Andreas Resch: Paulina Visintainer

PAULINA VISINTAINER
(Amabile Luzia)
(1865-1942)

GRÜNDERIN
DER KL. SCHWESTERN
VON DER UNBEFL. EMPFÄNGNIS

Heilig: 19. Mai 2002
Fest: 9. Juli

PAULINA VOM HERZEN JESU IN AGONIE (Amabile Luzia) VISINTAINER wurde am 16. Dezember 1865 in Vigolo Vattaro, damals Südtirol/Österreich, heute Provinz Trient, Italien, als zweites Kind der zahlreichen Nachkommenschaft des Napoleon Visintainer und der Anna Pianez­zer geboren. Bei der Taufe erhielt sie den Namen Amabile Luzia. Die Eltern waren, wie alle Dorfbewohner, arm, aber aufrechte praktizierende Christen.
Über Amabiles Kindheit, die sie in Vigolo Vattaro verlebte, wissen wir nur das, was sie später ihren ersten Gefährtinnen selbst anvertraute: 1873 wurde sie wegen der bitteren Armut der Familie zur Arbeit in die Spinnerei geschickt, wo sie mangels Erfahrung mit dem Auswählen und Trennen der guten von den schadhaften Kokons betraut wurde. Am 27. April 1874 erhielt sie zusammen mit den beiden Geschwistern Ernst und Dominika das Sakrament der Firmung.

Katastrophen und die Armut des Dorfes, die Einladung, die Propaganda und die vom „Vertrag Caetano Pinto“ ausgehenden Versprechungen weckten auch unter den Bewohnern von Vigolo den Wunsch, nach neuen Ufern aufzubrechen. Der genannte Vertrag machte jedoch zur Bedingung, dass nicht Einzelpersonen, sondern ganze Familien umsiedeln sollten. So verließ am 25. September 1875 Napoleon Visintainer mit seiner Frau und den Kindern Ernst, Amabile, Dominika, Alois und Johann Baptist sein Heimatdorf, um nach Brasilien auszuwandern. Mit ihnen gingen die Großeltern mütterlicherseits mit zwei Töchtern sowie der Taufpate von Amabile mit Frau und fünf Kindern. Sie fuhren zunächst nach Le Havre, dem Hafen im Nordwesten Frankreichs, wo sie einen Monat warteten, um auf der „St. Martin“ an Bord zu gehen, die sie bis zum Hafen von Itajai in der Provinz Santa Catarina in Südbrasilien brachte. Dort wurden sie von dem Jesuiten Johann Maria Cybeo begrüßt, der ihnen riet, sich in einem Ort namens Alferes niederzulassen, einer Einöde, die sich zur Kolonisierung anbot: keine Kirche, keine Priester, keine Ärzte, keine Schulen und Lehrer.

Die Zugewanderten errichteten umgehend drei Zentren, die sie mit Namen aus der Heimat be­dachten: Nova Trento, Vigolo und Berenello. Diese lagen unweit der Kapellen der hll. Vigil, Georg und Agatha, benannt nach den Titelheiligen der ehemaligen Heimatpfarren. Amabile war zehn Jahre alt, als sie nach Brasilien kam. Aufgrund der verschiedenen Tätigkeiten, die sie seit dem sechsten Lebensjahr je nach Bedarf im Haus, auf dem Feld und vor allem in der Seidenspinnerei bei der Auswahl der Kokons aus den Seidenballen ausgeübt hatte, wirkte sie aber um einiges reifer.

Was die religiöse Betreuung anbelangte, so hatten die Emigranten das Glück, dass sich im Dezember 1879 auf der Insel Desterro (heute Flo­rianopolis) italienische Jesuiten aus der römischen Provinz ansiedelten.
Nach Empfang der Erstkommunion mit etwa 12 Jahren begann Amabile, soweit als möglich, sich aktiv am Apostolat der Pfarre zu beteiligen. Sie unterrichtete die Kleinsten im Katechismus, besuchte Kranke und beteiligte sich an der Reinigung der Kapelle von Vigolo. In den Ausbildungsjahren zwischen 1880 und 1885 sammelte Amabile gemeinsam mit ihrer Freundin Virginia Nicolodi erste Er­fahrungen ihres apostolischen Lebens. 1885 begann sie in der Nähe der Ka­pelle des Heiligsten Herzens Jesu eine behelfsmäßige Behausung einzurichten, die am 27. Dezember des Jahres in Nova Trento eröffnet wurde, um sich intensiver dem Gebet und apostolischen Werken zu widmen.

Am 7. August 1886 starb Amabiles Mutter bei der Geburt eines Kindes, und so musste sie sich, bis zur Wiederverheiratung des Vaters am 14. August 1890, zwei Jahre lang um die Familie kümmern. Das hinderte sie jedoch nicht daran, ihren Dienst an den Kranken fortzusetzen.

In dieser Zeit, 1889, hatte sie drei verschiedene Träume, die aber alle auf dasselbe hinausliefen: die Versicherung, ihr Werk weiterzuführen. Eine Frau aus der Gemeinde war schwer erkrankt; die Leute und P. Marcello Rocchi SJ ersuchten daraufhin die beiden jungen Frauen Amabile und Virginia, die in einer von den Dorfbewohnern als „St. Vigils-Spital“ bezeichneten Ba­racke untergebrachte und sich selbst überlassene Krebskranke zu betreuen und zu pflegen. Möglich wurde dies durch die Großzügigkeit eines Gönners, der die bescheidene Unterkunft von 6 x 4 m zur Verfügung stellte. Die Übernahme erfolgte am 12. Juli 1890, was als Gründungsdatum der Kongregation der Kleinen Schwestern von der Unbefleckten Empfängnis angesehen wird, die sich aus einer bescheidenen Baracke heraus zu ungeahnter Blüte entwickelte. 1893 stimmten zwei Wohltäter der Errichtung eines größeren Krankenhauses zu, dessen Eröffnung am 12. Februar 1894 erfolgte.

Auf Empfehlung des Obern der Mission übersiedelte Amabile nach Nova Trento, wo am 25. August 1895 das karitative und apostolische Werk Amabiles und ihrer ersten Gefährtinnen vom Bischof der Diözese Curitiba, welche die Provinzen Paranà und Santa Catari­na umfasste, kanonisch approbiert wurde. Mit dieser Approbation nahmen Amabile und ihre Gefährtinnen den Namen Kleine Schwestern von der Unbefleckten Empfängnis (Irmãzinhas da Imaculada Conceição) an, genauso wie es Amabile geträumt hatte, als sie noch bei ihrer Familie lebte. Am 7. Dezember 1895 legten Amabile und ihre beiden Gefährtinnen der ersten Stunde die Gelübde ab und Amabile nahm den Namen Paulina vom Herzen Jesu in Agonie an. Von diesem Tag an wies der Diözesanbischof der neuen Kongregation den Jesuiten Luigi Maria Rossi, Pfarrer von Nova Trento, als Spiritual zu.

Am 29. Oktober 1896 ging die erste Arbeitsstätte in Betrieb und am 7. Juli 1900 erhielt die aufstrebende Gemeinschaft den päpstlichen Segen.

Nachdem Nova Trento einen ersten Aufschwung genommen hatte, verlegte P. Rossi die Kongregation 1903 nach São Paolo und lud auch Sr. Paulina, inzwischen zur Superiorin gewählt, ein, mitzukommen. Sie nahm die Einladung an und gründete das Haus von São Paolo, das auf Anordnung des Erzbischofs von São Paolo zum „Mutterhaus“ wurde. Dort lenkte die Gründerin, die im Februar 1903 in Nova Trento zur Generaloberin gewählt worden war, sechs Jahre lang die Geschicke. Im April 1903 wurde der Bischof von Curitiba der Schutzherr des Werkes von Paulina in seiner Diözese. 1904 vertraute der Erzbischof von São Paolo der neuen Kongregation das Spital von Bragança an. Im August kam der Erzbischof bei einem tragischen Unfall ums Leben. Sein Nachfolger, der ungenauen Informationen Gehör schenkte, entzog Paulina 1909 das Amt der Generaloberin „ad vitam“ (auf Lebenszeit) und wies die Kongregation auf einem Kapitel an, eine neu­e Generaloberin zu wählen. Sr. Paulina nahm ihre Abberufung in Gehorsam und Hingabe an den Herrn entgegen und ging, ohne zu zögern, zunächst als einfache Schwester in das Haus von Bragança Paulista, wo sie neun Jahre hindurch in der Küche, im Garten und in der Krankenpflege tätig war. Dann arbeitete sie ein Jahr im Spital „Santa Casa de Misericordia“ und weitere acht Jahre im Altersheim.

Trotz ihrer Absetzung wurde Mutter Paulina innerhalb der Kongregation auf Anordnung des Kapitels vom August 1909 der Titel einer „Veneranda Madre Fundadora“ (Ehrwürdige Mutter Gründerin) zuerkannt. In dieser Eigenschaft und aufgrund ihres beispielhaften Verhaltens wurde sie 1918 von der Gene­raloberin, ihrer Nachfolgerin, mit Einverständnis des Bischofs wieder in das Mutterhaus nach Ipiranga in São Paulo berufen, wo sie bis zu ihrem Tod, dem Gebet und der Arbeit ergeben, ein zurückgezogenes Leben führte. Als „Ehrwürdige Mutter Gründerin“ erfuhr sie jedoch unter der General­oberin des öfteren eine besondere Anerkennung. So wurde sie beispielsweise mit der Durchführung der Generalvisitationen betraut. Auch bei dem der Kon­gregation 1933 vom Hl. Stuhl zuerkannten „Decretum Laudis“ kam sie zum Einsatz, ebenso bei den Feierlichkeiten zum Fünfzigsten Jahrestag der Grün­dung 1940. Zur damaligen Zeit waren etwa 200 Schwestern auf 40 Häuser in verschiedenen Regionen Brasiliens verteilt.

Von 1938 an klagte Sr. Paulina, bedingt durch ihre Diabetes-Erkrankung, über starke Beschwerden. Nach zwei Eingriffen, bei denen sie zuerst einen Finger und dann den rechten Arm einbüßte, verbrachte sie die letzten Monate ihres Lebens in Blindheit.

1940, zwei Jahre vor ihrem Tod, legte sie ihr geistiges Vermächtnis nieder, das einige Empfehlungen an ihre Kongregation enthielt: „Seid demütig; es ist unser Herr, der alles macht; wir sind seine einfachen Werkzeuge. Habt stets festes Vertrauen in die Göttliche Vorsehung; lasst euch niemals entmutigen, selbst bei starkem Gegenwind nicht! Ich sage euch nochmals: habt Vertrauen in Gott und in die Unbefleckte Empfängnis; haltet die Treue und schreitet voran! Ganz besonders lege ich euch die heilige Nächstenliebe ans Herz, untereinander und vor allem gegenüber den Kranken der Heiligen Häuser, gegenüber den Alten in den Heimen usw.! Übt diese Nächstenliebe mit großer Freude aus. Meine Mission ist zu Ende. Ich sterbe zufrieden und erteile allen von Herzen meinen Segen.“

Am 9. Juli 1942 schloss sie im Ruf der Heiligkeit im Haus São Paulo für immer ihre Augen. Ihre sterbliche Hülle befindet sich in der Kapelle der Hl. Familie, Avenida Nazaré, 470, Ipiranga, São Paolo, Brasilien.

Am 19. Mai 2002 wurde Paulina Visintainer von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen, der sie am 19. Oktober 1991 in Florianopolis, Brasilien, seliggesprochen hatte.

 

RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Johannes Pauls II. 1982 – 2004. Innsbruck: Resch, 2012 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 5). XIV, 480 S., 109 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-094-0, Ln, EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

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