Andreas Resch: Mercedes von Jesus Molina

MERCEDES VON JESUS MOLINA
(1828-1883)

GRÜNDERIN
DER KONGREGATION DER SCHWESTERN DER
HEILIGEN MARIANNA VON JESUS
(MARIANITAS)

Selig: 1. Februar 1985
Fest: 12. Juni

MERCEDES VON JESUS MOLINA wurde 1828 als letztes der drei Kin­der von Miguel Molina und Rosa Ayala in Baba, Distrikt Guayaquil, Ecuador, geboren und dort nach eigenen Aussagen auf den Namen Mercedes getauft. Aufgrund eines Brandes, bei dem das Pfarrarchiv zerstört wurde, gibt es näm­lich weder eine Taufurkunde, noch ist das genaue Geburtsdatum bekannt.

Als 1830 der Vater starb, war Mercedes kaum zwei Jahre alt. Die Erziehung der Kinder oblag nun völlig der Mutter, die sich der Situation mutig stellte und in der Hoffnung, diesen eine bessere Ausbildung vermitteln zu können, nach Guayaquil übersiedelte. Sie hatte großen Einfluss auf Mercedes, die sich ihr Le­ben lang an ihre Ermahnungen und Maximen erinnerte, welche sie als Richtli­nie für ihre weitere Zukunft nahm. Als sie 15 Jahre alt war, verlor sie auch ihre Mutter. Nach einer kurzen Zeit der Trauer gemeinsam mit ihren Geschwistern Miguel und Maria in Baba zog sie in das Haus einer Bekannten nach Guayaquil. Nach der Heirat mit Ramón Vergara kam auch Maria dorthin. Die beiden Schwestern blieben über Jahre hinweg beisammen, bis Mercedes beschloss, ih­rer Berufung zu folgen. Die guten Vermögensverhältnisse ermöglichten ihr ein Leben in Wohlstand und Behaglichkeit, doch hatte sie auch ein großes Herz für die Armen.

Im Alter von 20 Jahren erlitt Mercedes einen Unfall, als sie sich beim Sturz von einem scheuenden Pferd den Arm brach. Dadurch vorerst in ihrer Aktivität gebremst erkannte sie die Vergänglichkeit alles Irdischen, versprach der Jung­frau Maria, jeglichem Luxus zu entsagen, das weiße Kleid zu Ehren der Gna­denmutter anzulegen und sich Gott zu weihen. Von da an führte sie ein enthalt­sames Leben, wobei sie dreimal in der Woche fastete. Sie wollte auch privat die Gelübde ablegen, doch riet ihr Beichtvater davon ab. Nicht nur, dass er sie ent­mutigte, er überzeugte sie auch noch davon, dass es besser sei, den üblichen Weg zu gehen und in den Stand der Ehe zu treten. Mercedes legte daraufhin das weiße Kleid wieder ab und schlüpfte in die aristokratischen Gewänder.

1849, als sie 21 Jahre alt war, hielt ein junger Mann aus der besseren Gesell­schaft um ihre Hand an. Mercedes nahm den Antrag an, verlobte sich, und schon wurde ein Hochzeitstermin vereinbart. Als dieser aber immer näher rückte, reifte in ihr der Entschluss, sich ganz Gott zu weihen. Nachdem sie sich eines Abends in ihr Zimmer zurückgezogen hatte, hielt sie eingehend Zwiespra­che mit dem Gekreuzigten. Tief ergriffen warf sie sich vor dem Bildnis Christi auf die Knie, löste ihre Verlobung und legte – wie in den Kanonisationsakten zu lesen ist – das Gelübde der ewigen Keuschheit ab, indem sie den Herrn zu ih­rem einzigen Bräutigam erkor: „Sogleich wandelten sich ihre Gefühle, denn alle Sympathie, die sie für diesen Edelmann empfand, der ihr Verlobter war, schlu­gen alsbald in Antipathie und Abneigung um; aus jener Fessel befreit, wollte sie fortan ernsthaft ein solides und vollkommenes Leben führen.“

Von diesem Augenblick an war ihre einzige Sorge, nach bestmöglichen Kräf­ten der hl. Marianne von Jesus, der Lilie von Quito, nachzueifern. Begleitet vonihrem Spiritual begann sie sich dem Gebet zu verschreiben und trat in eine Ein­heit mit Gott. In Ekstase versunken und erquickt durch die wahrnehmbare Visi­on Christi, verrannen die Stunden, ohne dass sie es bemerkte.

Unter Anleitung ihres Beichtvaters, P. Vinzenz Pastor, und – als dieser die Stadt verließ – unter P. Amadeo Millän, einem profunden Kenner der Mystik, hatte sie Gelegenheit, ihr spirituelles Leben zu ordnen, das durch den aus Vero­na in Italien stammenden Jesuiten Dominikus Bovo Garcia noch einen „ignatia­nischen“ Schliff erhielt. Unter seiner Führung und der anderer Jesuiten tat Mercedes die letzten Schritte in der Entscheidung über ihr künftiges Leben. Sie verkaufte die von ihren Eltern geerbten Güter, verabschiedete sich von ihrer Schwester und ging in das von Franziska Vera und Maria Juana Marin geführte Waisenhaus nach Guayaquil. Als offiziellen Grund gab sie an, dass sie den Be­ruf einer Krankenschwester ausüben wolle. Da jedoch die Oberin des Waisen­hauses so schwer erkrankt war, dass es keine Hoffnung auf Genesung mehr gab, übernahm Mercedes aus Gehorsam deren Stelle und verwandte fortan ihre ganze Kraft zum Wohle der Kinder. Die unglückliche Situation der Waisenmäd­chen bewegte sie zutiefst.

Drei Jahre später, am 5. Juni 1870 folgte sie gemeinsam mit zwei Gefährtin­nen ihrem geistlichen Führer, P. Dominikus Bovo Garcia SJ, in die Mission zu den Jivaras in den Anden. Nachdem sie zweimal die Kordilleren bezwungen hatten, erreichten sie am 16. Juli 1870 die Stämme der zu bekehrenden Indios. Mercedes begann mit der Katechese der indianischen Mädchen, Töchter der ge­fürchteten „Kopfjäger“ aus den Wäldern Amazoniens. Nach ca. einem Jahr musste sie ihre Arbeit aufgrund einer kriegerischen Auseinandersetzung zwi­schen einigen Indio-Stämmen unterbrechen. In dieser Situation der Untätigkeit dachte sie an die Gründung einer religiösen Kongregation, traf entsprechende Vorkehrungen und bereitete die Ordensregel vor, die der Gemeinschaft als An­leitung und Richtlinie dienen sollte.

Nach Beendigung der Stammesfehden nahm Mercedes ihre missionarische Arbeit gemeinsam mit den Jesuiten wieder auf. Zu diesem Zeitpunkt aber brach die Pockenepidemie aus, die acht Monate dauerte. Die Missionare und jungen Schwestern opferten sich zum Wohle der Kranken geradezu auf. Während Mercedes das Vertrauen und die Zuneigung der Indios gewann, mussten die Patres die Mission entgegen ihren Bestrebungen verlassen.

Nach der Abreise der Jesuiten vollbrachten Mercedes und ihre beiden Ge­fährtinnen ein immenses Werk der Nächstenliebe an den von der Krankheit ge­plagten Jivaras.

Auf Anordnung ihres geistlichen Führers, P. Garcia, musste auch sie die Mis­sion schließlich verlassen und ließ sich in Cuenca nieder, wo sie sich der Kin­derbetreuung in einem Waisenhaus ebenso wie der Weiterbildung der Frauen widmete und den Sterbenden beistand. Doch weder sie noch ihr Beichtvater waren überzeugt, dass dieses Waisenhaus der Grundstein für eine neue Kon­gregation sein konnte. P. Garcia wurde nach Riobamba berufen, wo er dem Diözesanbischof in einem ausführlichen Gespräch das Vorhaben von Mercedes erläuterte. Da gerade zu dem Zeitpunkt ein Gebäude für die Unterbringung von Waisen zur Verfügung stand, gab der Bischof sofort seine Einwilligung.

Am 13. Januar 1873 befanden sich Mercedes und drei Gefährtinnen in Riobamba, wo ihr ein Waisenhaus anvertraut wurde, und am 14. April 1873 er­folgte unter der Bezeichnung „Marianne von Jesus“ die Gründung eines neuen Instituts. Am selben Tag nämlich legte Mercedes zusammen mit zwei Gefährtin­nen vor dem Bischof von Riobamba die Gelübde ab und setzte damit den Grund­stein für die Ordensgemeinschaft der Schwestern der heiligen Marianna von Jesus (Marianitas, Abb.), die erste autochthone Kongregation Equadors. Mercedes nahm den Namen Mercedes von Jesus an, die beiden anderen nann­ten sich fortan Angela von Jesus und Mercedes vom Hl. Geist. Als Ordenskleid wählten sie jenes der hl. Marianne von Jesus, mit einer kleinen Plakette, in die der Name Jesu eingeprägt war. Die Ziele der Institution waren, nach dem Bei­spiel der jesuitischen Ordensregel, die Heiligung der eigenen Mitglieder, die christliche Erziehung der Jugend und die Rückholung der auf Abwege gerate­nen jungen Frauen.

Die Errichtung des Instituts war mit erheblichen Problemen verbunden. Ein Missverständnis zwischen Jesuiten und Redemptoristen führte zu einem Still­stand. Die Ermordung des equadorianischen Präsidenten Garcia Moreno am 6. August 1875 hatte schwere wirtschaftliche Folgen für das Waisenhaus, wo die Kinder mangels Verpflegung Hunger leiden mussten und die innere Disziplin der Gemeinschaft ins Wanken geriet. In dieser Situation war Mutter Mercedes die einzige, die entgegen allen Hoffnungen noch an das Überleben der Kongre­gation glaubte. Sie ermunterte ihre Mitschwestern und erreichte, dass sie als Superiorin abgelöst wurde. Sechs Jahre lang widmete sie sich nun als Lehrerin direkt der geistlichen Formung der Ordensschwestern und beschränkte sich darauf, der neuen Oberin als ihre Assistentin beratend zur Seite zu stehen. Sie war später auch Direktorin des Waisenhauses und übte die verschiedensten Aufgaben aus, sogar jene der Pförtnerin, wobei sie zuletzt den Redemptoristen Peter Clam zum Beichtvater hatte.
Nachdem Mercedes an einer Lungenentzündung erkrankt war, beendete sie ihren irdischen Lebensweg am 12. Juni 1883 im Alter von 55 Jahren.
Ihr Grab befindet sich im Mutterhaus der Marianitas, Argentinos 1732 y Ma­riana de Jesüs, Riobamba, Ecuador.

Die Kongregation der Marianitas arbeitet heute auch in Kolumbien, Venezue­la und in den Vereinigten Staaten.

Am 1. Februar 1985 wurde Mercedes von Jesus Molina von Papst Johannes Paul II. in Guayaquil, Ecuador, seliggesprochen.


RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1979 – 1985. Innsbruck: Resch, 2000 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 1). XII, 248 S., 56 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-070-4, Ln, EUR 24.60 [D], 25.44 [A]

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