Andreas Resch: Pius IX., Johannes Maria Mastai Ferretti


PIUS IX.

(1846-1878)

JOHANNES MARIA MASTAI FERRETTI
(1792-1878)

Selig: 3. September 2000
Fest: 7. Februar

PIUS IX., JOHANNES MARIA MASTAI FERRETTI, wurde am 13. Mai 1792 als neuntes Kind von Girolamo Graf Mastai Ferretti und Caterina Solazzi aus lokalem Adel in Senigallia, Italien, geboren und noch am gleichen Tag auf den Namen Johannes Maria getauft. Nach einer Grundausbildung im Kreis seiner tiefgläubigen Familie empfing er 1799 das Sakrament der Firmung. 1803 ging er mit elf Jahren zur Erstkommunion und wurde noch im gleichen Jahr nach Volterra gebracht, um sich dort bis 1808 im – damals so genannten – Kolleg der Piaristen den Studien von Grammatik und Rhetorik zu widmen, bis er nach einem schweren epileptischen Anfall das Kolleg verlassen und nach Hause zurückkehren musste.

Im Oktober 1809 begab sich Mastai Ferretti zu höheren Studien nach Rom. Wenngleich er sich noch nicht für das Priestertum entschieden hatte, so führte er doch ein vorbildliches Leben, wie sich nach Abschluss der geistlichen Exerzitien 1810 bei der einen oder andern Gelegenheit zeigte. Eine nicht eindeutig diagnostizierte Krankheit – man sprach von Epilepsie – zwang ihn 1812 zu einer Unterbrechung seiner Studien und befreite ihn außerdem vom Militärdienst. 1815 wurde er in die Päpstliche Nobelgarde aufgenommen, aufgrund seiner Krankheit jedoch unmittelbar darauf wieder entlassen. Damals geschah es, dass der hl. Vinzenz Pallotti ihm das Pontifikat prophezeite und die Jungfrau von Loreto ihn schrittweise von seinem quälenden Leiden befreite.

Nach einer kurzen Tätigkeit am Bildungsinstitut Tata Giovanni nahm Mastai Ferretti 1816 als Katechet an einer denkwürdigen Mission in Senigallia teil und entschied sich anschließend für den geistlichen Stand. Er nahm den Talar und erhielt 1817 die niederen Weihen, 1818 das Subdiakonat und 1819 das Diakonat. Am 10. April desselben Jahres wurde er dank eines speziellen Indults zum Priester geweiht. Die erste heilige Messe feierte er in der Kirche Sant’Anna dei Falegnami am Institut Tata Giovanni, zu dessen Rektor er ernannt wurde und wo er bis 1823 blieb. Schon bald erwies er sich als sehr eifrig im Gebet, in der Verkündigung des Wortes, den Gottesdiensten, im Beichtstuhl und vor allem im Almosengeben zum Wohle der Geringsten und Bedürftigsten.

1823 verließ er das geliebte Tata Giovanni, um dem Apostolischen Nuntius Msgr. Giovanni Muzi nach Chile zu folgen. Nach der Rückkehr nach Rom 1825 wurde er zum Präsidenten des Ospizio di San Michele in Ripa ernannt – eine Aufgabe, die er zur größten Zufriedenheit erfüllte, ohne dabei je seinen gewohnten seelsorglichen Einsatz zu vernachlässigen.

Zwei Jahre später, am 21. Mai 1827, wurde er mit nur 35 Jahren als Erzbischof von Spoleto präkonisiert. Er nahm das Amt in Gehorsam an und zeigte einen geradezu beispielhaften pastoralen Eifer, wenn auch von großem Leid überschattet. 1831 ebnete sich die Revolution, ausgehend von Parma und Modena, unter Betrug und Täuschung ihren Weg nach Spoleto. Der tief betrübte Erzbischof wollte kein Blutvergießen und machte die schändlichen Folgen der Gewalt, soweit möglich, wieder gut. Nachdem wieder Ruhe eingekehrt war, predigte er Frieden und Vergebung für alle, auch für jene, die es nicht verdienten.

Am 17. September 1832 wurde Msgr. Mastai Ferretti auf den Bischofssitz von Imola versetzt, wo er in seinem pastoralen Stil fortfuhr – als erfolgreicher und überzeugender Prediger, bereit zu allumfassender Nächstenliebe und besorgt um das spirituelle wie materielle Wohl der Diözese. Ebenso beispielhaft war sein Wirken zugunsten der frommen Werke, der Schulen und der Integrität der Familie.

Am 23. Dezember 1839 wurde er „in pectore“ zum Kardinal ernannt; öffentlich wurde dies am 14. Dezember 1840 im Konsistorium. Am 16. Juni 1846 wurde er schließlich im vierten Wahlgang mit 36 von 50 Stimmen der im Konklave anwesenden Kardinäle im Alter von nur 54 Jahren zum Pontifex Maximus gewählt und nach Annahme des Namens Pius IX. am 21. desselben Monats gekrönt.

Die Last des historischen Augenblicks, in dem Pius IX. sich an der Spitze der Kirche befand, ist gekennzeichnet durch die nur allzu bekannten politischen, sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten sowie durch große lehramtliche und kulturelle Probleme, auf die der Papst eine Antwort geben musste. Pius IX. zeichnete sich daher als ein Papst aus, der Standhaftigkeit und Verständnis, Loyalität und Offenheit in sich vereinte.

Am 16. Juli 1846 erließ er eine Amnestie für politische Vergehen. Von August 1846 bis März 1848 war die Zeit der großen Reformen des Kirchenstaates. 1847 veröffentlichte er ein Dekret über großzügige Pressefreiheit, setzte die Zivilgarde ein, den Stadtrat und Gemeinderat sowie den Staatsrat und den Ministerrat. In der Frage der italienischen Unabhängigkeit, wenngleich von ihm gutgeheißen und verteidigt, konnte er jedoch nicht das Oberhaupt des Kirchenstaates gegen den Papst ausspielen, der jenseits eines jedes Nationalismus steht, was ihm die Gunst der Liberalen verscherzte. So sank der politische Stern von Mastai Ferretti mit der Allokution vom 29. April 1848 gegen den Krieg mit Österreich; ein langer Kreuzweg begann. Die Ereignisse von 1848 überstürzten sich, vor allem als am 15. November der Regierungschef Pellegrino Rossi getötet wurde und Pius IX. am 24. November 1848 nach Gaeta flüchten musste. Nach Ausrufung der Römischen Republik am 9. Februar 1849 übersiedelte er am 4. September des Jahres nach Portici und zog dann am 12. April 1850 in Rom ein, wo er eine weitsichtige Erneuerung der Kirche in Angriff nahm.

Ebenfalls 1850 stellte Pius IX. den Staatsrat wieder her, setzte den Finanzrat ein, erließ eine weitere Amnestie, erneuerte die katholische Hierarchie in England und drei Jahre später in Holland. Besonders am Herzen lagen ihm die Missionen, denen er vor allem in Lateinamerika neue Impulse gab. Nordamerika verdankt ihm den ersten Kardinal. Pius IX. förderte die Traditionen und Riten der Orientalischen Kirche und legte mit Einsetzung der autonomen Sektion für die Orientalen in der Kongregation Propaganda Fide den Grundstein für die Kongregation der Ostkirchen. Größte Sorge hegte er für eine entsprechende geistliche und intellektuelle Vorbereitung und Ausbildung des Klerus und gründete eine Unzahl an Seminaren in Rom und auf der ganzen Welt. Zu erwähnen ist das Seminar Pius, das auf seine Kosten errichtet wurde.

Ebenso am Herzen lag ihm eine bestmögliche Pflege des Ordenslebens. Unzählige neue Institutionen fanden in Pius IX. nicht nur einen Förderer, sondern praktisch auch einen Gründer, sodass z. B. die Gemeinschaft der Salesianer des hl. Johannes Bosco Pius IX. als ihren zweiten Gründer anerkennt. Er erneuerte die ältesten Institute und religiösen Orden und flößte ihnen offenbar auch neues Leben ein.

1853 verurteilte er die gallikanischen Lehren. Bald darauf erwies er auch den Katakomben seine Großzügigkeit und errichtete die Kommission der Christlichen Archäologie. Am 8. Dezember 1854 schließlich proklamierte er das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis. Das Jahr schloss mit der Einweihung der wiedererrichteten Basilika von St. Paul, die durch den Brand von 1823 zerstört worden war. Zwischen 1855 und 1866 schickte Pius IX. Missionare zum Nordpol, nach Indien, Birma, China und Japan. Alles war eingebunden in eine übernatürliche Atmosphäre, verwirklicht durch Gebet und tägliche Nächstenliebe.

1856 approbierte er den Plan für die Eisenbahnlinien im Kirchenstaat, der am 24. April 1859 mit der Strecke Rom – Civitavecchia seine erste Umsetzung erfuhr. Vom 4. Mai bis zum 5. September 1857 besuchte Pius IX. seinen Staat und wurde dabei von der Bevölkerung überall mit Jubel empfangen.

Inzwischen zogen durch die Kriege des Risorgimento dunkle Wolken über ihm auf. Im April 1860 fielen die Gesandtschaften, im September wurden die Marken und Umbrien dem italienischen Reich einverleibt. Pius IX. fuhr, tief betrübt, aber nicht besiegt, in seiner allumfassenden Nächstenliebe und Sorge fort. Am 1. Juli 1861 erschien die erste Ausgabe des Osservatore Romano und 1862 errichtete er ein Dikasterium für die Belange mit den Orientalen. Am 8. Dezember 1864 veröffentlichte er die Enzyklika Quanta Cura und erließ den Syllabus zur Verurteilung der Irrtümer des modernen Liberalismus, in dem er eine Ideologie der Negation des Übernatürlichen sah. 1867 beging Pius IX. mit besonderer Festlichkeit die 1800-Jahr-Feier des Martyriums der hll. Petrus und Paulus. 1868 approbierte er die „Gesellschaft der Katholischen Jugend Italiens“ und erhielt zu seinem Priesterjubiläum 1869 Glückwünsche aus aller Welt. Am 8. Dezember 1869 eröffnete er das I. Ökumenische Vatikanische Konzil, welches zwei Konstitutionen erließ – „Dei Filius“ und „Pastor Aeternus“ vom 18. Juli 1870 – sowie die Unfehlbarkeit des Römischen Papstes definierte, wenn er „ex cathedra“ spricht. Die vorzeitige Schließung 1870 wurde notwendig durch die sich überstürzenden politischen Ereignisse.

Mit dem Fall Roms und dem Ende der zeitlichen Macht am 20. September 1870 schloss sich der verbitterte Papst im Vatikan ein und betrachtete sich als Gefangenen, wobei er sich gegen „Garantiegesetze“ stemmte, aber auch das Werk der Kongresse (1874) approbierte, 1875 die Kirche vom Heiligsten Herzen Jesu weihte, über die Bulle „Non expedit“ die Teilnahme der Katholiken am politischen Leben regelte und die katholische Hierarchie in Schottland (1878) erneuerte.

Gesundheitlich angeschlagen hielt er am 2. Februar 1878 seine letzte Rede an die Pfarrer der Ewigen Stadt. Am 7. Februar starb Pius IX. nach 32 Jahren des Pontifikats.

Seine sterblichen Überreste ruhen in der Basilika San Lorenzo al Verano in Rom.

Am 3. September 2000 wurde Pius IX. Johannes Maria Mastai Ferretti von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1996 – 2000. Innsbruck: Resch, 2010 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 4). XIII, 376 S., 86 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-088-9, Ln, EUR 39.90 [D], 40.98 [A]

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