Andreas Resch: Petrus vom hl. Joseph Betancur

PETRUS VOM
HL. JOSEPH BETANCUR
(1626-1667)

FRANZISKANER-
TERZIAR
UND GRÜNDER
DES INSTITUTS DER
BETHLEHEMITEN
UND DER
BETHLEHEMITINNEN

Selig: 22. Juni 1980
Heilig: 30. Juli 2002
Fest: 25. April

PETRUS VOM HL. JOSEPH BETANCUR wurde laut neuesten Unterlagen nicht 1619, sondern am 16. Mai 1626 in Vilaflor, Teneriffa, Kanarische Inseln, Spanien, geboren. Seine Familie war arm, aber reich an Glauben und Güte. Die Eltern, Amador González von Betancur und Ana Garciá, waren in den Augen ihrer fünf Kinder, von denen Petrus das älteste war, außergewöhnliche und beispielhafte Christen. In seiner Jugend betätigte sich Petrus als Schafhirte in den lieblichen Tälern zwischen „Las Cañadas del Teide“ und „El Medano“. Er wurde dabei nicht müde, die Natur und die unendliche Größe Gottes zu betrachten. Viermal in der Woche fastete er und ernährte sich nur von Brot und Wasser – eine Ange­wohnheit, die er ein ganzes Leben beibehielt. Nachdem er zunächst eine Hei­rat erwogen hatte, entschied er sich schließlich, allein und nur für Gott und die Mit­menschen zu leben.

So verließ er am 18. September 1649 die Heimat und be­siegelte damit seine bedingungslose Hingabe an Gott und den Nächsten. Er setzte sich in die Neue Welt ab, vorerst nach Havanna auf Kuba. Dort fühlte er sich im Großstadtverkehr völlig verloren. Während er auf die Weiterreise wartete, erlernte er in der Wollspinnerei des Hieronymus Suárez die Kunst des Webens. Schließlich gelangte er am 18. Februar 1651 über die Matasanos-Brücke in die blühende Stadt Santiago de los Caballe­ros de Guatemala, von der er sich auf geheimnisvolle Weise ange­zogen fühlte. „Hier will ich leben und sterben“, war sein Ausruf, als er nach siebzehnmonatiger Reise inmitten ständig wechselnder Ereignisse endlich den Fuß auf den Boden seiner Träume setzte.

Aufgrund einer Erkrankung war Petrus so sehr am Ende seiner Kräfte, dass sein erstes Quartier ein Spital war, in das er in Lebensgefahr eingeliefert wurde und so erstmals mit den Leiden der Indianer in Berührung kam. Nach seiner ungewöhnlichen Heilung wurde er in dieser Stadt sesshaft, widmete sich Werken der Nächstenliebe und führte selbst ein spartanisches Leben. Im Kontakt mit den Armen lernte er das harte Los der „Indios“ und „Sklaven“ kennen, die triste Lage unzähliger armer und verlassener Menschen, sich selbst überlassener Kranker und herumstreunender Kinder ohne jede Schulbildung. Inmit­ten dieser Menschen blieb ihm kein Schmerz und keine Not verborgen und er begann immer mehr zu verstehen, warum es ihn von zu Hause weggezogen hatte: „um sich als Armer den Armen zu widmen, für sie zu leben und zu sterben“.

Er bewohnte ein kleines Zimmer, das er tagsüber für die in Guatemala-Stadt vagabundierenden Kinder öffnete. In seiner Freizeit begann er mit deren Kate­chese und wandte dabei eine eigene Methode an: Unter­richt in Verbindung mit Gesang, Tanz und Spiel. Singend rezitierte er während der Pro­zession den Rosenkranz, und das einfache Volk folgte ihm mit Begeisterung. Mit dieser Form der Unterweisung griff er pädagogischen Methoden vor, die sich Jahr­hunderte später bestätigt finden sollten. Die Tage waren ausgefüllt mit Arbeit, Unterricht und Besuchen bei den Ar­men, Kranken und Gefangenen, während die Nächte allein dem Herrn gehörten. Er versuchte sich möglichst lange wach zu halten, erlegte sich Bußübungen auf, lud ein Kreuz auf sich und stieg, in grobes Leinen gehüllt, zur Kirche auf dem Kalvarienberg empor, ganz dem Herrn ergeben, um durch sein Opfer See­len zu retten.

Im Jahre 1652 schloss sich Betancur – dem wegen mangelnder Ausbil­dung der Weg zum Priestertum versagt blieb – dem Dritten Orden des hl. Fran­ziskus an, dessen Mitglieder den Habit des Ersten Ordens trugen, jedoch ohne Kapuze. Seine schöpferische Begabung veranlasste ihn, ein eindrucksvolles und dauerhaftes Zeichen zu setzen. Als erste Stätte seines großen Werkes der Nächstenliebe wählte er eine kleine Strohhütte, weil einst in Bethle­hem, auf Stroh, Gott in die Welt gekommen war, der die Liebe ist. So wurde die­se Herberge, das kleine „Bethlehem von Guatemala“, zum Zentrum der Liebe Gottes.

Bethlehem war für Betancur symbolisch für die höchste Armut des Mensch gewordenen Gottes, der sich bedingungslos und ohne Vorbehalte in den Dienst der Menschheit gestellt hatte. Durch die Fleischwerdung ist jeder Mensch zum Bruder Christi, seinem Abbild, geworden, bei dem es keinen Unterschied nach Kategorien, Klassen oder Farben gibt. Alle haben dasselbe Anrecht auf seine Liebe und seinen Beistand. Alle, vor­nehmlich aber die Priester und die armen, häufig vergessenen Studenten. Aus dieser Vision und Glaubensüberzeugung heraus entstand „Bethlehem“, mit einem Oratorium, einer Schule für Kinder, einem religiösen Zentrum, einer Krankenstation und einer Unterkunft für Studenten, Fremde, arme Priester und Rekonvaleszente ohne Unterschied nach Rasse und Hautfarbe. Die bescheidene Hütte, genannt „Unsere Liebe Frau von Bethlehem“, stand allen offen.

Das alles genügte Betancur aber noch nicht. Es bedurfte auch noch eines Werkes für die aus den Krankenhäusern entlassenen und nach wie vor geschwächten Patien­ten, die mangels entsprechender Pflege dem Tode ausgeliefert waren. Für sie musste ein Spital errichtet werden, das „Spital von Bethlehem“. Betancur bemühte sich mit ganzer Kraft um dessen Realisierung und trug eigenhändig dazu bei, indem er auf seinen eigenen Schultern Lasten schleppte und die Arbeiten zü­gig vorantrieb. Unterdessen war es ihm gelungen, vom spani­schen Königshof die Erlaubnis für die Gründung des genannten Spitals zu erhal­ten, das der Öffentlichkeit zum Segen gereichen sollte. Auf diese Art entstand das erste Rekonvaleszentenheim der Welt.

Die Arbeit forderte aber auch ihren Preis, nämlich Betancurs Gesundheit. Diese hatte er zur Gänze in den Bau des Krankenhauses investiert, ohne Rücksicht auf sich selbst. In dieser Situation beseelte ihn nur ein Gedanke: das Werk sollte ewig währen.

Andere Mitglieder des Dritten Ordens unterstützten sein Bemühen und folg­ten Betancur im Gebet und bei der Arbeit. Das Gemeinschaftsleben nahm zuneh­mend Form an und als Betancur eine Regel erstellte, wurde diese auch auf die eif­rigen Frauen übertragen, die ihm bei der Kindererziehung halfen. Auf diese Weise entstand, was später weite Verbreitung finden sollte: die Kongregation der Bethlehemiten und der Bethlehemitinnen, gegründet im Jahre 1653, um die Zukunft seines Werkes „Bethlehem“ mit dem Weihnachtsfest als Ausgangs­punkt der Erlösung sicherzustellen. So floss sein Herz in der Hl. Nacht über vor Glückseligkeit. Beim Anstimmen des Liedes „Et verbum caro factum est“ im Kloster des hl. Franziskus begann Betancur einen Tanz, der die Anwesenden zu Tränen rührte, weil sie die Anmut der von ihm komponierten und gesungenen Verse erfassten. Nachdem er die Ordensbrüder aufgefordert hatte, sich doch über das Geschenk der Erlösung, das Christus der Menschheit gebracht hatte, zu freuen, sank er vor dem Altar auf die Knie und verharrte dort bis zum Ende der etwa zweistündigen Liturgie in einem Zustand der Ekstase.

Seinen Mitbrüdern hinterließ er als persönliches Vermächtnis, mit der vierzigstündigen Ausstellung und Anbetung des Allerheiligsten um Mitternacht zu beginnen und dieses unter einem kleinen Thron aus Stroh zur Geburtsstunde Christi auszusetzen. Da er den Heilsplan aus seinem Verständnis heraus kundtun wollte, lieferte er zudem einen Beweis für die besondere Verehrung Mariens, deren Unbefleckte Empfängnis er durch eine mit Eigenblut geschriebene Glaubenserklärung untermauerte.

All diese Anstrengungen zehrten stark an seinen Kräften. Eine plötzliche Krankheit schuf eine Realität, die er längst kannte und von der er genau wusste, wann sie eintreten würde. Er verfasste ein Testament mit klaren Anweisungen in Bezug auf die Weiterführung seines Werkes. Noch auf dem Sterbebett legte er seinem Nachfolger Rodrigo de la Cruz und allen Schwestern und Brüdern der von ihm gegründeten Gemeinschaften jene Kardinaltugend ans Herz, die er in Bethlehem aus der Betrachtung des Mysteriums des Fleisch gewordenen Wor­tes geschöpft hatte: die Demut. Als er dem Tode nahe war, wollten ihn alle noch ein letztes Mal sehen und sich von ihm verabschieden. Er aber zog es vor, die letzten Momente seines Lebens mit seinen Beichtvätern zu verbringen: „Als ihn diese verließen, zog er sich in das Innerste seiner Seele zurück und war so versunken in die Einheit mit Gott, dass er mit zum Himmel gerichtetem Blick wie von tiefem Schlaf getragen und in eine liebende Ekstase entrückt verblieb.“

Petrus Betancur starb, gestärkt durch die letzte Wegzehrung, am Montag, den 25. April 1667 in Guatemala-Stadt nach 15-jährigem Wirken in Guatemala, im 41. Lebensjahr und im Ruf der Heilig­keit. Sein Leichnam musste sogleich vor dem Ansturm der Menschen geschützt werden, die eine Reliquie wollten. Nach einigen Tagen wurden in Gegenwart aller staatlichen und kirchlichen Würdenträger und unter Teilnahme einer unschätzbaren Menge von Gläubigen die Beerdigungsfeierlichkeiten abgehalten.

Am 2. Mai 1667 wurde die Gemeinschaft vom König anerkannt und lebte fortan nach den Regeln des Dritten Ordens des hl. Franziskus sowie entsprechend den von Betancur seinem Nachfolger hinterlassenen Modifikationen. Letzterer, Bruder Antonius vom Kreuz, formte aus dem Institut eine religiöse Gemeinschaft mit feierlichen Gelübden nach der Regel des hl. Augustinus. Innozenz XI. gab am 26. März 1687 seine Approbation und Clemens XI. verlieh ihr 1707 die Privilegien der Bettelorden und der Regu­larkleriker.

Betancurs Grab befindet sich in der Kirche San Francisco el Grande in Antigua Guatemala, Guatemala.

Am 30. Juli 2002 wurde Petrus vom hl. Joseph Betancur in der Stadt Guatemala von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen, der ihn bereits am 22. Juni 1980 seliggesprochen und zum Apostel Guatemalas erklärt hatte.

RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Johannes Pauls II. 1982 – 2004. Innsbruck: Resch, 2012 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 5). XIV, 480 S., 109 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-094-0, Ln, EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

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