NIMATULLAH JOSEPH
KASSAB AL-HARDINI
(1808-1858)
PROFESSPRIESTER
DES LIBANESISCHEN MARONITENORDENS
Heilig: 16. Mai 2004
Fest: 14. Dezember
NIMATULLAH JOSEPH KASSAB AL-HARDINI wurde 1808 in Hardini, einem maronitischen Dorf in den libanesischen Bergen im Nordlibanon geboren und noch im gleichen Jahr auf den Namen Youssef (Joseph) getauft. Sein vollständiger Name ist Nimatullah Kassab Al-Hardini; Kassab ist der Familienname, Hardini der Name des Geburtortes – von daher sein ursprünglicher Name Al-Hardini. Nimatullah ist der Ordensname.
Die Familie Kassab war im Libanon wegen ihrer Verbundenheit mit der maronitischen Kirche sehr bekannt. Das schuf ein günstiges Klima für religiöse Berufungen. Als eines von sechs Geschwistern, vier Knaben und zwei Mädchen, verbrachte Joseph daher eine behütete Kindheit. Der Vater, Girgis Kassab aus Hardini, und die Mutter, Mariam Raad aus Tannourin, erzogen ihre Kinder zu einer lebendigen Aufgeschlossenheit Gott und Kirche gegenüber.
Die vier Knaben wählten das Leben eines Mönchs bzw. Priesters. Tanios wurde Pfarrer, Eliseus ging zum Libanesischen Maronitenorden, wo er 44 Jahre als Einsiedler verbrachte; Msihieh trat in das Klausurkloster Saint Jean Baptiste Hrache ein. Eine der Schwestern ging in das Kloster Saint Jean Baptiste Hrache nach Kesruane im Zentrallibanon und Joseph entschied sich schließlich für den Libanesischen Maronitenorden.
Er hatte die libanesischen Maronitenmönche als Kind im Kloster St. Antonius von Houb kennengelernt, wo er seine ersten Studien absolvierte. Die Schulen befanden sich damals vorzugsweise in Klöstern in den Bergen. Um lesen und schreiben zu lernen, musste man sich an das Kloster wenden, was aus verschiedenen Gründen nicht einfach war, allein schon wegen der Entfernung, die zu Fuß zu bewältigen war. Der junge Joseph musste jeden Tag von Hardini aus ca. eine Stunde zu dem in Tannourin gelegenen Kloster Houb gehen, wo er sich die Grundlagen der damals verwendeten Sprachen, Arabisch und Syrisch, aneignete.
Nach Beendigung der Studien im Kloster kehrte er zum Großvater mütterlicherseits, Youssef Raad, zurück, der im Dorf Tannourin Pfarrer war. Sein Beispiel weckte bei Joseph die Liebe zu einem für die Gesamtkirche gelebten Priestertum. In Tannourin betete er im Kloster das Stundengebet mit den Mönchen, in der Pfarre mit seinem Großvater und den Gläubigen. Joseph fühlte sich schon bald vom Ordensleben angezogen und so trat er 1828, im Alter von 20 Jahren, in das Noviziat des Klosters St. Antonius von Qozhaya im Nordlibanon ein und nahm den Namen Nimatullah an. Dieses Kloster war für seine außergewöhnlichen Wunder bekannt, die sich dort ereigneten, vor allem die Heilungen von Geisteskranken, die sich dort für kürzer oder länger in Ketten legen ließen, sowie wegen des Kindersegens auf die Fürbitte des hl. Antonius, dem das Kloster geweiht war, das 1610 die erste im Orient bekannte Druckerei beherbergte. Zudem wurde das genannte Kloster immer als das blühendste unter den Klöstern des Libanesischen Maronitenordens betrachtet, sei es wegen der Vitalität und Tiefe des spirituellen Lebens, das man dort führte, sei es wegen des materiellen Wohlstands, das ihm den Erhalt anderer wirtschaftlich weniger stabiler Klöster ermöglichte. All das entsprang der Tätigkeit der Mönche, die es verstanden, Gebet und Meditation mit manueller Arbeit und der Ausübung von Berufen wie jenen des Schneiders, Schusters, Buchbinders, Bienenzüchters oder Landwirts zu verbinden. Es war in diesem Konvent, dass Charbel Makhlouf, ein Schüler Nimatullahs und sein Vorgänger auf dem Weg der Heiligkeit, die so schwierige Kunst, heilig zu werden, erlernte.
Im Noviziat begann Nimatullah mit dem gemeinsamen Gebet und mit manueller Arbeit; er verbrachte Stunden betend vor dem Allerheiligsten Altarsakrament. Man traf ihn kniend in der Kirche an, mit erhobenen Händen, die Augen starr auf den Tabernakel gerichtet, völlig bewegungslos.
Nach der Ordensprofess am 14. November 1830 wurde er in das Kloster der hl. Zyprian und Justina nach Kfifane versetzt, um Philosophie und Theologie zu studieren; gleichzeitig nahm er am Chorgebet teil, arbeitete auf den Feldern und betätigte sich als Buchbinder. Er war bekannt für seine Fertigkeit im Binden von Manuskripten und Büchern – ein Beruf, den er während des Noviziats erlernt hatte. Als er erkrankte, bestimmte ihn der Obere, um ihm die anstrengende Feldarbeit zu ersparen, als Verantwortlichen für die Garderobe und so wurde Nimatullah zum Schneider der Kommunität. Nach Beendigung der Studien und der Priesterweihe am 25. Dezember 1833 wurde er Direktor des Scholastikats und Professor bis zu seinen letzten Lebensjahren. Da er während des Studiums die Kinder im Ort unterrichtet hatte, wurde er mit dieser Aufgabe auch als Priester betraut. Um die Jugend gratis unterweisen zu können, gründete er in Kfifane und später auch in Bhersaf die der Tradition nach so benannte „Schule unter der Eiche“.
Während der Bürgerkriege zwischen Drusen und Maroniten 1840 und 1845, den Wegbereitern der blutigen Ereignisse von 1860, als eine Reihe von Klöstern zerstört und viele maronitische Christen umgebracht wurden, lancierte Nimatullah seinen außergewöhnlichen Spruch: „Der Tüchtigste ist, wer seine Seele retten kann“ – ein Motto, das er seinen Mitbrüdern gegenüber unzählige Male wiederholte, weil er sich für den Libanon und seinen Orden zum Opfer angeboten hatte.
In dieser politisch wie religiös schwierigen Situation lud ihn sein Bruder Eliseus, der Eremit war, ein, die Kommunität zu verlassen und sich in die Einsiedelei zurückzuziehen. Nimatullah aber meinte dazu: „Jenen, die im Gemeinschaftsleben um die Tugend kämpfen, wird das größere Verdienst zukommen.“ Er war radikal in seiner Wahl, jedoch barmherzig und nachsichtig den Mitbrüdern gegenüber. Folgende Worte werden ihm zugeschrieben: „Die erste Sorge eines Mönchs bei Tag und Nacht sei es, seine Mitbrüder nicht zu verletzen oder zu betrüben.“
In seinem Kummer bat er um die Fürsprache der Jungfrau Maria. Die Gläubigen ermunterte er zu ihrer Verehrung durch die Bildung von Bruderschaften. Außerdem gründete er 16 Altäre zu Ehren der Gottesmutter. Das Bild eines dieser Altäre im Kloster Kfifane erhielt nach seinem Tod den Namen „Unsere Liebe Frau von Hardini“.
1845 wurde Nimatullah vom Heiligen Stuhl wegen seines Eifers im Hinblick auf die untadelige Observanz der monastischen Regel für drei Jahre zum Generalassistenten seines Ordens ernannt. Als solcher ersuchte er den Generaloberen, die Mönche zur Vertiefung ihrer Studien in das neu gegründete Jesuitenkolleg nach Ghazir zu schicken. Sieben Mönche wurden dorthin entsandt, um im Scholastikat des Ordens für die Kontinuität eines fundierten Unterrichts zu sorgen.
Die Jahre 1848/49 verbrachte er in den Klöstern St. Maron-Annaya und St. Antonius von Houb. 1850 wurde er ein zweites Mal zum Generalassistenten ernannt, 1853 kehrte er wieder nach Kfifane zurück, um Moraltheologie zu unterrichten. 1856 erfolgte zum dritten Mal die Ernennung zum Generalassistenten. Er nahm in Gehorsam an, lehnte es aber entschieden ab, Generalabt des Ordens zu werden. Seine Worte waren: „Lieber sterben, als zum Generaloberen ernannt werden!“
In seinem Amt als Generalassistent war er sanft im Reden und Handeln. Er wohnte mit den übrigen Assistenten beim Pater General im Kloster Unserer Lieben Frau von Tamich, dem Generalatshaus des Ordens, doch begab er sich immer wieder zum Kloster von Kfifane, sei es, um dort zu unterrichten, sei es, um die Bücher zu binden, was seine Aufgabe war und was er im Geist der Armut mit besonderer Aufmerksamkeit für die liturgischen Manuskripte tat. Mit dem syrischen Brevier, das er benutzte und welches er eigenhändig gebunden hatte, ist bis heute ein Zeugnis seiner Tätigkeit erhalten geblieben.
Was Nimatullahs Wirken als Professor anbelangt, so kann darauf verwiesen werden, dass sich unter seinen Schülern, wie schon erwähnt, der hl. Charbel Makhlouf befand, der von 1853 bis 1859 im Scholastikat lebte. Er stand dann auch am Sterbebett seines Lehrers und nahm an der bewegenden Trauerfeier teil.
Als Nimatullah im Dezember 1858 im Kloster von Kfifane unterrichtete, erkrankte er aufgrund der eisigen Kälte jenes Winters an Lungenentzündung. Sein Zustand verschlechterte sich von Tag zu Tag und so ersuchte er einen Mönch, ihn in eine Zelle nahe der Kirche zu bringen, um den Gesang des Stundengebets zu hören. Nach zehn Tagen Agonie erhielt er die Krankensalbung, wobei er die Ikone der Jungfrau Maria in Händen hielt und sie anrief: „O Maria, dir empfehle ich meine Seele.“ Er starb am 14. Dezember 1858 im Alter von 50 Jahren. Seine Mitbrüder gewahrten ein schimmerndes Licht in seiner Zelle und einen Duft, der diese einige Tage erfüllte. Sein Leichnam ist nach wie vor unverwest und ruht im Kloster der hl. Zyprian und Justina in Kfifane im Libanon.
Am 16. Mai 2004 wurde Nimatullah Joseph Kassab Al-Hardini von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen, der ihn am 10. Mai 1998 seliggesprochen hatte.
RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Johannes Pauls II. 1982 – 2004. Innsbruck: Resch, 2012 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 5). XIV, 480 S., 109 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-094-0, Ln, EUR 48.60 [D], 49.90 [A]
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