Andreas Resch: Sigismund Gorazdowski

SIGISMUND GORAZDOWSKI
(1845-1920)

PRIESTER u. GRÜNDER
DER KONGREGATION DER SCHWESTERN
VOM Hl. JOSEPH

Heilig: 23. Oktober 2005 
Fest: 1. Januar

SIGISM. GORAZDOWSKI wurde am 1. November 1845 in Sanok in der Diözese Przemyśl, Polen, geboren und auf den Namen Sigismund getauft. Er war das zweite von sieben Kindern des Feliks und der Aleksandra Gorazdowski und das einzige, das die Volljährigkeit erreichte, obwohl es von klein auf an schwerer Tuberkulose litt, die damals unheilbar war. Seine Kindheit verbrachte Sigismund im Kreis der Familie, in der die Prinzipien des katholischen Glaubens hochgehalten wurden. Von der Volksschule trat er in das Gymnasium von Przemyśl über. Nach Beendigung des Lyzeums inskribierte Gorazdowski an der Juridischen Fakultät der Universität von Lemberg. Da er wiederholt krank war und mit allerlei Unbilden und Ungerechtigkeiten zu kämpfen hatte, sah er im Beruf des Rechtsanwalts eine Möglichkeit, dem entgegenzuwirken. Im zweiten Jahr unterbrach er jedoch die Studien und trat in das Große Seminar von Lemberg ein. Diese Entscheidung, verbunden mit dem bewussten Verzicht auf eine Anwaltskarriere, war von einer sehr ernsten Motivation getragen, wie seine jüngste Schwester wissen lässt: „In seinem ganzen Leben hat er immer wieder gesagt: Ich danke Gott für die Krankheit, mit der er mich in meiner Jugend heimgesucht hat, denn hätte es sie nicht gegeben, wäre ich nicht Priester geworden und nicht glücklich gewesen, weil ich meine Berufung verfehlt hätte.“ Nach Abschluss der theologischen Studien wurde Gorazdowski wegen plötzlicher Verschlimmerung seiner Lungenkrankheit, die ihn an den Rand des Todes brachte, zwei Jahre lang einer Intensivbehandlung unterzogen. In dieser Zeit legte er vor Gott die Gelübde ab mit den Worten: „Allmächtiger Gott, hab Mitleid mit deinem demütigen Diener! Gib mir die Kraft, meinen Auftrag zu erfüllen, und ich werde mein ganzes Leben dem Wohl des Nächsten widmen.“ Nach einer langen Rekonvaleszenzzeit wurde er schließlich am 25. Juli 1871 in der Kathedrale von Lemberg zum Priester geweiht.

In den ersten sechs Jahren seines priesterlichen Wirkens arbeitete Gorazdowski als Pfarrvikar und Pfarradministrator im Gebiet des damaligen Galizien, in Tartaków, Wojniłów, Bukaczowcze, Gródek Jagielońíski und Żydaczów. Schon damals wusste er pastorale und karitative Tätigkeit im Dienste der Armen und Notleidenden auf ungewöhnliche Weise zu verbinden.

Als Antwort auf verschiedene Dringlichkeiten startete er eine Reihe von Initiativen, um die gegebenen Mängel und Versäumnisse im Bereich der Seelsorge und Nächstenliebe zumindest teilweise wettzumachen. So stieg er direkt in die Katechese ein und veröffentlichte die Zeitschrift Katechizm (Katechismus), die in Galizien, Schlesien und Amerika in mehr als 50.000 Exemplaren verbreitet wurde. Er verkündete die Frohe Botschaft und redigierte und publizierte auch Rady i przestrogi (Rat und Anleitung), Zeitungsartikel und vieles mehr.

Die ihm anvertraute Bevölkerung wurde von Hunger und verschiedenen anderen Bedürfnissen geplagt. Man muss sich vor Augen halten, dass die Pfarreien der Erzdiözese Lemberg zu den größten in dem von Österreich besetzten Gebiet gehörten. Oft bestand eine Pfarrei aus mehr als zehn Gemeinden. So musste sich Gorazdowski beispielsweise in der Pfarrei Wojniłów außer mit den Schülern der vierklassigen Lokalschule auch mit der Katechese der Kinder von elf öffentlichen Schulen und sieben Pfarrschulen befassen, da zur Pfarre Wojniłów an die 30 Ortschaften gehörten.

Neben dieser intensiven Arbeit als Katechet und seinem großen pastoralen Engagement vernachlässigte Pfarrer Sigismund auch nicht die schon bestehenden Werke der christlichen Nächstenliebe und förderte deren neue. Als in Wojniłow eine Choleraepidemie wütete, vergaß er völlig auf sich selbst, eilte den Kranken zu Hilfe und hob die Toten, trotz erheblicher Ansteckungsgefahr, eigenhändig in die Särge. Nach damaligen Berichten betrachteten ihn sogar die Juden mit großem Respekt als einen Heiligen, denn – so steht es in den Chroniken: „ … er kam den Kranken mit Medikamenten zu Hilfe, weckte den religiösen Geist… beschützte die Armen. Wegen seiner unermüdlichen Arbeit und seines vornehmen Charakters genoss er allgemeine Wertschätzung.“ Es hieß: „…er war der Beschützer der Armen… bei den Bettlern wurde dieser Priester zu einer herausragenden Gestalt…, niemals versagte er den Bedürftigen seine Hilfe, immer unterstützte er sie.“

Von 1877 an rief Gorazdowski in Lemberg umfassende priesterliche und karitative Aktivitäten ins Leben. Nach einer kurzen Zeit priesterlichen Dienstes an der Kirche St. Martin und St. Maria Schnee arbeitete er etwa 40 Jahre lang in der Pfarrei St. Nikolaus. In dieser Zeit unternahm er immer neue Initiativen und seine außerordentliche Sensibilität für die menschlichen Nöte veranlasste ihn zu konkretem Handeln. Neben Pastoral und Katechese an mehreren Schulen betätigte er sich auch, wie schon erwähnt, als Herausgeber und Redakteur. So veröffentlichte er einige Ausgaben des Katechizm (Katechismus), weiters das katholische Werk Zasady i Przepisy dobregowychowania (Prinzipien und Normen der guten Erziehung) für Eltern und Lehrer sowie Artikel vor allem über pastorale, pädagogische und soziale Themen. Für die Priester gründete er die Gemeinschaft Bonus Pastor mit der gleichnamigen Zeitschrift, deren Redakteur er eine Zeit lang war.

In seiner Funktion als Sekretär des Instituts der armen Christen rief er in Lemberg eine Reihe christlicher Wohltätigkeitswerke ins Leben. 1882 errichtete er das „Haus der freiwilligen Arbeit“ für die Bettler, für das er bis zu seinem Tode sorgte. Im gleichen Jahr entstand auf seine Initiative hin die „Ökonomische Volksküche“ für Arbeiter, Studenten, Kinder und vor allem Arme. Die Studenten hatten ein Zimmer und erhielten zu einem symbolischen Preis, häufig auch gratis, Verpflegung. Im Lauf der Jahre bekam Gorazdowski viele „Dankschreiben von Ingenieuren, Richtern oder Ärzten, die dank seiner ihr Studium hatten fortsetzen können“. Ein anderes von Gorazdowski errichtetes Werk der Barmherzigkeit war das „Hospiz“ für unheilbar Kranke und Rekonvaleszenten. 1886 errichtete er das Kolleg St. Josaphat für mittellose Studenten des pädagogischen Seminars, wodurch viele die Möglichkeit zum Studieren erhielten. In Reaktion auf den Umstand, dass damals 95% der Kinder junger Mütter aufgrund fehlender Pflege und Unterhaltsmittel starben, gründete er für alleinstehende Mütter und deren Kinder das „Haus vom Kinde Jesu“. Tatsächlich zeigen die Statistiken, dass diese Einrichtung in den Jahren 1892 – 1916 insgesamt 2.871 Neugeborenen zugutekam.

Darüber hinaus arbeitete Gorazdowski, inzwischen Monsignore, in der Gemeinschaft der heiligen Salome zur Unterstützung armer Witwen und deren Kinder mit, ebenso in der Gemeinschaft der armen Näherinnen, und trug zur Entstehung der Liga der Wohltätigkeitsgemeinschaften und -häuser in Galizien bei, welche die Aktivitäten der verschiedenen Werke christlicher Nächstenliebe zentralisierte und organisierte. In Lemberg errichtete er die polnisch-deutsche Katholische Schule zum heiligen Josef und berief zu ihrer Betreuung die Brüder der Christlichen Schulen. Allerdings brachte ihm die Schaffung dieses Werkes, wenngleich es sehr geschätzt wurde, praktisch bis zum Tod viel an Leid und Erniedrigung ein.

Zur Fortführung seiner Werke gründete Gorazdowski am 17. Februar 1884 die Kongregation der Schwestern vom Heiligen Joseph (im Volksmund Josefschwestern genannt). Da er von Anfang an Betreuer und Beichtvater der Schwestern war, unternahm er viele Anstrengungen, damit die aufstrebende Kongregation ihre Aufgaben so gut als möglich wahrnehmen konnte.

In den Zeugenaussagen und Erinnerungen der Schwestern, die den Gründer persönlich kannten, wird er als „das Herz und die Seele der Kongregation“ bezeichnet, sowohl wegen seines Beispiels als auch wegen seines Einsatzes: „Durch sein Beispiel, bei dem er uns mit einem guten und väterlichen Wort ermunterte, das er in seinen offiziellen Ansprachen und privaten Begegnungen an uns richtete, erinnerte er uns vor allem an die Pflicht tätiger Liebe unseren Nächsten gegenüber, an die Verpflichtung zur Armut und dazu, klein zu bleiben und sich ganz in den Dienst an den Ärmsten zu stellen.“ In einem Brief an die Schwestern schrieb Gorazdowski: „Was könnte ich auf der Welt Bedeutenderes vollbringen, als euch und eure Kongregation mit Hilfe der göttlichen Gnade abzusichern und weiter auszubauen, um den Herrn zu loben und dem leidenden Volk Beistand zu leisten. Ich glaube, dass dies der Zweck meines Lebens ist, und ich möchte, dass das auch eure Überzeugung ist.“

Dem Charisma ihres Gründers Folge leistend und im evangelischen Geist der barmherzigen Liebe leiten die Schwestern bis heute eine Reihe von Kollegien und betätigen sich in Katechese und Unterricht. Sie widmen sich dem Dienst an den Kranken und Notleidenden unterschiedlichster Art. Die Kongregation entfaltet ihre Tätigkeit in insgesamt 62 Häusern in Polen, Deutschland, Frankreich, Italien, der Ukraine, in Afrika (Kongo, Kamerun) und Südamerika (Brasilien).

Sigismund Gorazdowski starb am 1. Januar 1920 in Lemberg im Ruf der Heiligkeit und blieb den Gläubigen als „Apostel der göttlichen Barmherzigkeit“ in Erinnerung, auch „Vater der Armen und Priester der Obdachlosen“ genannt. Sein einziger Wunsch war, „alles für alle zu sein, um einen von ihnen zu erlösen“.
Er wurde auf dem Friedhof Łyczakowski beerdigt, wo seine sterblichen Überreste auch heute noch ruhen.

Am 23. Oktober 2005 wurde Sigismund Gorazdowski von Papst Benedikt XVI. heiliggesprochen, nachdem ihn Papst Johannes Paul II. am 26. Juni 2001 in Lemberg in der Ukraine seliggesprochen hatte.

 

RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Benedikts XVI. 2005 – 2012. Innsbruck: Resch, 2013, XII, 204 S., 48 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-096-4, Ln, EUR 25.90 [D], 26.60 [A]

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