Andreas Resch: Secundus Pollo


SECUNDUS POLLO
(1908-1941)

DIÖZESANPRIESTER

Selig: 23. Mai 1998
Fest: 26. Dezember

SECUNDUS POLLO wurde am 2. Januar 1908 als zweites von fünf Kindern der Landarbeiter Carlo Pollo und Marta Ottino in Caresanablot, Vercelli, Italien, geboren und zwei Tage später auf den Namen Secundus Johannes getauft. Der Kleine wuchs zusammen mit seinen Geschwistern in der Obhut der Eltern auf, die ihm eine christliche Erziehung zuteil werden ließen. Diese gründete auf einfachen, aber grundsätzlichen Belehrungen, welche mit Überzeugung und durch das eigene Beispiel vermittelt wurden. Noch vor der Schule ging Secundus bereits in die Pfarrkirche, wo er die ersten Begriffe des Katechismus lernte. Im Alter von sechs Jahren schrieb ihn der Vater in die Dorfvolksschule ein. In dieser Zeit, genau genommen am 15. März 1915, empfing er auch die Erstkommunion und am 18. Juni 1916 das Sakrament der Firmung. Der Elementarunterricht endete damals mit der vierten Klasse. Danach wurden die Kinder zur Arbeit geschickt, für gewöhnlich auf die Felder. Secundus hingegen fand Aufnahme in der fünften Klasse Grundschule bei den Christlichen Schulbrüdern in Vercelli, wobei er es aus Sparsamkeitsgründen vorzog, die fünf Kilometer von zu Hause bis zur Schule morgens und abends täglich zu Fuß zurückzulegen. Er war ein Junge wie alle anderen auch, allerdings mit dem Unterschied, der jene jungen Leute kennzeichnet, die Christus in seiner Nähe haben will. In diese freundschaftliche Beziehung versetzte sich Secundus häufig, ohne je die Stunden zu zählen, die er bei der Anbetung Jesu im Sakrament verbrachte.

Im Alter von elf Jahren trat er am 18. September 1919 in das Seminar der Diözese Vercelli ein, wo er die Gymnasial- und Lyzeumklassen besuchte. Nach Abschluss des Lyzeums wurde er nach Rom geschickt, mit Unterkunft im Collegio Lombardo, um an der Gregoriana Theologie und an der Accademia San Tomaso Philosophie zu studieren. Während dieser Studienzeit von 1927 bis 1931 erteilte er den Kindern der römischen Pfarre S. Caterina auch Katechismusunterricht. Gleichzeitig besuchte er Kurse in orientalischen Sprachen: im ersten Jahr Hebräisch, im zweiten Jahr Syrisch und im dritten Jahr Bibelgriechisch. Am 17. März 1931 promovierte Secundus an der Römischen Päpstlichen Akademie „S. Tomaso d’Aquino“ in Philosophie und im darauffolgenden Juni in Theologie. Im November desselben Jahres erhielt er an der Gregoriana den Preis in Accademia Theol. Fundamentalis.

Nach der Priesterweihe am 15. August 1931 wurde Pollo zum Lehrer am Ersten Gymnasium des Kleinen Seminars von Moncrivello und im Oktober 1934 zu dessen Spiritual ernannt. In diesen Jahren übte er neben den Aufgaben im Seminar auch noch andere seelsorgliche Tätigkeiten aus. So nahm er von allen Seiten in unendlicher Großzügigkeit Einladungen für Predigten, Katechismuskurse, Einkehrtage usw. an und mutete sich auf diese Weise physische Anstrengungen zu, die seine Kräfte überstiegen. Damals zog er sich auch ein mysteriöses Leiden am linken Auge zu, das ihn fortan in regelmäßigen Abständen heimsuchte, während die Behandlungen erfolglos blieben. Nach einigen Jahren verschwand das Übel zwar, die Sehkraft des Auges aber war erloschen.

Am 31. August 1936 wurde Don Pollo zum Diözesanassistenten der männlichen Jugend der Katholischen Aktion und gleichzeitig zum Lektor für Philosophie und Fundamentalmoral am Großen Seminar von Vercelli ernannt. Wenige Tage nach der Ernennung nahm er Kontakt mit den Leitern der Pfarrverbände und mit den Jugendlichen auf. Aufgrund seiner menschlichen Wärme, Güte und Hilfsbereitschaft eroberte er innerhalb kurzer Zeit die Herzen aller, nicht nur in der Stadt und den umliegenden Zentren, sondern auch in sämtlichen Dörfern der Diözese, selbst in den abgelegensten Gebieten.

Als er 1939/40, noch bevor auch er als Militärkaplan zu den Waffen gerufen wurde, miterlebte, wie die jungen Männer, die er bis zu ihrem 20. Lebensjahr hatte heranwachsen sehen, einberufen und in die Kasernen beordert wurden, weil sich Italien auf den Kriegseintritt vorbereitete, begleitete er sie mit seiner ganzen Anteilnahme. Kleine Zeitungen wie Radiofaro, Rundbriefe, entsprechende Büros für die „Heimatfernen“ wurden eingerichtet, um den Kontakt zwischen der Gemeinschaft und ihren Mitgliedern, die Dienst in der Ferne taten, aufrechtzuerhalten. Pollo kümmerte sich um jeden Einzelnen, schrieb ihnen, betete für sie und trug dabei die Sorge um eine Zukunft im Herzen, die von großen Opfern und qualvollen Schmerzen getragen sein sollte.

Der seelsorgliche Dienst von Don Pollo beschränkte sich jedoch nicht nur auf die Begleitung der Jugend und den Unterricht im Seminar, sondern er war überall dort zu finden, wo es Gelegenheit gab, Gutes zu tun. Der Erzbischof und die Oberen betrauten ihn daher mit zusätzlichen Aufgaben. Im Oktober 1939 hatte er den Auftrag, in der Diözese die Unione Apostolica di Sacerdoti del S. Cuore zu errichten und zu leiten, am 24. April 1940 wurde er zum Vize-Ökonom der Pfarrei von Caresanablot und am 28. Juni zum Militärkaplan im Rang eines Oberleutnants für das Bataillon Val Chisone, 3. Alpiniregiment, ernannt, das an der Westfront in der Provinz Turin zum Einsatz kam.

Als er am 14. November 1940 vom Militärdienst befreit wurde, nahm er seine Arbeit als Professor und Unterstützer der Jugend wieder auf. Einen Monat später, am 27. Dezember, wurde er zum Vize-Ökonom der Pfarrei Larizzate in der Fraktion Vercelli ernannt, jedoch schon am 18. Februar 1941 neuerlich als Militärkaplan in das Alpinibataillon „Val Chisone“ zurückbeordert.

Im April 1941 schlug sich das damalige Jugoslawien, nachdem es sich mit Deutschland und daher auch mit Italien und Japan verbündet hatte, infolge eines internen Umsturzes im Verlauf weniger Tage auf die Seite der Sowjetunion. Deutschland besetzte daraufhin mit seinen Verbündeten innerhalb von zwei Wochen den Balkan und überrannte das jugoslawische Heer. Jugoslawien wurde umgehend unter den Siegern aufgeteilt. Unter anderem wurde Montenegro als unabhängiger Staat unter dem Protektorat Italiens errichtet, das bereits 1939 das benachbarte Albanien militärisch besetzt hatte, eine Monarchie, die dem italienischen König seine Krone anbot, womit dieser zum „König von Italien und Albanien“ avancierte.

Aus diesem Grund, d.h. wegen der Verpflichtungen des „Protektorats“, was auch die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Land und die Abwehr äußerer Feinde mit sich brachte, waren in Montenegro italienische Truppen stationiert. In der Zwischenzeit begannen sich die jugoslawischen Soldaten, die nach dem Sieg der Deutschen mit ihren Waffen in die Berge geflüchtet waren und fortan von der ehemaligen Sowjetunion versorgt wurden, sich zu reorganisieren, um gegen die Besatzer zu kämpfen. Die Ereignisse entwickelten sich zu Ungunsten der italienischen Einheiten, die täglich Verluste an Menschen und an Material zu beklagen hatten. Um die in Montenegro belagerten Truppen zu befreien, wurde das Bataillon „Val Chisone“ am 4. November 1941 an den Lago Maggiore verlegt und am 7. Dezember nach Bari entsandt, wo es am 10. Dezember eintraf.

Auch in der neuen Umgebung kannte der Eifer Don Pollos keinen Moment der Ruhe, weder bei den Soldaten noch bei der Zivilbevölkerung. So schrieb er am 16. Dezember 1941: „…an diesem Wintersitz konnte ich eine Abendschule einrichten, die von mehr als 160 meiner Alpini besucht wird, und dann noch einen Deutschkurs für die Offiziere. Es war eine Beschäftigung, die aufbaute und die Kneipen und andere Häuser leer gefegt hat – und alles mit der vollen Unterstützung und Bewunderung seitens der Oberen.“

Nach der Verlagerung nach Montenegro erfolgten am 15. und 16. Dezember die Landeoperationen und am 17. Dezember 1941 begannen die Kampfeinsätze zur Befreiung der italienischen Truppen. Am 18. hatten die Alpini die ersten Angriffe zu verzeichnen und waren nach Verlusten an Menschen und Material gezwungen, an ihren Ausgangspunkt zurückzukehren. Am 22. Dezember 1941 begannen die militärischen Operationen zur Befreiung einer weiteren belagerten Garnison, Grahovo, wo die Truppen bis Weihnachten blieben. Am Morgen des Weihnachtstages hörte Don Pollo zahlreiche Beichten, feierte die hl. Messe und spendete die Kommunion. Am Nachmittag machte er sich mit einer Alpiniabteilung auf, um die Leichen einiger Gefallener zu bergen. Diesen Akt der Barmherzigkeit – die Toten zu begraben – praktizierte er auch den gefallenen Feinden gegenüber. Am Morgen des 26. Dezember rückten die Alpini des „Val Chisone“-Regiments in die Waldungen vor; wo sie plötzlich in ein Kreuzfeuer mit Maschinengewehren gerieten. Don Pollo folgte dem Schrei eines Verwundeten, wurde jedoch bereits nach wenigen Metern von einer Maschinengewehrgarbe an den Beinen getroffen. Der ihm in den letzten Minuten beistehende Sanitäter gab folgenden Bericht: „Er wandte die Augen zum Himmel, schlug mit der Hand das Kreuzzeichen und sagte: „Gesegnet sei mein Bataillon Val Chisone!“ Ein weiterer Verwundeter in seiner Nähe hörte ihn noch murmeln: „Ich gehe zu Gott, der so unendlich gut ist.“ Dann neigte er das Haupt und starb. Es war der 26. Dezember 1941, in der Gegend von Dragali. Don Pollo verblutete an einer Wunde am Oberschenkel.
Seine sterblichen Überreste ruhen heute in einer Nische im zweiten rechten Seitenschiff des Doms von Vercelli.

Am 23. Mai 1998 wurde Secundus Pollo von Papst Johannes Paul II. in Vercelli seliggesprochen.


RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1996 – 2000. Innsbruck: Resch, 2010 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 4). XIII, 376 S., 86 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-088-9, Ln, EUR 39.90 [D], 40.98 [A]

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