MYKOLAY CHARNETSKYI
(1884-1959)
BISCHOF
DER KONGREGATION DES HLST. ERLÖSERS (REDEMPTORISTEN)
UKRAINISCHER MÄRTYRER
Selig: 27. Juni 2001
Fest: 2. April
MYKOLAY CHARNETSKYI wurde am 14. Dezember 1884 in Semakivtsi, einem kleinen Dorf in der Westukraine, geboren. Die Eltern, Alexander und Parasceva, waren einfache Bauern. Mykolay, das erste von neun Kindern, wuchs im Familienverband auf und besuchte die Volksschule im Dorf Tomač. Anschließend wechselte er in das Gymnasium von Stanislaviv (heute Ivano-Frankiwsk), wo er seine Kameraden durch sein gütiges Wesen beeindruckte. Damals reifte in ihm die Berufung zum Priestertum. Nachdem er einige Jahre im Seminar von Stanislaviv verbracht hatte, wurde er vom dortigen Bischof, Hryhorij Khomyšyn (ebenfalls seliggesprochen am 27. Juni 2001), zur Fortsetzung seiner Studien nach Rom geschickt.
Nach sieben Jahren kehrte er in die Ukraine zurück und wurde am 2. Oktober 1909 von Bischof Khomyšyn zum Priester geweiht; Charnetskyi trat daraufhin neuerlich in das römische Athenäum ein, um seine Studien abzuschließen und das Doktorat in Theologie zu machen. 1910 ging er wieder nach Stanislaviv und begann im Seminar, wo er dann Spiritual wurde, Philosophie und Dogmatik zu unterrichten.
1914 brach der Erste Weltkrieg aus: die Tätigkeit im Seminar wurde eingestellt und das Leben in den Dörfern nahm dramatische Formen an. Mykolay suchte zu Fuß all die Menschen auf, die es nötig hatten, wenn auch nur um ein Wort des Trostes zu spenden. Er setzte sich so dem ansteckenden Typhus aus, der ihn mit voller Wucht traf. Kaum hatte sich das feindselige Kriegsschauspiel weiter nach Osten verlagert, nahm das Seminar seine Tätigkeit wieder auf und Mykolay kam zurück, um seinen Pflichten als Professor und Spiritual mit gewohntem Eifer nachzukommen.
Anfang 1918 fasste Charnetskyi den Entschluss, in die Kongregation der Redemptoristen einzutreten, die vor kurzem mit ihrer Mission in Galizien begonnen hatte. 1919 begann er mit Zustimmung des Bischofs das Noviziat, wobei er alle Pflichten und Aufgaben erfüllte wie jeder andere Novize auch. Am 16. September 1920 legte er die einfachen Gelübde ab. Anschließend wirkte er als Sozius und Professor der Novizen und Neoprofessen. Mit viel Begeisterung predigte er den Priestern, Ordensleuten und Schwestern.
Es kamen nun blutige Tage für die Ukraine. Der Erste Weltkrieg führte dazu, dass sich die Hälfte der ukrainischen Ländereien – nämlich Galizien, Volyn’ Pidljashja und Kholmshchyna – unter polnischer Herrschaft wiederfand. In diesen Gebieten wurde schon in den Jahren 1825-1855 durch Zar Nikolaus I. die Orthodoxe Kirche Moskauer Obedienz installiert.
Im Bestreben, die Einheit der Christen wiederherzustellen und für die Erneuerung und Bekehrung des Volkes zu arbeiten, das sich spirituell in einer sehr prekären Lage befand, eröffneten die Redemptoristen-Missionare 1926 in Kovel (Volyn’) ein Missionshaus und P. Charnetskyi wurde dorthin versetzt, um diese Arbeit zu übernehmen. Eine Zeit lang ging er in Zivilkleidung von einem Dorf zum anderen. Er wurde auch eingeladen, viele Dörfer und Städte der Umgebung zu besuchen. Stets höflich und dialogbereit, gelang es ihm sogar, selbst vom orthodoxen Klerus geschätzt zu werden.
In Anerkennung seines Dienstes der völligen Hingabe ernannte ihn Pius XI. zum Titularbischof von Lebed und zum Apostolischen Visitator für die Ukrainer in den Regionen Volyn’ und Pidljashja. Die Bischofsweihe erhielt Charnetskyi am 8. Februar 1931, wiederum durch Bischof Khomyšyn, in der Kirche St. Alfonso in Rom. Die Nachricht von seiner Ernennung wurde von allen begeistert aufgenommen, auch von den Orthodoxen und der hebräischen Gemeinde, die ihn gut kannten. Dennoch stieß der erste ukrainische Bischof der Redemptoristen bei seiner seelsorglichen Tätigkeit auch auf große Hindernisse und Schwierigkeiten. Bereits 1939, während der Zeit der ersten Besetzung durch die Bolschewiken, wurden die Redemptoristen aus Volyn’ vertrieben. Charnetskyi übersiedelte in das Kloster in der Zyblykevyc-Straße in Lemberg und Metropolit Septyc’kyj ernannte ihn zum Apostolischen Exarchen der Ukrainer von Volyn’ und Pidljashja.
Charnetskyi begann für seinen Unterhalt zu arbeiten. Er wurde mit dem Behauen der Straßensteine beauftragt. Die harte Arbeit hinderte ihn allerdings nicht daran, auch seinen bischöflichen Pflichten nachzukommen. Mit dem Einmarsch der Deutschen 1941 verschlimmerte sich die Situation, doch konnte Metropolit Septyc’kyj bewirken, dass die Theologische Akademie Lemberg ihre von den Bolschewiken suspendierte Tätigkeit wieder aufnahm, und Charnetskyi wurde einer der Professoren.
Mit dem Einmarsch der Sowjets in Galizien 1944 begann der lange Leidensweg der ukrainischen Kirche mit ihrem Episkopat und Bischof Charnetskyi an der Spitze. Am 11. April 1945 um 20 Uhr klopften sechs Agenten an die Pforte des Kollegs der Redemptoristen in Lemberg und fragten, wer in dem Gebäude wohne. Als sie den Namen von Bischof Charnetskyi hörten, riefen sie: „Er ist hier?“ Sofort ließen sie sich auf sein Zimmer bringen. Als sie die Tür öffneten, begrüßte er die Agenten mit den Worten: „Gelobt sei Jesus Christus!“ Sie ergriffen ihn und durchsuchten das Zimmer auf brutale Art und Weise. Sie warfen die Ikonen zu Boden, nahmen die Kelche, die Reliquienschreine und sogar das Kreuz und den Bischofsring an sich und schleppten Charnetskyi mit sich fort. Vor dem Verlassen des Hauses bat er Pater De Vocht noch, ihm die Lossprechung zu geben. Dann musste er in einen schwarzen Kastenwagen steigen. Es folgte „die bekannte Anklage“, ein „Agent des Vatikan“ zu sein. Im Gebäude des sowjetischen Geheimdienstes, dem Lonc’ki-Gefängnis in Lemberg, misshandelten sie ihn, holten ihn um Mitternacht aus dem Bett, unterzogen ihn Verhören und schlugen ihn. Anschließend schickten sie ihn in die Zelle zurück. So ging es ständig, ohne Unterbrechung. Plötzlich geschah das Unerwartete: sein Peiniger, tief beeindruckt von des Bischofs Aussagen, bekehrte sich. Er bat ihn um Vergebung und beichtete demütig vor dem, den er hätte peinigen sollen. Der Bischof nahm ihm die Beichte ab, erteilte ihm die Absolution und umarmte ihn väterlich.
Für den Prozess wurde er dann jedoch nach Kiew verlegt, wo er im Kerker auf den Metropoliten und späteren Kardinal Jossyf Slipyj (1892-1984) traf. Es folgte ein Jahr der Qualen und Erniedrigungen. Dann, wie erwartet, das Urteil: schwere Zwangsarbeit in den Lagern. Wegen Kollaboration mit den Nazis, die ihn in Wirklichkeit verfolgt hatten, wurde er zu sechs Jahren verurteilt und zu zehn Jahren für das in den Augen der Sowjets viel schwerere Vergehen, in Verbindung mit dem Heiligen Stuhl zu stehen. Nach seiner Verbannung zusammen mit Slipyj in eine sibirische Kleinstadt namens Mariinsk wurde Charnetskyi zum ruhelosen Wanderer – immer auf der Suche nach den ärmsten und am meisten gedemütigten Personen, um ihnen Trost zu spenden. Als er in ein anderes Lager nach Orlovo-Rozovo transferiert wurde, setzte er sein Bemühen, die besonders Leidgeprüften zu stärken, fort. 1947 schickte man ihn in das Lager von Workuta, wo er den Metropoliten Slipyj wieder traf. Dort musste er Schwerstarbeit an der Esse verrichten, wobei er, im Gebet für seine Peiniger, die Misshandlungen und körperlichen Leiden geduldig ertrug, ohne sich je zu beklagen. Von 1948 bis 1953 hielt sich Charnetskyi in einem Lager in Mordwinien auf. Das folgende Jahr verbrachte er im Lager von Workuta und wurde dann neuerlich nach Mordwinien verlegt. Nach zuverlässigen Quellen durchlitt der Bischof zwischen 1945 und 1956 ca. 600 Stunden an Misshandlungen und brachte in 30 verschiedenen Lagern und Gefängnissen zu. 1956 traf ihn Pater I. Sokol in einem sehr ernsten Zustand an, die Ärzte hatten ihn bereits aufgegeben. Und tatsächlich beschlossen die Behörden, nachdem sie sich seines unmittelbar bevorstehenden Todes sicher waren, ihn wieder nach Lemberg zu schicken, um zu zeigen, dass sie an seinem Tod keine Schuld hatten. Er aber konnte nicht einmal mehr gehen. So gaben sie ihm zwei weitere Gefangene mit nach Lemberg, die ihn auf der Reise stützen sollten.
Am Bahnhof wurde er von den Redemptoristen Dmuxovs’kyj und B. Repetylo empfangen, die ihn zu den Barmherzigen Schwestern von Vinzenz von Paul in der Ohienko-Straße brachten. Sein Aussehen war erbärmlich: völlig abgemagert, nur mehr Haut und Knochen. Als die Schwestern ihn in diesem Zustand sahen, begannen sie zu weinen, doch der Bischof sagte: „Nicht weinen, gehen wir lieber in die Kapelle und singen gemeinsam das „Te Deum“, um dem Herrn zu danken.
Sein Zustand war so ernst, dass er ins Spital gebracht wurde. Nach einer gewissen Zeit erholte er sich auf wundersame Weise und wohnte fortan mit einem Mitbruder in einem einsamen Zimmer wie in einer Zelle. Er betete, las und setzte sein Apostolat fort, indem er die Kandidaten auf das Priestertum vorbereitete und sicher mehr als 10 von ihnen weihte. Die Besserung seines Gesundheitszustandes war jedoch nicht von Dauer. Wiederum im Spital sorgten die Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz für ihn, so gut sie konnten. Er starb am 2. April 1959. Seine letzten Worte waren eine Anrufung der Mutter von der Immerwährenden Hilfe. Die Kommunisten hatten die Seligsprechung von Mykolay Charnetskyi schon 1959 vorausgesehen und postierten daher vor seinem Grab mehrere Agenten, um mit Gewalt zu verhindern, dass Christen kamen, um dort zu beten.
Seine sterblichen Überreste befinden sich heute in der Kirche St. Josaphat in der Zamarstynivska-Straße 134 in Lemberg.
Am 27. Juni 2001 wurde Mykolay Charnetskyi von Papst Johannes Paul II. in Lemberg in der Ukraine seliggesprochen.
RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 2001 – 2004. Innsbruck: Resch, 2015 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 6). XIV, 482 S., 110 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-099-5, Ln; EUR 48.60 [D], 49.90 [A]
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