Andreas Resch: Philipp Rinaldi


PHILIPP RINALDI
(1856-1931)

PRIESTER
UND REKTOR MAJOR

DER KONGREGATION DER SALESIANER
DON BOSCOS

Selig: 29. April 1990
Fest: 5. Dezember

PHILIPP RINALDI wurde am 28. Mai 1856 als achtes von neun Kindern in Lu Monferrato (Alessandria), Italien, geboren und am gleichen Tag auf den Namen Peter Philipp getauft. Die Eltern Christophorus Rinaldi und Antonia Brezzi waren wohlhabende Bauern. Die Familie konnte auf eine lange und starke christliche Tradition zurückblicken, waren doch mehr als 20 ihrer Mitglieder Welt- oder Ordenspriester bzw. Nonnen.

In diesem ländlichen, christlich geprägten Umfeld erhielt Philipp seine erste Erziehung, auf der sein ganzes Leben aufbaute. Die Mutter hatte einen besonderen Einfluss auf ihn. Nach dem privaten Besuch der Volksschule trat er 1866 in das Kolleg des Nachbardorfes Mirabello ein, mit dem Don Bosco sein erstes Werk außerhalb Turins eröffnet hatte. Hier hatte Philipp zweimal die Gelegenheit, im November 1866 und am 9. Juli 1887, mit Don Bosco zusammenzutreffen und bei ihm zu beichten. Später erzählte er, dass er während der Beichte „im Antlitz des Heiligen plötzlich ein geheimnisvolles Licht aufleuchten“ sah. Dies erklärt die Anziehungskraft, die Don Bosco auf ihn ausgeübt haben muss, wenngleich Rinaldi nach Abschluss des ersten Kollegjahres (1866/67) nach Hause zurückkehrte.

Zehn Jahre hindurch half er daraufhin seiner Familie wieder bei der Feldarbeit und führte nebenbei ein vorbildliches religiöses Leben. Kaum achtzehnjährig wurde er zum Prior der Bruderschaft von San Biagio ernannt. 1876 traf er erneut mit Don Bosco zusammen, der ihn nicht aus den Augen verloren hatte und ihn zu einer Entscheidung drängte. Im Gespräch bestätigte sich ein weiteres Mal, was ihm schon in Mirabello aufgefallen war: „… sein Gesicht begann zu leuchten, anschließend ging von der ganzen Gestalt ein starkes Licht aus, das stärker war als das der Sonne, bis er nach einigen Augenblicken wieder sein normales Aussehen hatte“. Philipp war sich seiner Berufung inzwischen sicher. „Nachdem ich mich von Eltern und Verwandten verabschiedet hatte, kehrte ich der Welt, die mich der schönsten Jahre meines Lebens beraubt hatte, den Rücken.“ 1877 verließ er das Dorf und trat in das Kolleg von Sampierdarena ein – mit dem festen Entschluss, Salesianer zu werden. Er war zwanzig Jahre alt, hatte die schulischen Schwierigkeiten aber bald überwunden. Die zweite Klasse Gymnasium übersprang er, die dritte schloss er mit großem Erfolg ab. In der Folge besuchte er die staatliche Schule als Privatschüler und erhielt die Lehrbefähigung.

Am 8. September trat Rinaldi in das Noviziat von San Benigno Canavese (Turin) ein und am 20. Oktober erhielten er und weitere 50 Novizen aus Don Boscos Hand das Ordenskleid. Am 13. August 1880 legte Rinaldi die ewige Profess ab. Man kann sagen, dass er von dem Augenblick an der direkten und persönlichen Führung Don Boscos unterstand, der die Aufgaben und Ziele auf seinem Weg vorzeichnete. Da Rinaldi in seiner Ausbildung schon weit vorangeschritten war, trieb ihn Don Bosco noch stärker zum Studium an. So erhielt er in kurzen Intervallen die Weihen und wurde am 23. Dezember 1882 in Ivrea zum Priester geweiht.

Don Bosco, der Rinaldis Tugenden und seine apostolische Haltung intuitiv erfasst hatte, ernannte ihn nach nur einem Jahr als Priester zum geistlichen Begleiter der „Söhne Mariens“, der Spätberufenen in Mathi Torinese. Don Rinaldi verstand es, unter den jungen Leuten eine echte familiäre Atmosphäre zu schaffen. Von Mathi wurde er mit derselben Aufgabenstellung in das Haus S. Johann Evangelista nach Turin geschickt, wo er fünf Jahre hindurch das Privileg genoss, wöchentlich bei Don Bosco zu beichten, der ihm tiefe spirituelle Vertrauensbeweise bekundete. Es waren die Jahre, in denen er als Priester wie als Salesianer zu einer echten Reife gelangte.

1889 wurde er von seinem Nachfolger Don Rua in einer Blitzentscheidung nach Spanien geschickt – als Leiter des Hauses von Sarrià bei Barcelona. Don Rinaldi lernte zwar die spanische Sprache nie perfekt, aber er „liebte Spanien, als wäre er dort geboren“, und erwarb sich allgemeine Wertschätzung. Mit tatkräftiger Unterstützung seiner Mitarbeiterin Dorotea Chopitea Serra machte er Sarrià zum Mutterhaus des salesianischen Werkes in Spanien und Portugal. Von dort aus verbreitete sich die Kongregation über die ganze Halbinsel, auch unter Zuzug der Töchter von Mariahilf, die Don Rinaldi über die Pyrenäen gebracht hatte.

Mit der Errichtung der spanischen Salesianerprovinz 1892 war Don Rinaldi praktisch zehn Jahre lang deren erster Repräsentant und die Seele des Ganzen. In neun Jahren eröffnete er 29 Häuser, sodass man ihn als den „Begründer“ des salesianischen Werkes in Spanien betrachten kann. Wollte man seine Arbeit dort abschätzen, genügt es sich zu vergegenwärtigen, dass das Werk nach seinem Weggang in drei Provinzen aufgeteilt wurde.

1901 wollte ihn Don Rua als Generalpräfekten (Vikar) der Kongregation in Turin an seiner Seite haben. Da Don Rinaldi ein bewegtes Leben gewohnt war, musste er sich in seinem neuen Aufgabenbereich nun völlig umstellen, passte sich aber aus Gehorsam und Veranlagung dem neuen Lebensstil an, wenngleich er sich trotz allem nicht an die Schreibtischarbeit binden ließ.

In der Tat veranlasste ihn seine Priesterseele zu weiteren Werken und Aktivitäten, die von großem Eifer zeugen. So zelebrierte er jeden Morgen um 4.30 Uhr die hl. Messe und saß anschließend stundenlang im viel besuchten Beichtstuhl. Die Zahl seiner Beichtkinder stieg mit den Jahren an. Wenngleich er kein Redner im klassischen Sinn war, predigte er doch viel und mit geistreichen Worten im Tagesheim der Mädchen sowie vor Schwestern und Mitbrüdern. 1907 wurde er zum Leiter des Mädchenoratoriums bei den Töchtern von Maria Hilf in Valdocco (Turin), nahe dem Mutterhaus der Salesianer, ernannt. Als solcher zelebrierte Rinaldi die Sonntagsmesse und den Abendgottesdienst, fungierte als Prediger und Beichtvater, empfing Schwestern und Mädchen zur Aussprache und förderte das Leben in den vielen aktiven Gemeinschaften. Er beschnitt nicht den Aufgabenbereich von Schwestern und Laien in Führungspositionen, war in Wirklichkeit aber stets präsent und gab vielerlei Anregungen. Er war der gute Vater, der bei den Jungen in allem die Stelle Don Boscos einnahm. Das durch ihn unter der Jugend erzeugte spirituelle Klima führte zur Entwicklung eines Projekts und zu dessen allmählicher Umsetzung in einer neuen Form „geweihten Lebens in der Welt“, das sich heute im Säkularinstitut der „Volontäre Don Boscos“ fortsetzt.

Rinaldi erkannte die Bedeutung der Laien im kirchlichen Leben und förderte daher die Vereinigungen der Mitarbeiter (praktisch der Dritte Orden der Salesianer), der ehemaligen Schüler der Salesianer sowie der ehemaligen Schülerinnen der Töchter von Maria Hilf. Anlässlich eines internationalen Kongresses 1911 mit Teilnehmern aus zwanzig Nationen rief er eine „Föderation“ weltlichen Charakters ins Leben, die erste in der Welt unter den ehemaligen Studenten sämtlicher katholischen Schulen.

Für seine Mitbrüder und die Töchter von Maria Hilf war er ein „Meister salesianischen Geistes“, der den Studenten der Theologie über Jahre hinweg die Theorie und Praxis der salesianischen Unterrichtsmethodik nahe brachte. Nach seiner Wahl zum Rektor Major der Salesianischen Gemeinschaft am 4. April 1922 gab er dem gesamten Leben der Kongregation einen außergewöhnlichen Impuls. „Er kümmerte sich mit Elan um die Charakterbildung, die er mit seinen Zirkeln, Visiten, Konferenzen und speziell durch häufige Zusammenkünfte von Inspektoren, Novizenmeistern und Leitern der Ausbildungshäuser tatkräftig förderte.“ Er erschien allen als „das lebende Abbild Don Boscos“. Die Berufungen hatten dadurch einen außergewöhnlichen Anstieg zu verzeichnen. So stieg die Zahl der Salesianer von 4.000 auf 8.000 und der Häuser von 400 auf 650. Trotz gesundheitlicher Probleme unternahm er viele Reisen und gewann die Sympathien der Menschen mehr durch seine Herzensgüte als durch die Dynamik der Handlung.

Das wichtigste Ereignis während seiner Zeit als Rektor war die Seligsprechung Don Boscos 1929, was ihm Gelegenheit bot, das Charisma des Gründers in seiner Authentizität wiederzubeleben.

Gleichzeitig hatte sich aber auch Rinaldis Gesundheitszustand verschlechtert. Vor allem die zunehmenden Herzprobleme steigerten in ihm den Wunsch, auf sein Amt zu verzichten. Doch fuhr er bis zum letzten Atemzug fort, seine Mitbrüder zu empfangen, einige der schönsten Rundschreiben zu verfassen und Konferenzen abzuhalten. Sein moralisches Prestige war nie so wirksam wie in dieser letzten Zeit seines Lebens. Der Tod ereilte ihn – wie von ihm vorausgesehen – plötzlich am 5. Dezember 1931.

Sein Grab befindet sich in der Basilika von Maria Hilf in Turin, Italien.

Am 29. April 1990 wurde Philipp Rinaldi von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1986 – 1990. Innsbruck: Resch, 2005 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 2). XIII, 298 S., 69 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-076-X, Ln, EUR 25.70 [D], 26.52 [A]

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