Andreas Resch: Nikolaus Barré


NIKOLAUS BARRÉ

(1621-1686)

PROFESSPRIESTER
DES ORDENS DER MINIMITEN

GRÜNDER
DER SCHWESTERN VOM KINDE JESU – NIKOLAUS BARRÉ
und
DER SCHWESTERN VOM KINDE JESU DER VORSEHUNG V. ROUEN

Selig: 7. März 1999
Fest: 31. Mai

NIKOLAUS BARRÉ wurde am 21. Oktober 1621 als erstes von fünf Kindern des Louis Barré und der Antoinette Pellé in Amiens, Frankreich, geboren und am darauffolgenden 17. Dezember auf den Namen Nikolaus getauft. Er wuchs im Schoß der Familie heran und besuchte dann als Externer das von Jesuiten geleitete bischöfliche Kolleg St. Nikolaus zu Amiens, wo er sich aufgrund seiner Frömmigkeit und seines Fleißes zu einem Musterschüler entwickelte. Sein Betragen war beispielhaft und sein schulischer Erfolg ausgezeichnet.

Nach der Grundausbildung im Lyzeum der Diözese entschied er sich für das Ordensleben. Er lernte den um die Mitte des 15. Jahrhunderts vom hl. Franz von Paula in Italien gegründeten Orden der Minimiten kennen, in den ihm schon sein Onkel, Franziskus Barré, vorausgegangen war. Nikolaus fühlte sich vor allem von der Spiritualität, der Askese und dem auf die Bekehrung der Seelen ausgerichteten Apostolat des Ordens angezogen. Im Oktober 1640 trat er dort im Alter von 19 Jahren ein. Am 31. Januar 1641 legte er in Paris-Nigeon die Gelübde ab und begann im berühmten Konvent am Place Royale in Paris mit den Studien in Philosophie und Theologie. Noch als Diakon wurde er zum Professor der Philosophie ernannt. 1645 zum Priester geweiht, wurden ihm die Unterrichtsfächer Theologie und Mystik anvertraut. Gleichzeitig wirkte er als Prediger und hatte die Leitung der Bibliothek inne. Von Erschöpfung gezeichnet zog sich Barré in den Konvent seiner Heimatstadt zurück, um nach zwei Jahren den Seelsorgedienst wieder aufzunehmen. Von ca. 1647 an plante er die Schaffung sog. kleiner Wohltätigkeitsschulen, deren Lehrer und Lehrerinnen sich ganz ihrem Beruf und den Kindern widmen sollten.

1659 wurde Barré in den Konvent von Rouen geschickt, wo er sein Apostolat fortsetzte, indem er sich um den Dritten Orden der Minimiten kümmerte. Seine pastorale Tätigkeit bestand vor allem im Predigen, womit er viele Menschen in seinen Bann zog. Außerdem wirkte er als Beichtvater und Seelenführer. Barré war in dieser Funktion so geschätzt, dass man bei Personen, die als hoffnungslose Fälle galten, zu sagen pflegte, man müsse sie zu P. Barré bringen. Es existiert heute noch eine Sammlung geistlicher Briefe, die von dieser seiner seelsorglichen Tätigkeit Zeugnis ablegen. Gleichzeitig nahm er auch an Pfarrmissionen teil und lernte so die Außenbezirke von Rouen und die armen Familien kennen, deren Mitglieder in den Majolika- oder den Textilfabriken arbeiteten. Er gewahrte die menschliche und seelische Not der jungen Menschen in diesen Familien, denen ein Schulbesuch versagt blieb. Vor allem die Mädchen wuchsen ohne jede Ausbildung auf.

Angesichts dieser Situation machte sich Barré die Bemerkungen von Adrien De Bourdoise zu eigen, die dieser in einem Brief an Jean-Jacques Olier festhielt: „Es bräuchte Lehrpersonen, die durchweg christlich motiviert sind und nicht wie die Söldner bloß darauf aus sind, sich ihr Brot zu verdienen. Sich für die Ausbildung solcher Lehrer einzusetzen, ist zweifellos nützlicher und verdienstvoller für die Kirche, als das ganze Leben von den berühmtesten Kanzeln der angesehensten Städte des Reiches zu predigen. Ich bin der Meinung, dass ein Priester, der den Erfahrungsschatz der Heiligen besitzt, als Lehrer wirken und sich auf diese Weise heiligen kann. Ich meine, wenn die hll. Paulus und Dionysius heute nach Frankreich zurückkehrten, würden sie sich zuallererst der Situation der Lehrer an den Schulen annehmen.“

1660 kam für Barré der Moment, seine Ideen in die Tat umzusetzen. Da es für die Burschen in Rouen schon einige Einrichtungen gab, richtete er sein Augenmerk in erster Linie auf die Ausbildung der Mädchen. Zwei junge Frauen, Franziska Duval und Margherita Lestocq, waren ergriffen von seiner Predigt und erklärten sich bereit, an einer Mission in Sotteville, einem Vorort von Rouen, teilzunehmen. Ein Jahr lang nahmen sie Mädchen bei sich auf, um sie zu unterrichten und sie vor allem den Katechismus zu lehren. Dabei kamen sie auch mit deren Familien in Berührung und luden die Mütter ein, einen Kurs für christliche Bildung zu besuchen. Der Erfolg dieser ersten Versuche übertraf alle Erwartungen. Dank der Unterstützung einiger wohlhabender Personen wurden in der Stadt verschiedene Mädchenschulen eröffnet. Einige unverheiratete Frauen engagierten sich als sog. „Lehrerinnen der Nächstenliebe“.

1666 schlug ihnen P. Barré vor, ein Gemeinschaftsleben zu beginnen. Der Vorschlag wurde aufgenommen und die Erfahrung war ein Erfolg. Die Kongregation der Schwestern vom Kinde Jesu betrachtet dieses Datum bis heute als ihr eigentliches Gründungsjahr. Barré wollte jedoch keine Kongregation errichten, sondern zog es vor, dass die Lehrerinnen ihren säkularen Status beibehielten. Ihm war bewusst, dass Frauen, die Gelübde ablegten, in einem Kloster leben müssten und dann keine Möglichkeit mehr hätten, direkt auf die Armen zuzugehen.

In diesem Punkt folgte Barré dem Beispiel des hl. Vinzenz von Paul und der Barmherzigen Schwestern. Für ihn war die Verfügbarkeit und die Bereitschaft zum Dienen wichtiger als das Sich-Zurückziehen zur eigenen Vervollkommnung, wie in den „Richtlinien für das Verhalten der Lehrerinnen“ zu lesen ist: „Wenn eine Schullehrerin der Nächstenliebe versucht wird, sich von ihrem Einsatz zurückzuziehen, um in ein Kloster einzutreten, erwäge sie wohl, was sie zu tun im Begriffe ist! Sie verlässt einen mehr missionarischen, abhängigen, viel schwereren, armseligeren und eher verachteten Stand in der Welt für einen anderen, bequemeren, ehrenvolleren, der aber allein ihr selbst nützt… Viele wollen Gott dienen, aber dass Gott sich ihrer bedient, wollen die wenigsten. Und doch ist es gerade diese Bereitschaft, in der jede treue Seele stehen muss, vor allem aber eine Lehrerin der Nächstenliebe.“ Um die Lehrerinnen zu überzeugen, fügte er hinzu, dass es der Wille Jesu Christi sei, dass sie sich aus Liebe zu Ihm dem Dienst am Nächsten verschrieben.

Schw. v. Kinde Jesu – N. Barré

Schw. v. Kinder Jesu d. Vorsehung – Rouen

Die Schulen der Nächstenliebe in Rouen vermehrten sich und ihr Ruf ging über die Grenzen der Diözese hinaus. 1670 berief Nikolaus Barré die „Lehrerinnen der Nächstenliebe“ nach Reims. Es folgten Gründungen in Lisieux und anderen Pfarreien Frankreichs, die alle denselben apostolischen Geist zur Grundlage hatten. Barré, der sich von der französischen Schule der Spiritualität inspirieren ließ, legte den Akzent auf die Kontemplation und die Nachfolge des Jesukindes: Jesus in seiner Demut. Er stellte die Schulen daher unter den Schutz des Jesukindes und der Seligen Jungfrau. Diese Hinwendung bzw. dieses Geheimnis ist es, aus dem die Lehrerinnen der Schulen der Nächstenliebe vom Kinde Jesu hervorgingen, welche zu Beginn Minimiten-Terziarinnen waren. Nach und nach entfalteten die Lehrerinnen, für die Barré Regeln und Anweisungen zur rechten Gestaltung des Unterrichts schrieb, ihre eigene Identität und bezeichneten sich, nach Überwindung der damaligen Zeitumstände, als Ordensschwestern mit allen Konsequenzen, die sich heute in zwei Zweige gliedern: die Schwestern vom Kinde Jesu – Nikolaus Barré (Abb. 1) und die Schwestern vom Kinde Jesu der Vorsehung von Rouen (Abb. 2).

1675 wurde P. Barré von den Oberen zum Theologieprofessor und zum Beichtvater in Paris ernannt. Schon bald ließ er dort ebensolche Schulen der Nächstenliebe und Lehrerinnen-Gemeinschaften entstehen wie in Rouen. 1677 wurde die erste Schule in der Pfarrei vom hl. Johannes in Grève errichtet. Weitere in anderen Pfarreien folgten. In der Rue St. Maur wurde ein Seminar geschaffen, das zum Pariser Zentrum der Lehrerinnen der Nächstenliebe wurde, weshalb man von den “Dames de Saint Maur” sprach. Ein ähnliches Seminar wurde in St. Gervasius für die Lehrerinnen eröffnet, die in den Knabenschulen unterrichteten. Diese wurden allerdings schon bald von den Brüdern des hl. Johannes Baptist de la Salle abgelöst.

In Paris genoss P. Barrè einen beachtlichen Ruf. Viele Menschen suchten seinen Beichtstuhl auf, drängten sich um ihn, um Ratschläge zu erhalten und interessierten sich für seine Gründungen. Die Lehrerinnen wurden nach Linguadoca geschickt, um dort Schulen für die „Neokonvertiten“ zu eröffnen, die aus protestantischen Familien kamen. Einige Schwestern verließen Paris und Rouen, um in die Provence und sich dann über ganz Frankreich zu verteilen. Diese Frauen waren ein Beispiel an Mut und Selbstaufgabe.

Als Erzieher nährte Barré eine große Achtung vor der Person: „Man muss die Gabe der Unterscheidung der Geister der Kinder und jener Personen haben, die sie unterrichten, um alle nach ihrem je eigenen Talent wachsen zu lassen.“ So kam 1683 Johannes Baptist de la Salle von Reims nach Paris, um sich mit Barré zu beraten. Dieser ermutigte ihn, all sein Hab und Gut aufzugeben und sich gemeinsam mit den Brüdern, die er als Schulbrüder um sich versammelt hatte, der Vorsehung anzuvertrauen. Diese Annahme der Armut ermöglichte es La Salle, sein Werk zu festigen und seine Brüdergemeinschaft wachsen zu sehen. Barré war tatsächlich der erste jener großen Erzieher und Initiatoren der christlichen Wohltätigkeitsschulen im Frankreich des 17. Jahrhunderts. Er fungierte auch als Berater von Johannes Baptist de la Salle und Nikolaus Roland.

Allmählich verschlechterte sich Barrés Gesundheitszustand; er starb am 31. Mai 1686 im Konvent der Minimiten von Place Royale in Paris. Ein letztes Mal strömten die Menschen, um den zu sehen, den sie schon als Wohltäter verehrt hatten.
Der Leichnam, der in der Kirche der Minimiten von Place Royale in Paris, Frankreich, beigesetzt wurde, ging in den Wirren der Französischen Revolution verloren.

Am 7. März 1999 wurde Nikolaus Barré von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1996 – 2000. Innsbruck: Resch, 2010 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 4). XIII, 376 S., 86 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-088-9, Ln, EUR 39.90 [D], 40.98 [A]

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