Andreas Resch: Raphael Melchior Chylinski


RAPHAEL MELCHIOR CHYLINSKI
(1694-1741)

PROFESSPRIESTER
DES ORDENS DER MINDERBRÜDER
(KONVENTUALEN)

Selig: 9. Juni 1991
Fest: 2. Dezember

RAPHAEL MELCHIOR CHYLINSKI wurde am 6. Januar 1694 als Sohn der verarmten Adeligen Arnulf Johannes Chyliński und Marianna Kierski in Wisoczka, nahe der Stadt Buk, in der Grafschaft Poznan in „Großpolen“ geboren und auf den Namen Melchior getauft. Von seinen Eltern nach christlichen Grundsätzen erzogen, wurde er nach Abschluss der Pflichtschulausbildung nach Poznan geschickt, wo er von 1706 – 1710 das Gymnasium im Jesuitenkolleg besuchte.

Als die Könige August II. und Stanislaus Sleczyski 1712 mit Waffengewalt um den polnischen Thron kämpften, meldete sich Melchior zu den regulären Truppen. Als Angehöriger der schweren Kavallerie folgte er seinem Regiment drei Jahre lang in den verschiedensten Reiterabteilungen bis nach Krakau, wobei er es aufgrund seiner Eliteausbildung und seines loyalen und disziplinierten Verhaltens bis zum Offiziersrang brachte.

Nach dem Thronverzicht von König Stanislaus 1715 hielt Chyliński seinen Dienst am Vaterland im regulären Heer für beendet. Gleichzeitig verspürte er zunehmend den Ruf des Herrn zum Ordensstand. Nachdem er bei der Armee vorschriftsmäßig seinen Abschied genommen hatte, erarbeitete er einen Plan zur Umsetzung seines Vorhabens, während seine Angehörigen bereits mit Hochzeitsvorbereitungen für ihn beschäftigt waren. Chyliński aber zog es vor, der Stimme des Herrn zu folgen und lehnte die gegenteiligen Vorschläge von Familie und Kollegen beim Militär ab. Er verabschiedete sich von seinen Verwandten und reiste nach Krakau, wo er im Franziskanerkonvent der Stadt in den Orden der Minderbrüder aufgenommen wurde. Noch einmal bewies er dabei seinen Gehorsam gegenüber dem göttlichen Willen, als er dem Druck seiner Freunde, die ihn zum Wiedereintritt in das Heer zu überreden versuchten, standhielt.

Bald nach Beginn des Noviziats wurde er gemeinsam mit den anderen Novizen aus dem bereits von der Pest heimgesuchten Krakau nach Piotrków verlegt, wo er am 26. April 1716 die Profess ablegte und den Namen Bruder Raphael annahm. In seiner Bescheidenheit wollte er ein einfacher Ordensbruder bleiben, beugte sich dann aber dem Beschluss der Oberen, die ihn, in Anerkennung seiner Fähigkeiten, für das Priestertum geeignet hielten. Nachdem er jedoch seine Studien länger als vier Jahre unterbrochen hatte, und nicht zuletzt aufgrund seines Alters, besuchte er in den Kollegien von Kalisz und Obvorniki den Kurs für Moraltheologie und wurde gegen Ende des Jahres 1717 in Poznan zum Priester geweiht.

Chyliński begann seine pastorale Mission, als in Polen eine relativ friedliche Zeit anbrach, was eine Verbesserung der wirtschaftlichen und kulturellen Situation sowie eine Erneuerung des christlichen Lebens mit sich brachte. In diesem Zusammenhang wurde am 8. September 1717 die feierliche Krönung des Bildes Unserer Lieben Frau von Jasna Gora begangen. Raphael widmete sich dem Priesteramt mit großem Eifer, vor allem der katechetischen und moralischen Unterweisung, der Erteilung des Bußsakraments und dem Apostolat der Nächstenliebe zugunsten der Armen in verschiedenen Klöstern, in die ihn seine Obern schickten: zunächst von 1717 bis 1719 in Radzijów, dann in Pudry, Bagrów, Kalisz, Warschau, Gniezno, Pszczew, Posnan und Warka und schließlich, von 1728 bis 1741 in Lagiewniki bei Lódz. Die Zeit von Oktober 1736 bis Mai 1738 verbrachte er allerdings in dem von der Pest heimgesuchten Krakau an der Seite der Kranken und Sterbenden.

Nach dem Tod Augusts II. 1733 entbrannte zwischen den Anhängern von Stanislaus Sleczyski und jenen Augusts III. der Streit um die Nachfolge, der das Land drei Jahre lang spaltete und eine Wirtschaftskrise heraufbeschwor, zu der sich Hungersnöte, Epidemien und ein allgemeiner Missstand gesellten.

Inmitten dieser Situation bemühte sich Chyliński, die Gläubigen in ihrer christlichen Lebenshaltung zu bestärken. Das Feuer der Liebe zu Gott entfachte in seinem Herzen eine tiefe Zuneigung zu den Mitmenschen, was sich unter allgemeiner Bewunderung in beharrlicher und intensiver brüderlicher wie priesterlicher Nächstenliebe und in Werken der Barmherzigkeit kundtat. Die Liebe zu Gott war für ihn oberstes Gebot. So trug er sich und den andern gerne auf: „Lasst uns den Herrn lieben und beständig preisen, aber nie verletzen!“ Um diesem Vorsatz Rechnung zu tragen, unterwarf er sich einem rigorosen Lebensstil, indem er die Armut „wie einen kostbaren Schatz“ pflegte und sich freute, sagen zu können: „Wir haben keinerlei Eigentum!“

Zu dieser Gottesliebe kam noch die Nächstenliebe. Seine Unterstützung für die Armen und Kranken war geradezu heroisch. Zu ihnen entwickelte er schlagartig ein freundschaftliches Verhältnis, das ihn spontan dazu veranlasste zu trösten, zu ermuntern und zu helfen. Seine Aufgabe ihm Kloster von Lagiewniki war es, die für die Armen bestimmten Lebensmittel und Kleider zu verteilen – eine Aufgabe, die er mit bewundernswerter Hingabe erfüllte. Jeden von ihnen behandelte er mit Respekt, weil er in jedem von ihnen Christus zu begegnen meinte. Wenn die Mittel des Klosters nicht ausreichten, die vielen Bedürfnisse der Armen zu befriedigen, griff er auf die Unterstützung großzügiger Gönner zurück und leistete persönlichen Verzicht.

Für die christliche Nächstenliebe, die den Kranken in materiellen wie spirituellen Werken der Barmherzigkeit zugute kam, war Chyliński geradezu ein Paradebeispiel, scheute er doch weder Opfer noch Anstrengung noch Erniedrigung, um den Betroffenen, selbst um den Preis heroischer Entsagung, zu helfen. Die Zahl derer, die zu ihm kamen, um seinen Rat oder Segen zu erbitten, war beträchtlich. Und alle fanden Trost und schöpften daraus großen Gewinn für ihr christliches Leben. Unter ihnen befand sich auch ein zehnjähriger Junge, der von eitrigen Geschwüren befallen war. Als Chyliński sah, dass die anderen ihn mieden, nahm er ihn zehn Jahre lang in seine Obhut.

Wegen seines großen Mitgefühls für die Leidenden schickten ihn die Oberen, wie erwähnt, 1736 nach Krakau, wo eine schreckliche Epidemie wütete, zu der noch verheerende Überschwemmungen traten. Einmal dort angekommen, war Chyliński zu jedem Opfer für die Pestkranken bereit. Er musste miterleben, wie viele aus den Häusern und von den Straßen in das Lazarett gebracht wurden, wo sie unter entsetzlichen Qualen starben. Die Priester wechselten einander bei der Betreuung ab, die sich sehr schwierig gestaltete, weil dort auf nassem Stroh, dicht aneinander gedrängt, an die tausend Erkrankte lagen. Chyliński erreichte, dass er für die gesamte Dauer der Epidemie Tag und Nacht seine Dienste anbieten konnte. Er besuchte die einzelnen Patienten und bot ihnen die nötige Hilfe an oder bereitete sie auf den Tod vor. Und wenn ihn seine Kräfte verließen, flehte er die Barmherzigkeit Gottes herab.

Nach Ende der Epidemie 1738 kehrte er im Mai desselben Jahres in das Kloster von Lagiewniki zurück, wo er wiederum seine Tätigkeit als Beichtvater und geistlicher Begleiter der Kranken aufnahm. Er hatte auch die Freude, seiner Mutter beistehen zu können, die nach Lagiewniki gezogen war, um in der Nähe ihres Sohnes zu sein.

Chylińskis pastoraler Arbeitseifer wurde jedoch schon bald gebremst. Seine physischen Kräfte waren durch seine täglichen Pflichten als Priester, seine karitative Arbeit und den zermürbenden Einsatz im Lazarett von Krakau arg in Mitleidenschaft gezogen und zwangen ihn im September 1741, jedwede Anstrengung zu unterlassen.

Aufgrund seines körperlichen Verfalls an das Bett gefesselt, sagte er im Angesicht des Todes zu allen, die ihn besuchten: „Sterben muss man nun einmal!“ Geduldig ertrug er seine Krankheit und meditierte über die Passion des Herrn und die Leiden der Jungfrau Maria, bis er schließlich am 1. Dezember, einem Freitag, sagte: „Wie schön wäre es doch, am Tag des Leidens und Sterbens unseres Herrn dahinzuscheiden…, aber nicht minder schön wäre es morgen, am Fest der Allerseligsten Jungfrau Maria.“

Tatsächlich empfahl er am Samstag, den 2. Dezember 1741, im Franziskanerkloster von Lagiewniki seinen Geist in Gottes Hände. Bei den Einwohnern der Stadt und besonders unter den Armen herrschte große Trauer und die Anteilnahme der Bevölkerung am Begräbnis zeugte von der ihm entgegengebrachten Wertschätzung.

Der Ruf der Heiligkeit des Verstorbenen verbreitete sich schon bald nach seinem Tod in ganz Polen. Der Zustrom der Gläubigen zu seiner Grabstätte, um dort kraft seiner Fürsprache die Gnade Gottes zu erflehen, riss nicht ab. Die sterblichen Überreste ruhen noch heute in der Krypta der Kirche St. Antonius in Lagiewniki bei Lodz in Polen.

Am 9. Juni 1991 wurde Raphael Melchior Chyliński von Papst Johannes Paul II. in Warschau, Polen, seliggesprochen.

 

Resch, Andreas: Die Seligen Johannes Pauls II. 1991 – 1995. Innsbruck: Resch, 2008 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 3). XIII, 321 S., 67 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-083-4, Ln, EUR 27.70 [D], 28.63 [A]

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