Andreas Resch: Mucien-Marie Wiaux

MUCIEN-MARIE WIAUX
(Alois Josef)
(1841-1917)

PROFESSBRUDER
DES INSTITUTS DER CHRISTLICHEN SCHULBRÜDER

Heilig: 10. Dezember 1989
Fest: 30. Januar

MUCIEN-MARIE WIAUX (Alois Josef) wurde am 20. März 1841 als drittes von sechs Kindern des Ehepaares Jean-Joseph Wiaux und Elisabeth Badot in einfachen sozialen Verhältnissen stark christlicher Prägung in Mellet, Belgien, geboren und am gleichen Tag auf den Namen Alois Josef getauft. Der Vater war Schmied, die Mutter führte neben dem Haushalt noch ein Gasthaus. Alois erhielt von seinen Eltern eine tiefchristliche Erziehung, die durch Beispiele bezeugt wurde. Kindheit und Jugend verbrachte er im Schoß der Familie und ging in seinem Heimatdorf zur Schule. Nach Beendigung der Volksschule begann er im September 1852 eine Lehre in der Schmiedewerkstatt des Vaters, wo er unterseinen Altersgenossen stets durch sein ruhiges und frommes Wesen hervorstach. Im Alter von 13 Jahren machte er einem Freund gegenüber die vertrauliche Bemerkung: „Ich werde nicht mehr lange hobeln und feilen.“ In seinem Innern verspürte er nämlich zunehmend die Berufung zum Ordensstand. Als der Lehrling, der mit ihm das Zimmer teilte, ihn eines Abends am Fußende des Bettes den Rosenkranz beten sah, meinte er: „Louis, du bist nicht für das Leben in dieser Welt gemacht.“ Alois suchte daraufhin Rat beim Pfarrer von Mellet, der ihn auf das Institut der Christlichen Schulbrüder von Gosselies verwies. Von der ersten Begegnung an erkannte er, dass sein Platz in diesem Institut war, und die Eltern akzeptieren seine Entscheidung.

Am 7. April 1856 trat er mit 15 Jahren in das Noviziat der Christlichen Schulbrüder von Namur ein und am 1. Juli desselben Jahres nahm er bei der Einkleidung den Namen Bruder Mucien-Marie an. Nach Beendigung des Noviziats, in dem er ein vorbildlichen Verhalten an den Tag gelegt und bei seinen Oberen und Gefährten einen ausgezeichneten Eindruck hinterlassen hatte, wurde er im September 1857 für ein Jahr zum Unterrichten an die Schule St. Joseph in Chimay geschickt. Anschließend unterrichtete er ein Jahr lang am Institut St. George in Brüssel.

1859 wurde er an das Kolleg St. Berthuin nach Malonne versetzt, wo er 58 Jahre ununterbrochen als Lehrer wirken sollte. Das große Schulgebäude zählte damals mehr als 1000 interne Schüler, aufgeteilt auf die Bereiche Normalschule und Architektur. Bruder Mucien hatte die Aufgabe eines einfachen Repetitors für die Kleinsten in den Klassen Zeichnen und Musik; gleichzeitig arbeitete er während der freien Stunden als Aufsichtsperson und als Katechet in dem an die Schule angrenzenden Pensionat. Alles tat er mit nahezu heroischem Gehorsam.

Da er jedoch, bedingt durch seine Jugend und Unerfahrenheit, bezüglich Professionalität und Didaktik Mängel zeigte, lief er Gefahr, aus der Kongregation ausgeschlossen zu werden, da er für das Apostolat in der Schule ungeeignet sei. Dank der Intervention von Bruder Maixentis wurde er davor bewahrt. Dieser barmherzige und verständnisvolle Mitbruder verhinderte seine Entlassung, indem er darum ersuchte, sich persönlich um das pädagogische Fortkommen von Mucien kümmern zu dürfen. Für Bruder Mucien begann nun ein Leben untergeordneter verborgener Tätigkeiten. Nachdem man ihn in den letzten Monaten des Studienjahres 1859/60 von seinen Funktionen als Professor der siebten Klasse entbunden hatte, unterrichtete er vertretungsweise Zeichnen und Musik, obwohl er zu diesen beiden Fächern keinen besonderen Zugang hatte; dann fungierte er als praktisch überflüssige Aufsichtsperson, als Spezialist für obskure, fast schon demütigende Aufgaben; er beaufsichtigte die Schüler beim Lernen am Abend, die Krankenzimmer, die Nachsitzenden während der Pausen und an den Winterabenden. Der stets gehorsame und dienstbeflissene Bruder Mucien widmete sich dem Klavierstudium, dem Harmoniumspiel und anderen Instrumenten, wo er Kraft für seinen Dauereinsatz in der Liebe zu Gott fand. Und das mehr als 50 Jahre hindurch.

Anfangs sagte Bruder Maixentis zu seinem Schützling: „Sie werden bei Bruder Luxianus, einem außerordentlichen Künstler, Harmonium und Klavier studieren; ich selbst werde ihnen Zeichenunterricht geben. Und hier ist der Stundenplan mit ihren Aufsichtszeiten. Vergessen Sie nicht, täglich von neun bis zehn Ihre Harmoniumlektionen zu wiederholen.“ Und Bruder Mucien antwortete: „Ja, lieber Bruder.“

Am 14. September 1859 wurde er zur dreijährigen Profess zugelassen, die er bis zum 20. September 1869, der Ablegung der ewigen Profess, immer wieder erneuerte. Es waren dies Momente großer Genugtuung. Er fühlte sich von den Mitbrüdern trotz seiner einfachen, zugleich aber so nützlichen und fruchtbringenden Tätigkeiten angenommen. Für Bruder Mucien zählte nur der Wille Gottes, den er im Gebet suchte. Man munkelte bereits: „Der Bruder verbringt die ganze Zeit mit Beten.“

Einem Schüler war aufgefallen, dass Bruder Mucien während der Nacht zuweilen den Schlafsaal verließ. Neugierig geworden folgte er ihm unbemerkt… bis zur Kapelle, wo sich dieser niederkniete und mit lauter Stimme für die Kongregation, die Schule, die Mitbrüder, die Studenten und für alle Intentionen betete, die man ihm anempfohlen hatte – am Ende noch für seine eigenen Nöte und Schwächen. Es verwundert daher nicht, dass ihn alle einen „Heiligen“ nannten. Einige Mitbrüder meinten: „Bruder Mucien ist der Blitzableiter von Malonne.“

Ein ehemaliger Schüler vermerkte: „Am 31. Dezember 1916 kam ich wieder einmal durch Malonne und nahm dort tags darauf an der hl. Messe im Gebäude teil. Neugierig betrachtete ich all die Brüder, als sie von der Kommunion zurückgingen: alles vertraute und inzwischen in die Jahre gekommene Gestalten. Beim Anblick von Bruder Mucien jedoch war ich tief getroffen. Von seinem Gesicht ging ein Leuchten von unbeschreiblicher Schönheit und Freude aus, seine Gesichtszüge hatten so etwas Friedvolles und Glückseliges an sich. Nie werde ich sein vor übernatürlicher Freude strahlendes Antlitz vergessen.“

Dieses Beten, diese Beharrlichkeit im Gebet zu Gott, über Maria, ist die allererste und zweifellos auch die wichtigste Botschaft, die uns vom einfachen und heroischen Leben Bruder Muciens übermittelt ist.

Da ihm bewusst war, dass seine Kongregation für die christliche Erziehung der Armen gegründet wurde, ersuchte er die Oberen, sich in die dem Kolleg angeschlossene Gratisschule begeben zu dürfen, um die Kinder, denen er sich besonders verbunden fühlte, im Katechismus zu unterweisen. Mit überbordendem Eifer eröffnete er ihnen die Reichtümer des Glaubens und wurde so für alle seine Schüler, ob reich oder arm, klein oder groß, zu einem Abbild der Gegenwart Gottes und Seiner Güte. Das Gute, das er damit bewirkte, war unermesslich. Dies bezeugen die jungen Menschen, derer er sich annahm.

Auch in der Schule folgte vor den Zeichentischen von Bruder Mucien eine Generation der anderen, 54 Jahre lang, bis zum Jahre 1914, welches das Ende seiner Karriere als Zeichner bedeutete. Von 1870 an, nach einer langen musikalischen Ausbildung, unterrichtete er die Jugendlichen im Pensionat auch in Klavier und Harmonium. Doch der Unterricht beschränkte sich nicht bloß auf diese beiden Instrumente. Der gute Bruder musste seine Kenntnisse auf musikalischem Gebiet noch weiter ausdehnen: Flöte, Kontrabass, Tuba, kleines Bombardon sowie Orgel; und zur Abrundung wirkte er noch als Leiter des Orchesters, das insgesamt aus über 60 Ausführenden bestand. Bruder Mucien leitete die Proben und war für die Aufführungen an Festtagen und bei Ausflügen verantwortlich.

Bei all diesen Arbeiten als Diener aller traf Bruder Mucien seine Wahl sehr präzise: Er wollte in allem und mit höchster Perfektion den Willen Gottes tun und dabei in ständigem Kontakt mit dem Herrn leben. Um halb fünf Uhr früh traf man ihn schon knieend vor dem Tabernakel an; anschließend ging er zum Marienaltar. Tagsüber baumelte zwischen seinen Fingern der Rosenkranz. Oft besuchte er das Allerheiligste oder pilgerte zur Lourdesgrotte im Park des Kollegs und zu anderen Andachtsstätten. Die Schüler bewunderten seinen Glauben und hießen ihn den „Bruder, der immer betet“. Er empfahl ihnen eindringlich die Verehrung der Eucharistie und der Muttergottes.

Im November 1916 verschlechterte sich der Gesundheitszustand von Bruder Mucien und man empfahl die Spendung der Sakramente. Bruder Mucien regte sich nicht weiter darüber auf, fragte aber seinen Beichtvater, ob es denn schon so schlecht um ihn stehe, dass er diese empfangen solle, und er kniete nieder, um zu beichten. Am Morgen des 22. November empfing er mit großer Andacht die Krankensalbung. Zwei Wochen später fühlte er sich bereits wieder kräftig genug, um sich erneut seinen Aufgaben zu widmen. Mitte Januar 1917 jedoch gesellte sich zu den üblichen Unpässlichkeiten noch die Ruhr, woraufhin ihm die Oberen auftrugen, seine Aktivitäten einzustellen. Von da an pendelte Bruder Mucien zwischen Kapelle und Krankenzimmer und sagte am Ende voller Demut und Dankbarkeit: „Welches Glück es doch bedeutet, wenn man, so wie ich, am Rand des Grabes steht und immer eine große Verehrung für die Madonna hatte!“ Dies war seine letzte Botschaft, bevor er in Agonie fiel. Am 30. Januar 1917 um 4.15 Uhr dachte der Krankenpfleger: „Er betet nicht mehr, er muss tot sein.“ Tatsächlich starb Bruden Mucien Wiaux zur selben Stunde, als die Glocke für die Kommunität den Beginn des Tages einläutete. Obwohl er ein Leben im Verborgenen geführt und niedrige Dienste verrichtet hatte, verbreitete sich sein Ruf der Heiligkeit wie ein Lauffeuer. Noch am Todestag wurde von besonderen Gnaden berichtet und schon bald strömten Scharen von Pilgern zu seinem Grab.

Seine sterblichen Überreste ruhen im Sanctuaire du Fr. Mutien-Marie, Fond de Malonne, 117, Malonne, Belgien.

Am 30. Oktober 1977 wurde Mucien-Marie Wiaux von Papst Paul VI. seliggesprochen und am 10. Dezember 1989 von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Johannes Pauls II. 1982 – 2004. Innsbruck: Resch, 2012 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 5). XIV, 480 S., 109 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-094-0, Ln, EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

Bestellmöglichkeit: info@igw-resch-verlag.at