der Englischen Fräulein in Lodi untergebracht, wo sie mit 18 Jahren das Diplom machte. In dieser Zeit, genau am 1. Oktober 1867, erhielt sie die Firmung und fünf Jahre später die Erstkommunion.

Nach Abschluss des Kollegs kehrte sie nach Alessandria zurück, wo sie, stets in Begleitung ihrer Mutter, den aristokratischen Familien der Stadt ihre Aufwartung zu machen begann. Bei einer solchen Gelegenheit lernte sie auch ihren zukünftigen Mann kennen, den gebildeten und allseits angesehenen Bersaglieri-Hauptmann Giovanni Michel. Nach der Heirat am 2. August 1877 musste Michel aus Berufsgründen den Wohnort in Süditalien häufig wechseln und wurde dabei stets von seiner Frau begleitet. So lebte das Paar abwechselnd in Caserta, Acireale, Catania, Portici und schließlich in Neapel. Als Michel, mittlerweile zum Oberstleutnant der Bersaglieri befördert, am 13. Juni 1891 während des Defilierens an einem Sonnenstich starb, bekam es Theresia so sehr mit der Angst zu tun, dass sie fast daran verzweifelte.

Ihre geradezu spontane Genesung, die sie nicht zuletzt der Lektüre der Biografie des hl. Josef Benedikt Cottolengo, der Hilfe ihres Cousins, Msgr. Prelli, und einem Besuch des Kleinen Hauses der Göttlichen Vorsehung von Cottolengo in Turin verdankte, führte Theresia klar vor Augen, was sie als ihre künftige Aufgabe betrachten sollte, nämlich sich um die Armen, die Bedürftigen und Ausgestoßenen zu kümmern, vor allem um jene, die in anderen Einrichtungen keine Aufnahme fanden. Was sie letztlich dazu veranlasste, alles aufzugeben, was für sie bis dahin in ihrem Leben wichtig gewesen war, und Gott und die Ärmsten der Armen so sehr zu lieben, dass sie sich selbst und ihren ganzen Besitz für diese „Geringsten“ und „Ausgegrenzten“ hingab, wusste wohl nur sie allein. Theresia setzte die Liebe zum Nächsten im Licht der Liebe Gottes an die erste Stelle. Ja, sie machte sie zum Mittelpunkt ihres Lebens, wobei sie auch die vielen „fast“ unüberwindlichen Schwierigkeiten bewältigte, die nicht so sehr durch das Fehlen materieller Mittel bedingt waren – denn diese waren durch Vermittlung von Senator Borsalino im Übermaß vorhanden – , sondern vielmehr von den Ordensoberen und sogar vom Bischof von Alessandria ausgingen. Ihren Glauben schöpfte sie aus der Aufforderung Christi: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen“ (Mt 16, 24-25). Mehr noch: Theresia wurde von Dem gerufen, der alles vermag, um es uns zu ermöglichen, Seinem Sohn nachzufolgen. Sie verinnerlichte dieses Bild, das ihren Geist weitete, um die Einladung in sich aufzunehmen, die einst in Galiläa ausgesprochen wurde: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25, 40).

Und Theresia Grillo nahm diese Einladung vorbehaltlos an, denn während sie noch über das plötzliche Ableben ihres Mannes trauerte, der sie glücklich gemacht hatte, obwohl ihr die Mutterschaft versagt geblieben war, verspürte sie die Notwendigkeit einer anderen, mehr geistigen Mutterschaft.

Sie ließ Freundschaften, Wohlstand und Besitz hinter sich und trat hinunter auf die Straße, um alles, was sie hatte, gegen nichts einzutauschen. So begann ihr Weg, der sie weit fort und durch einen Bereich führte, der im menschlichen Verständnis als „Wahnsinn“ bezeichnet wird – ein „Wahnsinn“ der Liebe, Treue, des Gebets, der Güte, Achtung, Herzlichkeit und Freude.

Sie öffnete die Tore ihres Palastes für die armen Kinder, die Einsamen und Bedürftigen. Auf diese Weise entstand 1893 die „Kleine Zuflucht der Göttlichen Vorsehung“, die zur Gründung des Instituts der Kleinen Schwestern von der Göttlichen Vorsehung zur Pflege der Armen und Alleinstehenden führte. Die Räumlichkeiten des Palastes wurden wegen der wachsenden Zahl der herbeiströmenden Menschen schon bald zu klein. Uns so verkaufte Theresia zuerst alles Mobiliar, den Schmuck, die Einrichtungsgegenstände und schließlich den Palast Michel selbst im Tausch für ein altes Gebäude in Turin, das den Vorteil hatte, dass es ausgebaut und um mehrere Stockwerke erweitert werden konnte. Sogleich machte sie sich an die Umbauarbeiten, baute den oberen Stock aus und erwarb noch ein paar dürftige Häuser in der Nachbarschaft.

Ihre Initiativen stießen da und dort natürlich auch auf Ablehnung, nicht nur bei den Behörden, sondern vor allem bei Freunden und Familienangehörigen. Aber gerade im Unverständnis wurde die Solidarität und Zuneigung der Armen, der großzügigen Unterstützer und ihrer Helferinnen offenkundig. Die Kühnheit all dieser spontanen Unternehmungen, die in den Augen der Öffentlichkeit an „Spinnerei“ grenzten, fußte auf ihrer Liebe und dem ungebrochenen Vertrauen in die göttliche Vorsehung. „Spinnen“ besagt in diesem Zusammenhang, nur und ausschließlich vom Eigenen zu geben, auf die Gefahr hin, ignoriert und verleumdet zu werden. Theresia hatte keine Angst davor, im Gegenteil: sie provozierte dies geradezu, wenn sie von Haus zu Haus, von Viertel zu Viertel, von Dorf zu Dorf betteln ging und ihr Herz strahlte, wenn sie mit den spärlichen Almosen, die zusammenkamen, einen Hungrigen mehr in ihr Haus aufnehmen konnte, um ihn satt zu machen und zu hegen und zu pflegen.

Mit der Zeit schlossen sich ihr weitere hilfsbereite Menschen an, die bereit waren, sie in ihrem Tun zu unterstützen. Auf Weisung der kirchlichen Obrigkeiten entstand so am 8. Januar 1899 mit der Einkleidung von Theresia und acht Mitarbeiterinnen das Institut der Kleinen Schwestern von der Göttlichen Vorsehung (Abb.); der Tag wird als das Gründungsdatum des Instituts angesehen.

Ihre erste Sorge in den verbleibenden 45 Jahren war die Verbreitung und Konsolidierung des Instituts. Schon bald nach der Gründung entstanden Niederlassungen in verschiedenen Gegenden des Piemont, ebenso wie in Regionen Venetiens, der Lombardei, Liguriens, Apuliens und Lukaniens.

Am 13. Juni 1900 schickte Theresia eine Schwester nach Brasilien, um Land zu erwerben. Im Jahr darauf folgte sie mit zwei weiteren Schwestern nach. Es entstanden zahlreiche Gründungen mit Asylen, Waisenhäusern, Krankenschulen und Heimen für betagte Frauen. Das Haus von São Paulo bereitete der Gründerin wegen eines Abspaltungsversuchs viele Sorgen, doch wurde diese im Lauf der Zeit abgewendet. 1918 etablierte sich das Institut in Rom, wo die Schwestern im Collegio S. Filippo, das von den Mitgliedern der Gemeinschaft des hl. Don Orione geleitet wurde, die häuslichen Belange übernahmen. Später kümmerten sie sich, ermuntert durch Papst Benedikt XV., auch um die Pflege der alten Frauen. Von 1927 an wurden auf Anraten von Don Orione ebenso Häuser in Argentinien gegründet.
Unermüdlich animierte Theresia durch ihr gelöstes und charismatisches Wesen ihre Mitschwestern in den Kommunitäten. Mindestens sechsmal überquerte sie den Ozean in Richtung Lateinamerika, wo dank ihres Einsatzes zahlreiche Gründungen gediehen. Die sechste Reise machte sie noch 1928, im Alter von 73 Jahren.

1935 erhielt die Kongregation die apostolische Approbation ad experimentum und beim ersten Generalkapitel von 1936 wurde Theresia nicht nur zur Generaloberin gewählt, sondern auch als Mutter der Kongregation bestätigt. Schließlich gewährte der Heilige Stuhl am 8. Juni 1942 der Kongregation der Kleinen Schwestern von der Göttlichen Vorsehung die Apostolische Approbation.

Theresia Grillo starb am 25. Januar 1944 im Alter von 88 Jahren in Alessandria. Ihr Institut zählte zu diesem Zeitpunkt 25 Häuser in Italien, 19 in Brasilien und sieben in Argentinien.

Theresias Geist den Notleidenden gegenüber lebt vor allem in der Arbeit ihrer Schwestern weiter, zu denen sie wiederholt sagte: „Ich werde weiterhin die Fülle des Geistes herabrufen, der die Kleine Schwester von der Göttlichen Vorsehung auszeichnen soll: einen Geist wahrhaft heroischen Vertrauens in diese wunderbare Ausströmung göttlicher Güte, denn wir müssen absolut und jederzeit Seiner weisen Führung zu Diensten sein.“

Ihre sterblichen Überreste ruhen im Mutterhaus der Piccole Suore della Divina Provvidenza, via Faà di Bruno, 89, Alessandria, Italien.

Am 24. Mai 1998 wurde Theresia Grillo verw. Michel von Papst Johannes Paul II. in Turin seliggesprochen.


RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1996 – 2000. Innsbruck: Resch, 2010 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 4). XIII, 376 S., 86 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-088-9, Ln, EUR 39.90 [D], 40.98 [A]

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