Andreas Resch: Mutter Teresa von Kalkutta

MUTTER TERESA
VON KALKUTTA

(Agnes Gonxha Bojaxhiu)
(1910-1997)

GRÜNDERIN DER KONGREGATION
MISSIONARE UND MISSIONARINNEN DER NÄCHSTENLIEBE

Selig: 19. Oktober 2003
Heilig: 4. September 2016
Fest: 5. September

MUTTER TERESA VON KALKUTTA (Agnes GONXHA BOJAXHIU) wurde am 26. August 1910 in Skopje, Mazedonien, einer Stadt im Schnittpunkt der Geschichte der Balkanländer, in einer Familie albanischen Ursprungs geboren. Sie war das Jüngste von fünf Kindern des Nikola und der Drane Bojaxhiu und wurde auf den Namen Gonxha Agnes getauft. Mit fünfeinhalb Jahren ging Gonxha zur Erstkommunion und im November 1916 wurde sie gefirmt. Vom Tag der Erstkommunion an trat die Liebe zu den Seelen in ihr Herz. Ihr Vater, ein hochgeschätzter Geschäftsmann in seinem Land, starb, als sie acht Jahre alt war, und ließ die Mutter, eine aufrichtig religiöse Frau, allein zurück, die daraufhin ein Geschäft für Stickwaren und Bekleidung eröffnete, um die Familie durchzubringen. Sie erzog ihre Kinder mit Strenge und Liebe und hatte auf den Charakter und die Berufung der Tochter merklichen Einfluss. Die religiöse Formation Gonxhas wurde durch die von den Jesuiten geleitete lebendige Pfarre vom Heiligen Herzen, in der sie aktiv mitwirkte, noch weiter verstärkt.

Mit 18 Jahren zog sie, beseelt von dem Wunsch, Missionarin zu werden, im September 1928 von zu Hause aus, um in Irland in das Institut der Seligen Jungfrau Maria, bekannt als „Loretoschwestern“, einzutreten, wo sie als Postulantin aufgenommen wurde. Im Dezember des Jahres wurde sie nach Indien geschickt; am 6. Januar 1929 kam sie nach Kalkutta. Gleich nach ihrer Ankunft trat sie in Darjeeling unter dem Namen Schwester Mary Teresa, zu Ehren der hl. Therese von Lisieux, in das Noviziat ein. Nach Ablegen der zeitlichen Gelübde im Mai 1931 wurde Schwester Teresa in die Kommunität Loreto nach Entally versetzt und unterrichtete dort in der Mädchenschule St. Mary. Am 24. Mai 1937 legte sie die ewigen Gelübde ab und wurde so, wie sie sagte, für„alle Ewigkeit die Braut Jesu“.
Von jenem Tag an wurde sie Mutter Teresa genannt. Sie unterrichtete weiterhin in St. Mary und wurde 1944 Direktorin der Schule. Als Frau tiefen Gebets und großer Liebe zu den Mitschwestern und Schülerinnen verbrachte Mutter Teresa 20 Jahre in der Kongregation mit großer Freude. Bekannt wegen ihrer Nächstenliebe, ihrer Großzügigkeit und ihres Mutes, ihrer Vorliebe für harte Arbeit und der natürlichen Veranlagung zum Organisieren, lebte sie unter den Mitschwestern ihre Weihe an Jesus in Treue und Frohsinn.

Am 10. September 1946 hatte Mutter Teresa auf der Zugfahrt von Kalkutta nach Darjeeling zu den jährlichen Exerzitien die „Eingebung“, ihre „Berufung in der Berufung“. An jenem Tag – auf welche Weise, hat sie nie erzählt – bemächtigten sich ihres Herzens der Durst nach Jesus und die Liebe zu den Seelen, und der brennende Wunsch, Seinen Durst zu stillen, wurde zum Fundament ihrer Existenz. Im Verlauf der Woche und der folgenden Monate offenbarte ihr Jesus durch Gespräche und innere Schauungen seinen Herzenswunsch nach „Opfern aus Liebe“, die „Seine Liebe zu den Seelen ausstrahlen“ sollten. „Komm und sei mein Licht“, bat er sie. „Ich kann nicht allein gehen.“ Er offenbarte ihr sein Leiden beim Anblick der Sorglosigkeit den Armen gegenüber, seinen Schmerz, von ihnen nicht erkannt zu werden, und seinen brennenden Wunsch nach ihrer Liebe. „Den unendlichen Durst stillen, den Jesus am Kreuz nach Liebe und nach den Seelen hat, indem ich für das Heil und die Heiligung arbeite.“ Jesus bat Mutter Teresa, eine Ordensgemeinschaft zu gründen, die Missionarinnen der Nächstenliebe (Abb.), die sich dem Dienst an den Ärmsten unter den Armen widmen sollten. Es vergingen ca. zwei Jahre der Überlegung und Prüfung, bis Mutter Teresa die Erlaubnis erhielt, die neue Mission zu beginnen.

Am 17. August 1948 zog sie das erste Mal den weißen, mit blauen Bordüren besetzten Sari an und schritt über die Schwelle ihres geliebten Konvents von „Loreto“ hinaus in die Welt der Armen. Nach einer kurzen Ausbildung bei den Missionsärztlichen Schwestern in Patna kehrte sie nach Kalkutta zurück, wo sie vorübergehend bei den Kleinen Schwestern der Armen Unterkunft fand. Am 21. Dezember ging sie das erste Mal in die Vorstädte, besuchte Familien, wusch die Wunden einiger Kinder, nahm sich eines alten Mannes an, der krank auf der Straße lag, und einer Frau, die, an Tuberkulose und Hunger leidend, im Sterben lag. Jeden Tag begann sie mit Jesus in der Eucharistie und ging mit dem Rosenkranz in Händen hinaus, um Ihn zu suchen und Ihm in jenen zu dienen, die nicht gewollt, nicht geliebt, nicht beachtet waren. Ein paar Monate später schlossen sich ihr nach und nach einige ihrer ehemaligen Schülerinnen an.

Am 7. Oktober 1950 wurde die neue Kongregation der Missionarinnen der Nächstenliebe von der Erzdiözese Kalkutta offiziell anerkannt. Ab Anfang 1960 schickte Mutter Teresa einige ihrer Schwestern in andere Teile Indiens. Die päpstliche Anerkennung der Kongregation durch Paul VI. im Februar 1965 ermutigte sie, ein Missionshaus in Venezuela zu eröffnen. Unmittelbar darauf folgten weitere Gründungen in Rom und in Tansania sowie auf allen Kontinenten. Zwischen 1980 bis 1990 eröffnete Mutter Teresa Missionshäuser in fast allen kommunistischen Ländern, eingeschlossen die Sowjetunion, Albanien und Kuba.

Um den körperlichen und geistigen Bedürfnissen der Armen besser zu entsprechen, gründete Mutter Teresa 1963 die Missionsbrüder der Nächstenliebe, 1976 den kontemplativen Zweig der Schwestern und 1970 die Kontemplativen Brüder sowie 1984 die Missionare der Nächstenliebe. Ihre Eingebung beschränkte sich jedoch nicht allein auf Ordensberufe. Sie bildete die Mitarbeiter von Mutter Teresa und die Kranken und Leidenden Mitarbeiter aus, Personen verschiedener Konfessionen und Nationalität, mit denen sie ihren Gebetsgeist, ihre Schlichtheit, das Opfer und ihr Apostolat der bescheidenen Werke der Liebe teilte. Dieser Geist führte sie dann zur Gründung der Laienmissionare der Nächstenliebe. Als Antwort auf die Anfragen vieler Priester rief Mutter Teresa 1991 auch die Bewegung Corpus Christi für Priester als einen kleinen Weg zur Heiligkeit für all jene ins Leben, die ihr Charisma und ihren Geist zu teilen wünschten.

In den Jahren der rasanten Ausdehnung ihrer Mission begann die Welt die Aufmerksamkeit auf Mutter Teresa und das von ihr initiierte Werk zu richten. Ihrer Arbeit wurden zahlreiche Ehrungen zuteil, angefangen vom indischen Padma Shri 1962 bis zur höchsten Auszeichnung, dem Friedensnobelpreis 1979, während auch die Medien ihre Tätigkeit mit steigendem Interesse verfolgten. Alles, die Anerkennungen wie die Aufmerksamkeiten, nahm sie zur Ehre Gottes und im Namen der Armen entgegen.

Das gesamte Leben und Werk von Mutter Teresa gab Zeugnis von ihrer Freude zu lieben, von der Größe und Würde eines jeden menschlichen Wesens, vom Wert der kleinen Dinge, die in Treue und mit Liebe getan werden, und vom unvergleichlichen Wert der Freundschaft mit Gott. Doch es gab noch einen anderen heroischen Aspekt bei dieser großen Frau, von dem man erst nach ihrem Tod erfuhr. Vor den Augen aller verborgen und sogar von jenen unbemerkt, die ihr am nächsten standen, war ihr Innenleben gekennzeichnet von der Erfahrung der tiefen, schmerzlichen und permanenten Empfindung, von Gott getrennt zu sein, ja von Ihm sogar zurückgewiesen zu werden, wobei sie zunehmendes Verlangen nach Ihm hatte. Sie nannte ihre innere Prüfung die Dunkelheit. Die „schmerzhafte Nacht“ ihrer Seele, die um die Zeit anfing, als sie ihr Apostolat unter den Armen begann, und das ganze Leben hindurch andauerte, führte sie zu einer noch größeren Einheit mit Gott. Durch die Dunkelheit nahm sie auf mystische Weise am Durst Jesu teil, an seinem schmerzlichen und brennenden Wunsch der Liebe, und teilte die innere Trostlosigkeit der Armen.
Während der letzten Jahre ihres Lebens fuhr Mutter Teresa, trotz zunehmender gesundheitlicher Probleme fort,ihre Kongregation zu leiten und auf die Bedürfnisse der Armen und der Kirche zu antworten. 1997 zählten die Schwestern von Mutter Teresa etwa 4000 in 610 Häusern, die über 123 Länder der Erde verstreut waren. Im März 1997 segnete sie die neu gewählte Generaloberin der Missionarinnen der Nächstenliebe und unternahm noch eine Auslandsreise.
Nach einem Sommer intensiver Reisetätigkeit zwischen Rom, wo sie Papst Johannes Paul II. das letzte Mal begegnete, New York und Washington, kehrte Mutter Teresa, gesundheitlich angeschlagen, im Juli 1997 nach Kalkutta zurück. Am 5. September, 19.30 Uhr, wurde sie im Mutterhaus für tot erklärt. Ihr Leichnam wurde in die Kirche des hl. Thomas neben dem Loreto-Kloster getragen, an jenen Ort, an dem sie fast 69 Jahre vorher das erste Mal indischen Boden betreten hatte. Hunderttausende Menschen jeder Klasse und Religion erwiesen ihr die letzte Ehre. Am 13. September erhielt sie ein Staatsbegräbnis, im Zuge dessen ihr Leichnam in Prozession durch die Straßen Kalkuttas geführt wurde. Präsidenten, Ministerpräsidenten, gekrönte Häupter und Sondergesandte waren als Repräsentanten der Länder der ganzen Welt anwesend. Ihr Leichnam wurde im Mutterhaus der Missionarinnen der Nächstenliebe in Kalkutta beigesetzt und ihr Grab entwickelte sich schon bald zu einem Ort der Wallfahrten und des Gebets für Menschen aller Glaubensrichtungen, Arme wie Reiche, ohne Unterschied.
Weniger als zwei Jahre nach ihrem Tod erlaubte Papst Johannes Paul II. aufgrund des verbreiteten Rufes der Heiligkeit und der Gnadenerweise auf ihre Fürbitte hin die Eröffnung des Seligsprechungsverfahrens. Am 20. Dezember 2002 approbierte er die Dekrete über die heroischen Tugenden und die Wunder.

Am 19. Oktober 2003 wurde Mutter Teresa von Kalkutta von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 2001 – 2004. Innsbruck: Resch, 2015 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 6). XIV, 482 S., 110 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-099-5, Ln; EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

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