Andreas Resch: Theresia Bracco


THERESIA BRACCO
(1924-1944)

HIRTENMÄDCHEN

MÄRTYRERIN

Selig: 24. Mai 1998
Fest: 29. August

THERESIA BRACCO wurde am 24. Februar 1924 als Vorletztes der sieben Kinder von Giacomo Bracco und Angela Pera im Dörfchen Santa Giulia, Gemeinde Dego, Diözese Acqui Terme und Provinz Savona, Italien, geboren und drei Tage später auf den Namen Theresia getauft. Die Eltern, einfache Bauern, lieferten einen ersten Beweis ihrer Glaubensstärke, als sie 1927 innerhalb von nur drei Tagen mit Giovanni und Luigi gleich zwei ihrer Söhne im Alter von 9 und 15 Jahren beerdigen mussten. Es ist bekannt, dass in der Familie gebetet wurde, und es war Vater Giacomo, der üblicherweise den Rosenkranz vorbetete. Ansonsten vertrat ihn seine Tochter Theresia. Sie legte in der Tat schon von klein auf eine besondere Frömmigkeit an den Tag. Wenn sie die Kirche betrat, blieb sie ganz versunken, den Blick auf den Tabernakel gerichtet. Diese Verbindung mit Christus wurde noch intensiver, als sie am 21. April 1931 die Erstkommunion und zwei Jahre später die Firmung empfing.

Die Schule konnte Theresia nur bis zur vierten Klasse Grundschule besuchen, weil es in Santa Giulia keine anderen Möglichkeiten gab. Wenngleich man von ihrer Kinder- und Jugendzeit kaum etwas weiß, liefern die Berichte, die von ihrer Familie und Freunden oder Nachbarn stammen, doch eine ziemlich genaue Beschreibung ihres edlen Wesens. So erzählt die Mutter: „Man kann sagen, dass sie immer schon ein gutes Kind war. Sie hat gern gebetet, ist nie in Zorn geraten, war allen gegenüber gehorsam, in der Schule lernfreudig und fleißig, sodass sie dort und beim Katechismus immer die Beste war. Mit 12 Jahren hat sie die Schule abgeschlossen und von da an mit dem Vater und den Schwestern auf dem Feld gearbeitet. Sie kannte keinen Ehrgeiz, trug einfache Kleidung und besuchte, sooft sie konnte, die hl. Messe und empfing die Sakramente. Sie war der Engel des Hauses.“

„Nach Beendigung der Schule“, erinnert sich auch ihre älteste Schwester, „begann Theresia dem Vater bei der Aussaat, der Ernte und dem Versorgen der Tiere zu helfen. Abends kam sie dann müde nach Hause und ich habe sie oft vor dem Bett knien gesehen, bevor sie sich zum Schlafen hinlegte. Und nach dem Gebet zu ihrem Schutzengel schloss sie meistens mit der Anrufung ihrer Namenspatronin: ‚Heilige Theresia vom Kinde Jesu, zeige du mir den Weg in den Himmel.’“ Die jüngste Schwester sagte: „Sie war immer zufrieden; empfing regelmäßig die Sakramente, häufiger als wir anderen, obwohl sie nicht einmal bei den Töchtern Mariens eingeschrieben war, wie unsere älteste Schwester und einige unserer Kolleginnen. Manchmal sagte ich zu ihr, wenn sie früh morgens aus dem Bett hüpfte, um zur Messe zu eilen: ‚Aber du bist nicht im Geringsten dazu verpflichtet, du gehörst ja nicht einmal zu den Töchtern Mariens!’“ Eine ihrer vertrautesten Gefährtinnen erzählte: „Einmal, während des Rosenkranzes, sah ich Theresia mit Tränen in den Augen und ich fragte sie: ‚Was hast du?‘ Sie darauf: ‚Nichts… Es ist die Madonna‘. Mehr als einmal war sie beim Rosenkranzgebet zu Tränen gerührt. Der Rosenkranz war ihre ganze Liebe, sie trug ihn immer bei sich, wenn sie auf die Weide oder auf das Feld hinausging.“

Obwohl alle behaupteten, dass Theresia ein ganz normales Mädchen war, so sagten sie doch auch, dass sie etwas Besonderes hatte, ohne genau zu wissen, worin dieses „Etwas“ bestand. Eine Freundin drückte es so aus: „Theresia war ein liebes und schönes Mädchen, bescheiden, fröhlich… so eine wie sie habe ich nie mehr getroffen.“

Diese Beschreibung deckt sich auch mit den Aussagen ihrer jüngsten Schwester Anna vom 16. November 1948: „… Auf der Weide hat sie mich hin und wieder zu einem Gebet eingeladen; wenn von Erscheinungen der Mutter Gottes die Rede war, so erinnere ich mich, dass sie sagte: ‚Oh, wenn auch ich sie sehen könnte, es lebe die Madonna!‘ Sie hatte immer den Rosenkranz neben ihrem Bett; meistens trug sie ihn bei sich… Zu Hause war sie sehr folgsam. Manchmal, wenn ich kommandiert wurde, ging sie, um für mich die Arbeit zu machen.“ Ein Händler, der sie fast jeden Tag sah, meinte: „Ich glaube, dass sie ein sehr braves Mädchen war. Ein religiöses Mädchen, eines von den Besten. Oft begegneten wir uns auf der Weide, ich sah sie immer mit ihrem Buch und ihrem Rosenkranz; wir haben oft miteinander gebetet… Sie war eines der bravsten und heiligmäßigsten Mädchen, die man sich vorstellen kann. Sie war einfach außergewöhnlich. In der Kirche hat sie sich nie umgedreht. Nie habe ich sie mit einem Jungen gesehen; sie war anders. Alle haben gesagt, sie sei eine Heilige. Und sie war ein sehr schönes Mädchen, schmächtig und still, ein Abbild der Madonna.“

Wer Theresia kannte, bezeugte in der Tat, dass sie ein äußerst reserviertes Mädchen war, bescheiden, vornehm im Umgang mit anderen und stets hilfsbereit. Von einer nicht alltäglichen Schönheit, mit großen dunklen, samtartigen Augen, die aus dem schönen, ernsten und nachdenklichen Gesicht hervorstachen, und zwei dicken braunen Zöpfen zog sie die anerkennende Bewunderung sämtlicher Dorfbewohner auf sich. Einer drückte es so aus: „Ein solches Mädchen habe ich vorher und auch später nie mehr gesehen.“

Über Theresias Bett hing ein Bild des hl. Dominikus Savio, dessen Ausspruch: „Den Tod, aber nicht die Sünde!“ sie besonders beeindruckt hatte.

Am Morgen des 28. August 1944, nach dem Besuch der hl. Messe, hatte sich Theresia an die Arbeit gemacht. Schon bald aber erreichte sie die Nachricht von der Ankunft der deutschen Truppen in ihrem Dorf Santa Giulia. Beim Gedanken an die Mutter, die allein zu Hause war – der Vater war vor kaum zwei Monaten, am 13. Juni, gestorben –, ließ sie alles liegen und eilte nach Hause. Die vordringenden Deutschen nahmen jedoch drei Mädchen, darunter Theresia, als Kriegsbeute gefangen. Sie weigerte sich energisch, dem Ansinnen des Nazi-Offiziers, der sie mit sich schleppte, Folge zu leisten und versuchte durch den Wald zu flüchten. Er aber, außer sich vor Wut, holte sie ein, erwürgte sie und schoss ihr mit seinem Revolver ins Herz, um ihr dann – der Brutalität noch nicht genug! – mit seinem Stiefel einen Tritt gegen die linke Schläfe zu versetzen, bis der Schädel brach.

Theresias gemarterter Körper wurde zwei Tage später in extremer Verteidigungshaltung, um ihre physische Integrität zu wahren, im Wald gefunden, wie ihre Schwester Adele zu Protokoll gab: „Am 30. August 1944… ging ich mit dem Pfarrer und der Mutter, um Theresias Leichnam zu sehen, der kurz zuvor von meinem Bruder Venanzio und von Aniceto del Pian della Ciliegia gefunden worden war. Der Pfarrer drang als Erster zum Ort des Geschehens vor (möglicherweise aus Angst vor einem schauerlichen Anblick), dann winkte er auch uns, nachzukommen. Wir sahen Theresia ausgestreckt im Gebüsch liegen. Ihre rechte Hand wies eine Wunde von einem Schuss auf, der ihr schließlich ins Herz gedrungen war; eine zweite Wunde hatte sie an der Schläfe. Ihre Mutter Angela beugte sich liebevoll über sie und strich ihr eine Haarsträhne aus der Stirn. In dem Moment ersuchte uns der Pfarrer, sie bis zum Eintreffen der Behörden bzw. des Gemeindearztes nicht anzurühren. Als Dr. Scorza, der Arzt aus Dego, kam, ging ich noch einmal mit ihm zu Theresia. Er hat überhaupt nichts gemacht, hat sie nur angesehen, etwas aufgeschrieben und ist weggegangen. Ich habe ihn gefragt, ob sie gelitten habe, worauf er antwortete: ,Nach dem Schuss nicht mehr!‘ Soviel wusste ich auch, denn das Loch in der Hand, die sich nicht bewegt hatte, zeigte klar, dass sie schon tot war, bevor sie der Schuss aus dem Revolver traf.“ Der Gerichtsmediziner erklärte: „Es ist ihr nichts geschehen, sie hat sich so gewehrt, dass der Deutsche sie aus Wut darüber, dass sie nicht willens war, erwürgt hat. Meiner Meinung nach war das Mädchen schon tot, als er geschossen hat.“

Manch einer schüttelte den Kopf angesichts ihres heroischen Sterbens. Von einem sinnlosen Tod war die Rede. Sie hätte die Vergewaltigung überleben und wie die beiden anderen Mädchen heil und gesund zur Familie zurückkehren können. Warum sich dem Übel so energisch widersetzen? Als die Menschen aber vom Mord an Theresia hörten, dachten sie gleich, dass sie es wohl vorgezogen hatte zu sterben, als etwas Schlechtes zu tun. Als die Mutter merkte, dass Theresia im Gegensatz zu den beiden anderen nicht nach Hause kam, sagte sie auf Anhieb: „Theresia hat sich sicher umbringen lassen!“

Das Begräbnis fand wegen der allgemeinen Bestürzung und der noch nicht gebannten Gefahr unter geringer Anteilnahme der Bevölkerung statt. Theresia wurde auf dem Friedhof von S. Giulia beerdigt. In der Ortschaft von Zerbi erinnert ein Grabstein aus Marmor an ihre Ermordung am 28. August 1944.

Bereits wenige Monate später wurde berichtet, dass jemand auf Theresias Fürbitte hin Gnaden empfangen habe. Sogleich wurde ihr Grab zum Ziel von Wallfahrern, während das Volk sie als die neue Maria Goretti delle Langhe feierte.

Ihre sterblichen Überreste ruhen heute in der Rosenkranzkapelle im rechten Seitenschiff der Filialkirche San Marco Evangelista in Santa Giulia di Dego, Savona, Italien.

Am 24. Mai 1998 wurde Theresia Bracco von Papst Johannes Paul II. in Turin seliggesprochen.


RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1996 – 2000. Innsbruck: Resch, 2010 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 4). XIII, 376 S., 86 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-088-9, Ln, EUR 39.90 [D], 40.98 [A]

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