Andreas Resch: Stanislaus Kazimierczyk


STANISLAUS KAZIMIERCZYK
(1433-1489)

PROFESSPRIESTER
DES ORDENS DER REGULARKANONIKER
VOM LATERAN

Kultbestät.: 21. Dez. 1992
Heilig: 17. Oktober 2010
Fest: 3. Mai

STANISLAUS SCHOLTIS, nach seiner damals autonomen Geburtsstadt Casimiria (Kazimierz), das heute ein Stadtteil Krakaus ist, allgemein Casimiritano (KAZIMIERCZYK) genannt, wurde am 27. September 1433 in der Pfarre „Corpus Christi“, die schon damals den Regularkanonikern vom Lateran gehörte, geboren. Von seinen tiefgläubigen Eltern Matthias und Edvige Scholtis erhielt er eine gediegene christliche Erziehung. Der Vater war Weber und viele Jahre hindurch Konsul und Präsident des Gerichtshofes von Casimiria. Der Name „Scholtis“ war daher wohlbekannt. Die Mutter, eine sehr fromme Frau, lehrte Stanislaus die Prinzipien des Glaubens und erzog ihn zu einem soliden christlichen Leben. Zunächst besuchte er die Pfarrschule von „Corpus Christi“ in Casimiria. Dann setzte er seine Studien an der Akademie von Krakau fort, wo er mit dem Bakkalaureat in Kunst abschloss. Anschließend promovierte er an der Jagellonischen Universität Krakau in Theologie.

1456 trat Kazimierczyk in die Propstei von „Corpus Christi“ des Ordens der Regularkanoniker vom Lateran ein. Mit Abschluss des Noviziats setzte er seine Studien fort. Nach Ablegen der Ordensgelübde wurde er zum Priester geweiht und zum Prediger der Kirche „Corpus Christi“ sowie zum „Lektor“, Novizenmeister und stellvertretenden Prior der Gemeinschaft ernannt.

Kazimierczyk widmete sich den ihm anvertrauten Aufgaben mit großem Eifer und führte persönlich ein äußerst bescheidenes Leben. Die Menschen strömten ihm zu, angezogen von dem besonderen Charisma bei der Verkündigung des Wortes, der Beichtabnahme und der Seelenführung. In seinen Predigten erklärte er die hl. Messe zum Mittelpunkt des christlichen Lebens eines jeden Getauften. Aus ihr schöpfte er die Liebe zum Herrn, zu seinen Mitmenschen und vor allem zu den Armen und Kranken, die auf seine großzügige Hilfestellung und Aufmerksamkeit zählen konnten.

Die Lehre und die Tugendhaftigkeit, mit der er die Kirche in einer Zeit verteidigte, in der die Ideen von Wiclif und Hus die Runde machten, waren auch eine große Bereicherung für seinen Orden. Die gediegene Ausbildung, die er den Novizen angedeihen ließ, war inspiriert von der kanonischen Reform von Roudnice, jenem spirituellen Zentrum bekannt unter dem Namen „Tschechisch-mährische Devotio moderna“ von 1422.

Für ein besseres Verständnis der genannten Reformbewegung muss man zu den Wurzeln der Regularkanoniker vom Lateran zurückkehren. Ihre Geschichte reicht sehr weit in die Vergangenheit, fast so weit wie die der Kirche selbst. Es geht um Priester, welche versuchen, gemeinsam das monastische Ideal zu gestalten – durch liturgisches Leben und pastorale Aufgaben, welche bezeichnend sind für jene, die sich, vom Priesterstand dazu beauftragt, mit den Bischöfen um die Evangelisierung des Volkes und die Spendung der Sakramente kümmern.

Die Ursprünge der Regularkanoniker in Polen reichen bis in das 12. Jahrhundert zurück. Dort bestanden damals mehrere Gründungen und es gab auch Berufungen aus Mitteleuropa. Diese siedelten sich 1405 im Kloster „Corpus Christi“ in Krakau an. Um 1426 kam es zu einer Erneuerung der Gemeinschaft von Krakau, es wurden die Gepflogenheiten von Roudnice übernommen. Ihre stärkste Entwicklung erfuhr diese Erneuerungsbewegung im 14. und teilweise im 15. Jahrhundert. Sie bewegte sich gefühlsmäßig auf der Linie des hl. Augustinus mit besonderer Betonung eines explizit spirituellen Lebens, was durch die weite Verbreitung des Buches De Imitatione Christi (Nachfolge Christi) des Thomas von Kempen (ca. 1380 – 1471) bezeugt wurde: „Was frommt dir, erhaben über die Dreieinigkeit zu disputieren, wenn dir die Demut mangelt und weshalb du der Dreieinigkeit missfällst? Fürwahr! Hohe Worte machen nicht heilig und gerecht, sondern ein tugendhaftes Leben macht uns Gott lieb. Ich wünsche lieber Reue zu fühlen, als ihr Wesen auslegen zu können… Wissenschaft ohne Gottesfurcht, was fruchtet sie? Besser ist fürwahr ein demütiger Bauersmann, der Gott dient, als ein hoffärtiger Philosoph, der sich selbst verkennt und den Himmelslauf beobachtet… Was frommt viel Geschwätz von verborgenen und dunklen Dingen, deren wir im Gerichte nicht werden bezüchtigt werden, weil wir sie nicht wussten?“ (I, 1 – 13; in der Übers. v. Joseph Görres, 1988)

In dieser spirituellen Bewegung gelang Kazimierczyk die harmonische Verbindung der auf Gott ausgerichteten Kontemplation mit dem Geist und dem Herzen. So schreibt ein Biograf: „Auf nahezu natürliche Weise vereint er das tätige mit dem beschaulichen Leben.“ In dieser Harmonie von Beschaulichkeit und pastoraler Aktivität lebte Kazimierczyk sein Leben in Frohsinn, unauffällig und leise, so dass er als „Held“ des Alltags bezeichnet werden konnte.

In diesen Zusammenhang fügt sich auch seine Arbeit in der Kirche „Corpus Christi“ ein, die von allem Anfang an als eucharistisches Zentrum galt. Es gab dort eine Erzbruderschaft vom Allerheiligsten Altarsakrament und jede Woche fanden eucharistische Feiern statt. Kazimierczyk bemühte sich, die Verehrung des Altarsakraments bei sich und seinen Mitbrüdern noch weiter zu fördern, indem er die hl. Messe mit besonderer Hingabe feierte, was ihm bei den Anwesenden große Sympathien einbrachte. Wegen seines eucharistischen Eifers wurde er als „Apostel der Eucharistie“ bezeichnet. Ebenso pflegte er eine lebendige Verehrung Jesus’ des Gekreuzigten und der Jungfrau Maria. Darüber hinaus war er der „Vater von allen“. Seine Liebe zu den Armen und Kranken war schier unermesslich. Wie in alten Biografien zu lesen ist, „war es ihm eine Freude, die Kranken pflegen zu dürfen“, und „seine Essensration verteilte er großzügig unter den Armen“.

Zur Vertiefung der christlichen Lehre verfasste er auch einige spirituelle Schriften. Leider wurde der letzte Kodex mit seinen Homilien, der sich in der Nationalbibliothek von Warschau befand, im Zweiten Weltkrieg zerstört.

Die aufreibende Arbeit und das strenge Leben zehrten jedoch an seiner Gesundheit und so starb Stanislaus Kazimierczyk am 3. Mai 1489 im Alter von nur 56 Jahren. Seine Gebeine wurden in der Fronleichnamskirche in Krakau beigesetzt.

Schon bald nach seinem Tod setzte seine Verehrung ein, die bis heute andauert. Der Ruf seiner Heiligkeit, der ihn schon zu Lebzeiten umgab, wuchs beharrlich dank der vielen Gnadenerweise, die auf seine Fürsprache hin gewährt wurden. Nur ein Jahr nach seinem Ableben wurden ihm schon 176 außergewöhnliche Gnaden zugeschrieben. Pilgerströme zum Grab, zu seinen Ehren komponierte Litaneien und Hymnen untermauerten seinen Ruf, was die kirchlichen Behörden veranlasste, seinen Leichnam in einen prachtvollen Sarkophag über der Mensa eines monumentalen Altars zu verlegen. Wie aus den ersten Biografien hervorgeht, sprach man bei Kamierczyk ganz einfach von dem „Seligen“. Casimiria wählte ihn zu seinem Patron und gab einige seiner Reliquien in den Rathausturm zur Aufbewahrung.

Der 3. Mai, sein Todestag, war stets ein Fest für die Stadt und das Kloster, zu dem viele religiöse und zivile Feiern begangen wurden. An diesem Tag wurde die feierliche Messe zu seinen Ehren vor seinem Altar zelebriert, unter großer und lebendiger Anteilnahme der Gläubigen, von Vertretern des Klerus und der Stadtregierung.

Mit Erlaubnis der kirchlichen und staatlichen Behörden erfolgte 1780 und 1913 die kanonische Identifizierung des Leichnams. Eine erste Biografie über Kazimierczyk wurde nur wenige Jahre nach seinem Tod von seinem Mitbruder Martino Baronio verfasst. Später, vor allem im 17. und 18. Jahrhundert erschienen weitere Texte über sein Leben.

Der spirituelle Einfluss von Stanislaus Kazimierczyk auf die Geschichte Polens fällt in die als „felix saeculum Cracovie“ bezeichnete Epoche Krakaus, das im 15. Jahrhundert nicht nur die Hauptstadt des Königreiches, sondern auch ein spirituelles Zentrum war. In Krakau und Casimiria lebten damals noch fünf Männer, denen der Ruf der Heiligkeit anhaftete: der hl. Johannes Kantius sowie die Seligen Isaias Boner, Simon von Lipnica, Michael Giedrojc und Swentoslaw von Slawkowo (Svaukovo).

An eine Approbation des Kultes um Kamierczyk dachte man aber erst ab dem 17. Jahrhundert. Damals begannen die Regolarkanoniker vom Lateran in Polen die Bestätigung des Kultes beim Heiligen Stuhl voranzutreiben, doch wurde das Unterfangen durch verschiedene widrige Umstände, die auf die politische Lage, die Unterdrückung der religiösen Institute und die wirtschaftlichen Probleme zurückzuführen waren, behindert. Das Verfahren wurde erst 1971 formell eingeleitet und nach seiner Vorstellung in Rom im Jahre 1989 am 21. Dezember 1992 mit der Verlesung des Dekrets über die Heroizität der Tugenden und den Kult „seit unvordenklichen Zeiten“ durch Papst Johannes Paul II. abgeschlossen.

Laut einem Konsultor der Heiligsprechungskongregation „ist anzunehmen, dass sich Polen ohne den „Seligen“ vor allem aufgrund der Häresie der Hussiten (die Kamierczyk unermüdlich bekämpfte) vielleicht keinen so lebendigen Glauben bewahrt hätte, wie er heute festzustellen ist.“


RESCH, ANDREAS:
Die Seligen Johannes Pauls II. 1991 – 1995. Innsbruck: Resch, 2008 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 3). XIII, 321 S., 67 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-083-4, Ln, EUR 27.70 [D], 28.63 [A]

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