Andreas Resch: Raphael Guízar Valencia

RAPHAEL GUÍZAR VALENCIA
(1878-1938)

BISCHOF VON VERACRUZ

Heilig: 15. Oktober 2006
Fest: 6. Juni

RAPHAEL GUÍZAR VALENCIA wurde am 26. April 1878 als achtes von elf Kindern der reichen Grundbesitzer und überzeugten Christen Prudencio Guízar und Natività Valencia in Cotija, Diözese Zamora, im Staat Michoacán, Mexiko, geboren und einen Tag später auf den Namen Raphael getauft. Das Datum von Erstkommunion und Firmung ist nicht bekannt, doch empfing Raphael beide Sakramente mit Sicherheit schon im Kindesalter, so wie es in seiner Familie, die ihn zu einem tief christlichen Leben erzog, der Brauch war. Obwohl seine Mutter aus einer der angesehensten Familien stammte, ging sie persönlich, um die Kleider der außerhalb der Ortschaft lebenden Leprakranken zu waschen.

Seine ersten Schuljahre verbrachte Raphael in der Dorfschule von Cotija, wo er sich schon bald durch Intelligenz und Lernerfolg hervortat, so dass er zu den Klassenbesten gehörte. Nach dem Tod seiner Mutter am 19. März 1887 – Raphael war noch keine neun Jahre alt – kümmerte sich seine ältere Schwester Dolores um ihn, eine Frau mit soliden christlichen Tugenden und einem ungewöhnlich großen Herz für die Mitmenschen.

Mit 12 Jahren trat er 1890 gemeinsam mit seinem Bruder Antonio in das Kolleg San Simone ein, das die Jesuiten für die Kinder der dort ansässigen Grundbesitzer eröffnet hatten. Da dieses von der Regierung aufgehoben wurde, Raphael aber eine Neigung zum Priestertum verspürte, trat er 1891 zu humanistischen Studien in das Kolleg von Cotija, eine Zweigniederlassung des Kleinen Seminars von Zamora, ein.

Im Sommer 1894 erlitt er eine Krise, die dazu führte, dass er sein Studium für zwei Jahre unterbrach. Er kehrte nach Hause zurück und widmete sich auf dem elterlichen Anwesen fortan der landwirtschaftlichen Arbeit. Im Herbst 1896, mit 18 Jahren, hatte er die Krise überwunden und fasste den Beschluss, Priester zu werden. Er trat in das Große Seminar seiner Ursprungsdiözese Zamora ein, wo er Philosophie und Theologie studierte. Raphael glänzte dort durch erheblichen Studienerfolg sowie durch spirituellen Eifer, vor allem in der Hingabe an das Heiligste Herz Jesu, was für sein Leben charakteristisch bleiben sollte.

Nach einer weiteren Studienunterbrechung aufgrund einer schweren Erkrankung schloss er den Theologiekurs 1901 ab und wurde, im Alter von 23 Jahren, am 1. Juni 1901 während der Pfingstfeiertage zum Priester geweiht.

Gleich darauf stürzte er sich mit Begeisterung in die seelsorgliche Arbeit, wobei er sich in den ersten Jahren seines Priesterdaseins eifrig der Abhaltung von Volksmissionen in Zamora und in verschiedenen anderen Regionen Mexikos widmete. 1902 und 1903 wurde er mit der Aufgabe eines Spirituals im Seminar von Zamora bedacht, wo er auch Askese und Mystik lehrte. Er arbeitete unermüdlich, um seinen Schülern die Liebe zur Eucharistie und zur Hingabe an Maria zu vermitteln. Zudem war ihm die diözesane Leitung des Gebetsapostolats übertragen worden.

Um der Bevölkerung der ärmsten und pastoral am meisten vernachlässigten Diözesen unentgeltlichen Zugang zur Verkündigung des Evangeliums zu verschaffen, gründete Raphael am 3. Juni 1903 die Kongregation Unserer Lieben Frau von der Hoffnung, deren Leitung von seinem Bruder, dem Ehrwürdigen Antonio Guízar Valencia, übernommen wurde, während er selbst sich von außerhalb um deren Fortkommen kümmerte. 1905 wurde er zum apostolischen Missionar ernannt. Das von ihm ins Leben gerufene Institut war allerdings nur von kurzer Dauer und wurde am 21. Juni 1910 aus ungeklärten Gründen aufgehoben.

Ferner machte sich Raphael um die Gründung mehrerer Kollegien zur Jugendausbildung verdient. So eröffnete er u. a. in Zamora das Theresianische Kolleg, das dann 1913 von den Revolutionären geschlossen wurde.

1907 wurde seine apostolische Tätigkeit durch ein unerwartetes Ereignis unterbrochen. Er wurde von seinem Bischof a divinis (ex informata conscientia, aus Gewissensgründen, aufgrund von Informationen ohne Verfahren) suspendiert. Während der Zeit seiner Suspendierung bewies er eine beispielhafte Demut und empfing mit großer Frömmigkeit als einfacher Gläubiger die Sakramente, bis er anlässlich des Todes des Bischofs 1909 vom Kapitularvikar rehabilitiert wurde. Sogleich nahm Raphael seine missionarische Tätigkeit mit Schwung und Eifer wieder auf und propagierte vor allem die Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu.

Beim Ausbruch der mexikanischen Revolution 1910 gründete er als Antwort darauf und als Gegengewicht zu den Feindseligkeiten der revolutionären Presse der Kirche gegenüber 1911 in Mexiko-Stadt eine moderne Druckerei und begann mit der Herausgabe der katholischen Zeitung La Nación. Die Druckerei wurde bald darauf von den Revolutionären geschlossen. 1912 wurde Raphael zum Kanoniker der Kathedrale von Zamora ernannt.

Da er aufgrund der anhaltenden religiösen Verfolgung nicht in seine Diözese zurückkehren konnte, blieb er in Mexiko-Stadt, wo er einige Jahre ohne festen Wohnsitz lebte und jeglicher Art von Gefahren und Entbehrungen ausgesetzt war. Um sein Amt als Priester ausüben zu können und nicht als solcher erkannt zu werden, verkleidete er sich als Hausierer, der mit Galanteriewaren handelte, als homöopathischer Arzt oder als Musikant. Auf diesem Weg konnte er die Kranken besuchen, ihnen Trost und die Sakramente spenden und den Sterbenden beistehen. Obwohl er zweimal von der Polizei aufgespürt und zum Tod verurteilt wurde, gelang es ihm, der Erschießung zu entgehen, wobei er sich jedes Mal eine List zu eigen machte, um sich weiterhin für die Armen und Todgeweihten einzusetzen, die auf den Schlachtfeldern der bewaffneten Auseinandersetzung ihr Leben lassen mussten.

Da er wegen der fortdauernden Verfolgung nicht länger auf mexikanischem Gebiet bleiben konnte, flüchtete er Ende 1915 in die Vereinigten Staaten und im Jahr darauf in die Republik Guatemala, wo er unter dem Namen Raphael Ruiz zahlreiche Volksmissionen abhielt. Sein Ruf als Missionar erreichte auch die benachbarte Insel Kuba, wohin er zu Missionen eingeladen wurde. Nach intensiver missionarischer Tätigkeit auf Kuba erhielt er unverhofft die Nachricht, dass ihn der Hl. Vater am 1. August 1919 zum Bischof von Veracruz in Mexiko ernannt hatte.
Im Anschluss an die Bischofsweihe am 30. November 1919 in Havanna hielt er bis Jahresende weitere Volksmissionen. In seine Diözese (noch nicht als solche errichtet, Residenz in Jalapa), die inzwischen von einem starken Erdbeben heimgesucht worden war, zog er am 9. Januar 1920 ein. Kaum in Veracruz angekommen, widmete er sich unermüdlich den Erdbebenopfern.

Valencias Bischofsamt dauerte etwa 18 Jahre (von Januar 1920 bis Juni 1938), tatsächlich aber konnte er in seinem kirchlichen Jurisdiktionsbereich nur wenig mehr als acht Jahre bestehen. So war er wegen der um sich greifenden Verfolgung des Klerus seitens der Revolutionsregierung von 1926 bis 1929 und von 1931 bis 1937 gezwungen, im Exil zu leben, jedenfalls aber außerhalb des Bereichs seiner Diözese.

Eines seiner Hauptanliegen war die Situation der über eine Fläche von 46.000 km2 verstreuten 56 Pfarreien der Diözese, von denen er jede mindestens dreimal besuchte und dabei die Gelegenheit wahrnahm, Volksmissionen abzuhalten.

Sein weiteres Interesse galt der Priesterausbildung. 1921 gelang es ihm, das alte Seminar von Jalapa freizukaufen, doch kaum war das Gebäude renoviert, konfiszierte es die Regierung aufs Neue. Der Bischof verlegte das Seminar daraufhin nach Mexiko-Stadt, wo es 15 Jahre lang heimlich betrieben wurde. Es war das einzige Seminar, das überlebte, und zählte bis zu 300 Seminaristen. Ebenso errichtete Valencia Schulen für die Ausbildung der Jugend und widmete sich der Neustrukturierung der Katechese sowie der Unterstützung der Armen.

Selbst als er gezwungen war, sich außerhalb der Diözese aufzuhalten, verfolgte er das ganze Geschehen mittels Briefen an seine Vikare und an die Beamten der Kurie, die er für sich zu gewinnen verstand.

Wenngleich Valencia eine ziemlich robuste Konstitution hatte, litt er jahrelang an einer schweren Form von Diabetes, an Kreislaufstörungen und Phlebitis. Im Dezember 1937 erlitt er während einer Volksmission in Córdoba einen Herzinfarkt, der ihn für immer ans Bett fesselte. Er starb am 6. Juni 1938 in Mexiko-Stadt. Am Tag darauf wurden seine sterblichen Überreste nach Jalapa überführt. Der Trauerzug gestaltete sich zu einem Triumphzug.

Seine letzte Ruhestätte befindet sich in der Kathedrale von Jalapa und ist Ziel Tausender Pilger.

Am 15. Oktober 2006 wurde Raphael Guízar Valencia von Papst Benedikt XVI. heiliggesprochen, nachdem ihn Papst Johannes Paul II. am 29. Januar 1995 seliggesprochen hatte.


RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Benedikts XVI. 2005 – 2012. Innsbruck: Resch, 2013, XII, 204 S., 48 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-096-4, Ln, EUR 25.90 [D], 26.60 [A]

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