Andreas Resch: Rafaela Ybarra de Vilallonga

RAFAELA YBARRA
DE VILALLONGA
(1843-1900)

GRÜNDERIN
DER KONGREGATION DER SCHWESTERN
VON DEN
HEILIGEN SCHUTZENGELN

Selig: 30. September 1984
Fest: 23. Februar

RAFAELA YBARRA DE VILALLONGA wurde am 16. Januar 1843 als erstes Kind der Familie Gabriele Maria Ybarra y Gutiérrez de Caviedes und Maria di Rosario Arámbarri y Mancebo in Bilbao, Spanien, geboren. Bei der Taufe am folgenden Tag erhielt sie die Namen Rafaela Maria della Luce Stefanie. Bereits am 22. Mai 1844 wurde sie gefirmt. Ihre Familie war sehr reich und fromm; der Vater war der bekannteste Industrielle in der Stadt.
Die Kindheit verbrachte Rafaela im Kreis ihrer Familie in Bilbao. Mit neun oder zehn Jahren trat sie in ein von französischen Edelfrauen geleitetes Pri­vatkolleg ein. Nachdem sie mit großer Begeisterung, wie sie selbst sagte, die Erstkommunion empfangen hatte, setzte sie ihre Studien in einem Kolleg in Bayonne, Frankreich, fort. Dort blieb sie bis zu ihrem 14. Lebensjahr, als sie das Studium krankheitsbedingt aufgeben musste.
Mit 18 Jahren heiratete sie Josö Vilallonga y Gipulö aus Figueras in Gerona, ebenfalls Sohn eines Industriellen bzw. Besitzers von katalanischen Essen in Dernius. Die Hochzeit fand am 14. September 1861 in der Privatkapelle der Familie statt. Die ersten 15 Ehejahre widmete Rafaela voll und ganz ihrem Ehemann, den Kindern, ihren betagten Eltern und den zahlreichen Verwand­ten. Dem Paar wurden sieben Kinder geschenkt. 1869 übersiedelte die Familie auf ein Landgut namens „La Cava“ und 1873 wegen des Karlistenkrieges nach Santander. In dieser Stadt starb 1875 Rafaelas Schwester Rosaria im Alter von 28 Jahren. Durch ihren Tod wurden fünf Kinder bereits in zartem Alter zu Waisen, die von Rafaela wie ihre eigenen aufgezogen und von ihr stets „Herzenskinder“ genannt wurden.

Dieser Schicksalsschlag hinterließ bei Rafaela einen bleibenden Eindruck. Durch die Arbeit in der Familie völlig überlastet zog sie sich aus dem gesell­schaftlichen Leben immer mehr zurück. Sie besuchte die hl. Messe mit Emp­fang der Sakramente und vertraute sich der geistlichen Führung von Leonar­do Zabata an, dem Koadjutor der Pfarre von San Nikolausin Bilbao.

Zwei Jahre nach dem Tod von Rosaria starb nach langer Krankheit auch die Schwester Amalia. Diese neue Erfahrung riss die schmerzhaften Wunden wie­der auf und Rafaela vertiefte sich noch mehr in die Spiritualität. Während ih­res Aufenthaltes in Barcelona 1878 wurde sie schwer krank. In Momenten der Muße las sie mit großer Aufmerksamkeit die Philothea des hl. Franz von Sales, was in ihr, wie sie es ausdrückte, die endgültige Bekehrung bewirkte. Diese Erfahrung legte den Grundstein für ihr künftiges spirituelles und apostoli­sches Leben. Die Tätigkeit in der Familie konnte ihre geistigen Ansprüche nicht mehr befriedigen. Ihre Hingabe an den Dienst für Jesus Christus nahm eigene Formen an, wobei sie sich vor allem der Betreuung der Jugendlichen verschrieb, die den Sinn für das christliche Leben verloren hatten.

In diesem Bemühen begann sie 1879 gemeinsam mit anderen vornehmen Damen die Kranken in den Spitälern von Bilbao aufzusuchen, wo sie sich vor­nehmlich in den Frauenabteilungen aufhielt und sich dort in erster Linie um die kranken Mädchen kümmerte, die keine Familie hatten und Hilfe brauch­ten. Es handelte sich für gewöhnlich um Mädchen vom Lande, die in die Stadt gekommen. waren, um Arbeit zu finden und stattdessen ausgebeutet wurden. Die Sorge für die weibliche Jugend wurde zum Mittelpunkt ihrer seelsorgli­chen Arbeit. Dafür opferte sie ihre Zeit, ihre Gesundheit, ihr Geld, und bei vielen Gelegenheiten warf sie sogar ihr Leben in die Waagschale.

1883 starb plötzlich ihre Mutter. Von da an betreute Rafaela mit der ganzen Zuneigung einer liebevollen Tochter ihren Vater bis zu dessen Tod im Jahre 1890, wobei sie in ihrer Einheit mit Gott immer mehr wuchs. 1885 legte sie mit Zustimmung ihres Gatten die zeitlichen Gelübde der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams ab. 1890 besiegelte sie diesen Vorsatz für immer und gab zudem noch das schwierige Versprechen, bei allem stets den bestmög­lichen Weg finden zu wollen. Sie widmete sich fortan besonders den Armen. Mit Besonnenheit und Umsicht verteilte sie die reichlichen Gelder, die ihr Mann ihr für diesen Zweck großzügig zur Verfügung stellte, zusammen mit dem, was sie selbst erwirtschaftete, wobei sie persönlich ein sehr beschei­denes Leben führte. Dem fügte sie noch hinzu, was sie von ihren Kindern, den zahlreichen Familienmitgliedern und anderen Freunden geschenkt bekam.

Ihr Werk begann sie mit der Eröffnung eines Hauses für junge Frauen. 1885 gründete sie zur Beherbergung der in die Stadt kommenden Mädchen die Gesellschaft von der Hl. Familie, die innerhalb kurzer Zeit so stark an­wuchs, dass sie in ein größeres Gebäude übersiedeln musste.

In der Zwischenzeit erfuhr sie von der vom hl. Vinzenz Löpez Vicuiia ge­gründeten Kongregation der Töchter von Maria Immaculata in Madrid, die sich um die jungen Hausmädchen kümmerten, und trieb die Gründung einer ähnlichen Einrichtung in Bilbao voran, die 1892 eröffnet wurde. Während dieser Zeit dachte sie auch an die Errichtung eines Mütterheimes, das es in Bilbao bislang nicht gab. Sie litt nämlich sehr darunter, wenn sie die gedemü­tigten jungen Mädchen sah, die ihre Schwangerschaft bis zur Geburt verber­gen mussten. Das Werk wurde 1891 eingeweiht.

Um die Anfragen der vielen Menschen, die sich an sie wandten, bewältigen zu können, eröffnete sie um 1889 ein Büro, das täglich von 60 bis 70 Perso­nen frequentiert wurde. Sie bot finanzielle Hilfestellung und suchte Arbeit für die Bedürftigen.

Im Jahre 1893 eröffnete Rafaela auch ein Haus, um jungen Mädchen Unter­kunft und Arbeit zu geben. Sie nannte es „Haus der Beharrlichkeit“. Genau dies war nämlich der Zweck des Hauses: die Beharrlichkeit der Mädchen für das Gute. Gleichzeitig reorganisierte sie die Gesellschaft von der Hl. Familie und rief die „Junta de Obras de Celo“ ins Leben, die alle Bereiche der Hilfe­stellung für junge Mädchen abdeckte, indem sie sich neben dem üblichen ad­ministrativen Aufwand bei der Aufnahme gefährdeter und arbeitsloser junger Frauen auch um die Spitäler, die Mütterheime und um das Frauengefängnis kümmerte.

Während Rafaela 1894 das Werk der Ausdauer weiter vorantrieb und dabei sah, dass auch den ganz jungen Mädchen geholfen werden musste, um sie vor Gefahren zu schützen, gründete sie eine religiöse Gemeinschaft, die ihren Namen und ihre Spiritualität weitertragen sollte und die sie Kongregation der Schwestern von den heiligen Schutzengeln nannte.

Die letzten Jahre Rafaelas waren von der gänzlichen Entäußerung und auch vom Verlust von Angehörigen gekennzeichnet. Im Mai 1898 starb ihr Ehe­mann Jos6 Vilallonga, der sich in seinem Leben sehr verdient gemacht hatte. Zur Witwe geworden, wollte auch sie in die von ihr gegründete Gemeinschaft eintreten, um sich mit ganzer Hingabe dem religiösen Leben zu widmen. Im selben Jahr starb jedoch auch eine Schwiegertochter, die sechs kleine Kinder hinterließ, welche Rafaela anvertraut wurden. So musste sie ihren Wunsch, in das Institut einzutreten, aufgeben und widmete sich mutig der Erziehung der kleinen Neffen und Nichten.

Inzwischen begann Rafaela zunehmend körperliche Beschwerden zu verspü­ren; es waren dies die Symptome eines Magenkrebses. 1899 intensivierte sie trotz Erkrankung ihre Arbeit, um der Kongregation der Schwestern von den heiligen Schutzengeln eine endgültige Ordnung zu geben, die am 11. März 1901 die diözesane Approbation und später die definitive Anerkennung des Hl. Stuhls erhielt.

Vom 26. Dezember 1899 an war sie bettlägerig. Am 14. Januar 1900 richte­te sie an ihre Schwestern ein letztes Schreiben, in dem sie ihr geistiges Ver­mächtnis zusammenfasste. Am 22. Februar lauschte sie in freudiger Andacht den Sterbegebeten und erneuerte die Gelübde, mit denen sie sich Gott geweiht hatte. Bald darauf fiel sie in Agonie und starb schließlich am Morgen des 23. Februar 1900 in Bilbao, im Alter von 57 Jahren, betrauert von ihren Ver­wandten, den Mitschwestern und Mitarbeiterinnen und einer großen Schar von Menschen.

Ihr Grab befindet sich im Colegio Angeles Custodios, calle Za­balbide, 21, Bilbao, Spanien.

Am 30. September 1984 wurde Rafaela Ybarra de Vilallonga von Papst Jo­hannes Paul II. seliggesprochen.


RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1979 – 1985. Innsbruck: Resch, 2000 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 1). XII, 248 S., 56 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-070-4, Ln, EUR 24.60 [D], 25.44 [A]

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