Andreas Resch: Peter Vigne

PETER VIGNE
(1670-1740)

PRIESTER UND GRÜNDER
DER KONGREGATION DER SCHWESTERN
VOM
ALLERHLST. SAKRAMENT

Selig: 3. Oktober 2004
Fest: 8. Juli

PETER VIGNE wurde am 20. August 1670 in Privas (Vivarais), Frankreich, geboren. Sein Vater, Pierre Vigne, ein Analphabet, war Stoffhändler und kam aus einer begüterten Familie. Die Mutter, Françoise Gautier, eine eher gebildete Frau, entstammte ebenfalls einer wohlhabenden Familie. Bei der Taufe vier Tage später in der katholischen Kirche Saint-Thomas in Privas erhielt der Kleine den Namen Peter. Sein Geburtsstädtchen war damals als „kleine kalvinistische Hauptstadt“ bekannt, in der es häufig zu Zusammen-stößen zwischen Katholiken und Protestanten kam. Peter, das Jüngste von fünf Kindern (zwei Schwestern starben bereits in zartem Alter), lebte mit seinen Eltern und den Geschwistern Jean-François und Eleonore in einem gewissen Wohlstand. Über die Kinder- und Jugendzeit sowie über die ersten Studienjahre ist nur wenig bekannt. Mit elf Jahren wurde Peter vom Seelsorger der Pfarrkirche vermerkt, der ihn als Zeuge in den Pfarreiregistern die Tauf-, Ehe- und Begräbnisakten unterschreiben ließ.

Nachdem er eine sehr gute Erziehung und Ausbildung genossen hatte, wurde Peter eines Tages, gegen Ende seiner Jugendzeit, als er der Gegenwart Christi in der Eucharistie gewahr wurde, entrückt. Er erkannte, dass Jesus Christus aus Liebe zu uns Menschen sein Leben in der Passion, im Tod am Kreuz und in der Auferstehung ohne Einschränkung hingab und dass er sich uns weiterhin im Sakrament der Eucharistie zum Geschenk macht. Von diesem Augenblick an wurde Jesus zum Mittelpunkt seines Lebens und zum Schlüssel seines Glaubens.

Von 1690 an bereitete sich Peter auf das Priestertum vor und trat in das Sulpizianerseminar von Viviers ein. Dort eignete er sich eine strenge Disziplin und eine breite theologische Bildung an, wie seine Bibliothek und die treue Freundschaft zu den Professoren bezeugen. Nach der Priesterweihe durch den Bischof von Viviers am 18. September 1694 in der bischöflichen Kapelle in Bourg Saint Andéol wurde er als Vikar nach Saint-Agrève versetzt, wo er in voller Freundschaft mit dem Pfarrer seinem Priesterdasein nachkam und zur Anlaufstelle für die Pfarrangehörigen wurde.

Stets darauf bedacht, den Willen Gottes in seinem Leben an den Geschehnissen zu erkennen, fühlte er sich zu anderem berufen. Sein spiritueller Weg verlief anfangs eher zögerlich, dann aber zunehmend entschiedener. Es war vielleicht der Wunsch, Missionar unter den Armen zu werden, nach mehr Einsatz in Richtung Vervollkommnung der evangelischen Räte oder das Bedürfnis einer brüderlichen Gemeinschaft, was ihn im Mai 1700 veranlasste, bei den Lazaristen in Lyon einzutreten, die 1625 vom hl. Vinzenz von Paul gegründet worden waren. Dort erhielt er eine strenge Ausbildung in der Gemeinschaft, ausgerichtet auf Armut und Missionsarbeit in der bäuerlichen Bevölkerung. Nach Ablegen der ersten Gelübde am 28. Mai 1702 widmete sich Vigne der Vorbereitung der Volksmissionen gemäß den Regeln des hl. Vinzenz und begann zusammen mit den Mitbrüdern die Städte und Dörfer in der Gegend um Lyon und auch in Béziers zu besuchen, um die christlichen Bewohner zu evangelisieren.

1706, mit 36 Jahren, verließ er die Lazaristen „aus eigener Entscheidung“. Bis 1708 folgte eine Zeit des Suchens, wobei sich seine Wahl nicht sosehr in Richtung eines religiösen Instituts etc. orientierte, als vielmehr auf eine Form der Pastoral hin, die seinem unabhängigen Geist besser entsprach. Von 1708 bis 1712 treffen wir Vigne als vollzeitbeschäftigten „Wandermissionar“ an, wie er – mit Erlaubnis der Bischöfe – überall etwas von seinem eigenen pastoralen Stil an den Mann bringt.

Über dreißig Jahre durchwanderte er zu Fuß und zu Pferd die Straßen von Vivarais, Dauphiné und darüber hinaus, damit die Menschen Jesus Christus kennen und lieben lernten und ihm dienten. Er hielt Predigten, besuchte die Kranken, erteilte den Kindern Katechismusunterricht und spendete die Sakramente, wobei er „seinen“ Beichtstuhl sogar auf dem Rücken trug, um immer bereit zu sein, die Barmherzigkeit Gottes zu vermitteln. Bei seiner Wanderung von Dorf zu Dorf – die großen Städte mied er – feierte er die hl. Messe, stellte das Allerheiligste aus und lehrte die Verehrung der Eucharistie. Maria, „Schöner Tabernakel Gottes unter den Menschen“, nahm ebenfalls eine privilegierte Stellung in seinen Gebeten und im Unterricht ein. Aufgrund seiner seelsorglichen Arbeit wurde Vigne von Pfarrern und Bischöfen gerufen und auch in Rom geschätzt; häufig wiederholte er in einigen Orten die Missionen, die ein bis vier Monate dauerten. Der Zweck war ein dreifacher: Predigen, um die Christen in der Lehre der Kirche und im Glauben zu unterweisen, die Kinder im Katechismus unterrichten und Beichte hören.

Nach Errichtung einiger Kalvarienberge in verschiedenen Ortschaften kam Vigne 1712 eines Tages nach Boucieu-le-Roi in der Diözese Valence, Département Ardéche, dessen Lage es ihm erlaubte, den großen Kreuzweg zu errichten, den er „Kalvarienberg-Reise“ nannte. Mit Hilfe der Pfarrangehörigen aus der Umgebung baute er 39 Stationen auf, die durch das Dorf und die Felder verliefen und die Christen lehren sollten, Jesus vom Letzten Abendmahl bis Ostern und Pfingsten nachzufolgen. Um dieses Ideal des Leidens und der Eucharistie zu verwirklichen, veröffentlichte er das Buch Le Plus Beau Livre (Das schönste Buch) in zwei Bänden (approbiert 1713) und versammelte einige Frauen um sich, denen er auftrug, „die Wallfahrer“ auf dem Kreuzweg zu begleiten, um ihnen meditieren und beten zu helfen. Der Ruf dieses berühmten Kreuzweges zog eine große Zahl von Pilgern aus allen benachbarten Regionen an, darunter auch ein frommes Mädchen namens Margherita von Nozières. Mit ihr arbeitete er den Plan einer Gründung aus, der mit der Ankunft weiterer sechs Gefährtinnen zwischen 1713 und 1715 Realität wurde. Am 30. November 1715 übergab ihnen Peter Vigne in der Kirche von Boucieu-le-Roi ein Messingkreuz, segnete ihre Gewänder und weihte sie dem Kult der Eucharistie, der Verehrung des Kalvarienbergs und der Erziehung der Mädchen. Sie führten ein Gemeinschaftsleben, begleiteten die Pilger, unterrichteten die Kinder, besuchten die Kranken, besorgten das Haus und nannten sich Schwestern vom Kalvarienberg (Soeurs du Calvaire), einerseits wegen des Kreuzes, das sie auf der Brust trugen, andererseits weil sie die Wallfahrer auf dem Kreuzweg (bzw. der „Großen Reise“, wie es damals hieß) begleiteten.

Vigne lud seine Töchter ein, sich bei der Anbetung Jesu im Altarsakrament abzuwechseln und als Antwort auf die Irrtümer der Zeit geschwisterlich zu leben. Die Praktiken, mit denen diese eucharistische Verehrung durchgeführt wurde, waren unterschiedlich: täglich halbstündige Anbetung; feierliche Aussetzung mit Anbetung an allen Donnerstagen und Freitagen des Jahres im Mutterhaus bzw. an allen ersten Freitagen und bei anderer Gelegenheit in den anderen Häusern; besondere Gebete zu Ehren des Allerheiligsten Altarsakraments; Verehrung der Gottesmutter unter dem Titel „Unsere Frau vom Allerheiligsten Sakrament“. In der Tat waren Kreuz und Eucharistie die zwei konvergierenden Pole von Vignes Spiritualität, die sich in die große spirituelle Bewegung der Zeit einfügte. So findet sich bereits 1721 der neue definitive Titel Schwestern vom Allerheiligsten Sakrament (Abb.), insofern die Schwestern vom Kalvarienberg ihr spirituelles Leben auf die eucharistische Anbetung ausrichteten. Besorgt um die Unterweisung der Mädchen, denen der Zugang zum Glauben und die Aneignung von Verhaltensformen ermöglicht werden sollte, die eines christlichen Lebens würdig sind, eröffnete Vigne Schulen und richtete ein „Seminar für Schulleiterinnen“ ein, wie die Lehrerinnen damals genannt wurden.

Ein so vielfältiges Leben erforderte jemanden, der für seine Erhaltung sorgte. So versäumte es Vigne nie, wenn er nach Lyon ging, um Einkäufe zu tätigen, seine früheren Lehrer von San Sulpice aufzusuchen, seinen Beichtvater und seinen Spiritual zu treffen. In der Zwischenzeit lernte er in Valence die Priester vom Allerheiligsten Sakrament (Prétres du St. Sacrement) kennen, eine Gemeinschaft von Weltpriestern, die 1634 von Msgr. d’Authier de Sisgaud gegründet worden war. Vigne, in seiner vollen menschlichen und religiösen Reife, spürte, dass diese Gemeinschaft für ihn ein Werkzeug zur Heiligung sein könnte. Er beschloss daher, sich ihnen anzuschließen, und wurde am 10. Oktober 1723 aufgenommen. Bei den genannten Priestern traf er auf einen gewissen Sinn von Kommunität, mit einer echten Aufteilung zwischen Spirituellem und Materiellem, ohne jedoch die eigene kostbare apostolische Autonomie zu verlieren. Es war eine von den Lazaristen völlig verschiedene Institutsform und so ist es nicht verwunderlich, dass er bei den einen aus- und den anderen eintrat. Von jenem Jahr an bis praktisch zu seinem Lebensende erstreckte sich die große missionarische Zeit, mit den echten und eigentlichen Volksmissionen, aber auch mit unzähligen Predigten da und dort, wobei er die missionarische Arbeit mit der Leitung des Schwesterninstituts verband, was für ihn, wie gewöhnlich, die Ursache nicht weniger Probleme war.

Obwohl sich Vigne den Missionen, den Predigten und der Formation seiner jungen Kongregation widmete, fand er – um die Früchte seiner Arbeit abzurunden – auch noch Gelegenheit, Bücher zu schreiben: Lebensregeln, spirituelle Werke und vor allem Die Meditationen über das schönste Buch, das Jesus Christus ist, der leidet und am Kreuze stirbt.

Schließlich wurde er im Verlauf einer Mission in Rencurel, in den Bergen von Vercors, von plötzlichem Unwohlsein überrascht und musste die Predigt abbrechen. Trotz aller Anstrengung, noch die Eucharistie zu feiern und die Gläubigen zur Liebe zu Jesus zu ermuntern, spürte er sein Ende nahen. Ein Priester und zwei Schwestern, die herbeigeeilt waren, begleiteten ihn die letzten Augenblicke seines Lebens.

Peter Vigne starb am 8. Juli 1740 in Rencurel. Sein Leichnam wurde mit triumphalen Ehren in die Pfarrei Boucieu-le-Roi überführt, wo er den großen Kreuzweg errichtet hatte und wo seine sterblichen Überreste heute noch in der kleinen Kirche ruhen.

Am 3. Oktober 2004 wurde Peter Vigne von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 2001 – 2004. Innsbruck: Resch, 2015 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 6). XIV, 482 S., 110 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-099-5, Ln; EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

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