Andreas Resch: Narzissa von Jesus Martillo Morán

NARZISSA VON JESUS
MARTILLO MORÁN
(1832-1869)

SCHNEIDERIN

Heilig: 12. Oktober 2008
Fest: 8. Dezember

NARZISSA VON JESUS MARTILLO MORÁN wurde am 29. Oktober (Fest des hl. Narzissus) 1832 als vermutlich fünftes von neun Kindern des Pedro Martillo und der Josefina Morán in Nobol, einem kleinen Dorf im Kanton Daule, Provinz und Diözese Guayaquil, Ecuador, geboren. Die Eltern waren Bauern, der Vater betrieb zudem eine Molkerei.

Das Datum von Taufe und Erstkommunion der kleinen Narzissa sind nicht bekannt. Am 16. September 1839 empfing sie im Alter von sieben Jahren das Sakrament der Firmung. Die ersten Jahre ihrer Kindheit und Jugend verbrachte sie im Kreis der Familie, wo sie sich vor allem im Haus nützlich machte. Mit 15 Jahren erlernte sie den Schneiderberuf, den sie dann zu Hause und bei den Familien in der Umgebung ausübte.

Nach dem Tod der Mutter und 1851 des Vaters zur Waise geworden, übersiedelte die fünfzehnjährige Narzissa von Nobol nach Guayaquil, einer Stadt mit 20.000 Einwohnern, zu Verwandten ihrer Eltern, wo sie „viele Jahre“ blieb.

Um ihrer neuen Familie nicht zur Last zu fallen, ging sie mit viel Geduld und Ausdauer ihrer Arbeit als Schneiderin nach. Der Grund für ihren häufigen Wohnungswechsel war ein beständiges Streben nach Unabhängigkeit und Freiheit, um sich intensiver der Sammlung, Buße und barmherzigen Werken widmen zu können. So hauste sie mit Vorliebe in alten Dachböden und Abstellkammern. In der Stille und Einsamkeit dieser ärmlichen Behausungen gab sich das Mädchen vom Lande ganz dem Gebet hin und unterwarf ihren Leib Bußübungen. So ließ sie sich von einem Farbigen ein Kreuz mit Nägeln anfertigen, an dem sie jede Nacht vier Stunden lang betend und mit einer Dornenkrone auf dem Haupt hing. Wenn sie dann vom Kreuz herunterstieg, streckte sie sich zu einer kurzen Rast auf dem kahlen Boden aus oder legte sich auf ein Nagelbett. Nach dem Erwachen zog sie ihrem gepeinigten Körper im Anschluss an die blutige Tortur schließlich ein grobes Gewand über und verharrte acht Stunden lang im Gebet. Drei Brote und ein Krug Wasser dienten ihr zur Labung. Der Zeit des Leidens und des grausamen Martyriums folgte die Weihe an Gott, mittels des Versprechens der Jungfräulichkeit und der Buße.

Der Grund, warum Narzissa ein so zurückgezogenes Leben führte, sich inbrünstigem Gebet hingab und harten Bußübungen unterwarf, war einzig und allein die Liebe zu Gott. Sie fühlte sich unwiderstehlich zu Christus dem Gekreuzigten hingezogen, wollte ein perfektes Abbild Seiner sein. Von daher die Mystik des Martyriums. Das Nachahmen des Leidens Christi ist die einzige Erklärung für die von den Heiligen sich selbst gegenüber praktizierte Härte. Ohne diese übernatürliche Liebe, die zur Nachahmung des Geliebten antreibt, erschiene alles verrückt und absurd. Narzissa wollte sich, dem Beispiel der hl. Marianna von Jesus folgend, dem Herrn als Opfer darbringen für die Verfehlungen und Sünden Seines Volkes. Zuverlässige Zeugen bestätigen, dass Narzissa oft in einer so tiefen Ekstase war, dass man sie nur durch Schütteln wieder zum Bewusstsein bringen konnte.
Um 1865 zog Narzissa nach Cuenca, um ihrem Beichtvater und Seelenführer, dem Kanoniker Amedeo Millán, zur Seite zu stehen, „der ihren Geist auf weise Art geformt hatte“ und im November 1867 nach schwerer Krankheit starb. In unsäglicher Trauer lehnte sie die Einladung des Bischofs von Cuenca zum Verbleib in einem Kloster der Unbeschuhten Karmelitinnen ab und kehrte nach Guayaquil zurück, weil sie sich zum Ordensleben nicht berufen fühlte. Dort zog sie in die unweit der Kathedrale gelegene Wohnung von Silvana Gellibert de Negrete, der sie später zum Zeichen der Dankbarkeit das Kreuz und sämtliche Bußwerkzeuge hinterließ. Sie glaubte sich nämlich zu einem frommen Leben mitten in der Welt bestimmt. Ihr Vorbild war, wie erwähnt, die hl. Marianna von Jesus, die einfache Büßerin aus Quito, die sich in der Welt geheiligt hatte, indem sie sich als Sühneopfer für ihre Heimatstadt hingab. In Guayaquil traf Narzissa ihre Freundin Mercedes Molina, die ein Waisenhaus für verlassene Kinder leitete. Narzissa unterstützte sie bei der christlichen Erziehung und Ausbildung der armen Kleinen und nähte für sie, die völlig mittellos waren, die Gewänder. Die beiden wohnten im selben Haus, hatten spirituell gesehen die gleichen Vorsätze und wurden von Msgr. José Amedeo Millán geistlich betreut. Täglich gingen sie gemeinsam zur Kathedrale, um dort morgens an der Konventmesse und abends an der religiösen Ausbildung teilzunehmen. Der Grund für Narzissas Verbleib an diesem Ort war die Hoffnung, dass der Wille Gottes sich erneut in ihrem Leben kundtun werde.

Was Narzissas Aussehen anbelangte, so war sie – laut einer Augenzeugin – „sehr schön, hochgewachsen und wohlgestaltet. Ihr fülliges, lockiges, dunkelblondes Haar zog aufmerksame Blicke auf sich. In der Umgebung war sie sehr beliebt.“ Eine weitere Zeugin fährt fort: „Sie hatte einen sehr liebenswerten Charakter und in manchen Momenten sprühte sie vor Fröhlichkeit und sang, während eine ihrer Freundinnen auf der Gitarre spielte. Sie tat viel Gutes… .“

Analphabetin war Narzissa gewiss nicht. Sie besuchte die (wenn auch nicht öffentliche) Schule in Daule, konnte lesen und schreiben, spielte Gitarre, war zudem äußerst geschickt in häuslichen Belangen und nähte leidenschaftlich gern. In ihrer Jugend – so M. Romero A. – „griff sie selbst in die Saiten der Gitarre und sang sehr schön dazu; aber … das machte sie nur, wenn keine fremden Leute da waren. Und … wenn bei ihr zu Hause gefeiert wurde und sie ihrer Mutter beim Aufräumen und bei der Zubereitung des Mittagessens geholfen hatte, verschwand sie und zog sich, wie jeden Tag, zurück, um auf dem Gutshof ihres Vaters hinter einem schönen Myrtenbaum, den sie selbst gepflanzt hatte, zu beten und Opfer zu bringen.“ Von ihren Schriften oder Briefen wurde jedoch nichts gefunden, auch wenn sie das eine oder andere aus ihrer Feder hinterlassen hat.

Es war während des apostolischen Besuches 1868, als P. Pedro Gual, ein Franziskaner aus Katalonien, zu Narzissa sagte: „Wenn du heilig werden willst, dann geh’ nach Lima!“ Und so machte sie sich Anfang Juli des Jahres nach Lima auf, und das nicht ohne großes Opfer, „um sich freimütig einem Leben der Barmherzigkeit zu widmen“ und sich der geistlichen Führung von P. Gual zu unterstellen. In Lima fand sie auf seine Vermittlung Aufnahme im Kloster Patrozinium, einem „Damenstift“ frommer Frauen, die dort als Dominikaner-Terziarinnen lebten. Für die monatlichen Kosten kam eine fromme Person aus der Stadt auf.

P. Gual vertraute Narzissa von Jesus, wie sie sich mittlerweile nannte, der geistlichen Obhut eines erfahrenen und fleißigen Mitarbeiters an, dem Klosterkaplan und späteren Bischof Emanuel Jacobo Medina, der sie bis zu ihrem Tod begleitete.

Narzissa, von eher korpulentem Aussehen, verfügte über eine robuste Konstitution. Während der Zeit im Konvent war sie nicht ein einziges Mal krank. Dennoch erschien sie den Ärzten in den letzten Jahren aufgrund ihrer Bußpraxis ziemlich geschwächt, und „sie wunderten sich, dass sie mit so wenig Nahrung auskam“. Narzissa aber wurde „nicht müde, sich zu geißeln, und verdoppelte ihre Bußübungen“. In den letzten Monaten wurde sie von Fieberattacken heimgesucht, die schließlich zu dem von ihr prophezeiten Tod führten, wie ihre Geschwister u. a. in einem Schreiben an den Bischof bestätigen: „Gott hat ihr den Todestag geoffenbart… im Jahre 1868, als wir nach Lima gingen. Die Schwestern des Konvents, in dem sie starb, erzählten uns, dass sie sich an jenem Abend – bevor sie zum Schlafen in ihre Zelle ging – von allen verabschiedete, weil sie sich angeblich auf eine lange Reise begeben wollte. Alle dachten an einen Scherz. Wie groß aber war ihre Überraschung, als um 24.00 Uhr die Nachtschwester erschrocken zur Mutter Oberin kam und ihr mitteilte, dass sie beim Vorbeigehen an Narzissas Zelle dort Licht bemerkt habe und dass ihr ein Duft entströmt sei, der sich in der ganzen Umgebung verbreitete. Die Oberin machte sich sogleich auf, um sich selbst zu überzeugen. Als sie aber an die Tür von Narzissas Zelle kam, bemerkte sie nicht nur den Lichtschein, sondern stellte fest, dass der Duft noch stärker und Narzissa tot war.“ Man schrieb den 8. Dezember 1869. Narzissa war 37 Jahre alt. Sie wurde in der Krypta des Nonnenkonvents von Lima beerdigt.

1955 erfolgte die Überführung in die Kirche San José nach Guayaquil und 1972 nach Nobol, Guayas, Ecuador, wo ihre Gebeine im Heiligtum der Seligen Narzissa von Jesus ruhen.

Wenngleich das Leben Narzissas keine Besonderheiten aufzuweisen hat, so lebte sie doch in einer völligen Hingabe an Gott und den Nächsten. Ein Tag war für sie wie jeder andere – sie verbrachte diese mit Arbeiten im eigenen Haus, im väterlichen Betrieb, als Schneiderin, um sich das tägliche Brot zu verdienen und den Armen zu helfen, mit der Fertigung von Kleidern in Guayaquil, von Paramenten im Kloster Patrozinium in Lima und vor allem mit Gebet, Buße und Fasten. So kam sie ganz spontan in den Ruf der Heiligkeit und der Tugenden, und der Herr trug dem durch einige außergewöhnliche Dinge Rechnung, die Narzissa aus ihrem bescheidenen Versteck, in dem sie leben und sterben wollte, zur Ehre der Altäre erhob.

Am 12. Oktober 2008 wurde Narzissa von Jesus Martillo Morán von Papst Benedikt XVI. heiliggesprochen, nachdem Papst Johannes Paul II. sie am am 25. Oktober 1992 seliggesprochen hatte.

RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Benedikts XVI. 2005 – 2012. Innsbruck: Resch, 2013, XII, 204 S., 48 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-096-4, Ln, EUR 25.90 [D], 26.60 [A]

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